Kniesprechstunde: Acht Fragen an den Patienten zur Knie-OP

Wenn ein Patient vor einer Operation das Sprechzimmer betritt, ist es wichtig, dass sich zunächst der Arzt und Operateur ein Bild vom Patienten macht. Da geht es um sein Hauptproblem, seine Erwartungshaltung, die angestrebten Ziele, die Risikofaktoren, die Lebensumstände und um eine Gesamteinschätzung des Patienten.
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Wichtig ist, sich gegenseitig vorher über Perspektiven und Ziele ins Bild zu setzen, damit für beide Seiten ein optimales Ergebnis erzielt werden kann. Nur weil ein Chirurg die Operation technisch durchführen kann, heißt es nicht, dass er das auch tun sollte, wenn das Krankenhaus oder OP-Zentrum nicht die notwendige Spezialisierung aufweist.

Acht Fragen an den Patienten

1. Was stört Sie an Ihrem Knie?

Im Sprechstundengespräch ist zunächst zu klären, worin das Hauptproblem für den Patienten in Bezug auf seine Kniebeschwerden liegt. Ist es der andauernde Schmerz, ist es die Instabilität, sind es wiederkehrende Schwellungen und Ergüsse? Manchmal ist es die eingeschränkte Sportfähigkeit oder es sind ganz andere Aspekte. Mit dieser Fragestellung kann der Operateur erkennen, ob dieses Problem sachgerecht mit einer Operation oder vielleicht besser durch konservative Maßnahmen gelöst werden kann.

Bisweilen berichten Patienten bei dramatischen Arthrose-Röntgenbildern, dass sie eigentlich gar keine Schmerzen haben und ich lediglich sorgen, den optimalen Zeitpunkt für eine Operation zu verpassen. Bei diesen Patienten kann man operativ im Grunde wenig Erfolg erzielen, da bei wenig Schmerz auch nur ein geringer Leidensdruck vorliegt.

Hier kann man oft besser zu einer konservativen Therapie raten, ohne dass eine Operation schon sinnvoll wäre. Denn nur wenn ein größerer Leidensdruck vorliegt, der operativ beseitigt werden kann, wird der Patient später auch mit dem Ergebnis zufrieden sein und die Strapazen von Operation, Rehabilitation und Integration in Kauf nehmen.

Gerade bei Männern höre ich auch häufig: „Meine Frau schickt mich, weil ich so komisch laufe.“ Die Frage nach Beschwerden verneinen sie, sodass man diese Patienten getrost wieder nach Hause zu ihrer Frau schicken kann und ihnen lediglich eine jährlich stattfindende Kontrolle der Kniegelenke empfiehlt.

Bei Sportproblemen reicht oft schon eine Beratung, welche Sportarten mit einem geschädigten Kniegelenk sinnvoll sind und welche Belastungen eher vermieden werden sollten.

Eine Ausnahme hiervon ist die stärkere Achsfehlstellung in Form von O- oder X-Beinen, die man als Präarthrose wertet. Präarthrosen sind Zustände, die im späteren Lebensalter zu einer Arthrose führen können. Achsfehlstellungen werden am besten korrigiert, bevor Beschwerden und Knorpelverschleiß auftreten. Da in dieser Phase jedoch selten ein Leidensdruck vorliegt, ist bei diesen zumeist jüngeren Patienten der Wille, solch eine Operation durchführen zu lassen, verständlicherweise gering. Führt man diese Achskorrektur dann später bei bereits schmerzhafter Arthrose durch, ist der Eingriff nicht mehr als Arthrose-Vorbeugung zu verstehen, sondern eher als eine Maßnahme, um eine mögliche spätere Knieprothese hinauszuzögern.

Bei Instabilitäten besonders im jüngeren Alter, orthopädisch heißt das unter 60 Jahre, ist eine Stabilisierungsoperation zu empfehlen, da eine Instabilität nicht nur das tägliche Leben und die Sportfähigkeit beeinträchtigt, sondern auch als ein Faktor zu werten ist, der eine spätere Arthrose begünstigt. Bei Schwellungen und Ergüssen im Kniegelenk, die nicht klassisch arthrosebedingt zu sein scheinen, ist auch eine rheumatologische Abklärung häufig sinnvoll.

Die Wichtigkeit eines genauen Patientengesprächs am Anfang der Behandlungskette kann deshalb gar nicht oft genug betont werden.

Das genaue Gespräch mit dem Patienten am Anfang der Behandlungskette kann gar nicht oft genug betont werden.

2. Wie sieht Ihr Alltag aus?

Das ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt in den Gesprächen vor einer möglichen Operation. Ist der Patient noch berufstätig, hat er einen körperlich anstrengenden Beruf, ist es realistisch, dass er nach einer Operation wieder in diesem Beruf arbeitet? Ein Straßenbauarbeiter beispielsweise wird nach dem Einsetzen eines künstlichen Gelenks schwer wieder in seinen alten Beruf zurückfinden. Geht es nur noch um wenige Jahre bis zur Rente, muss besprochen werden, ob dieser Zeitraum mit konservativer Therapie überbrückt werden kann. Häufig bedeutet eine vorzeitige Operation dann eine Erwerbsunfähigkeit, die mit finanziellen Einbußen verbunden ist. Liegt die Wohnung im sechsten Stock ohne Fahrstuhl, muss kritisch besprochen werden, ob man im Vorfeld der Operation möglicherweise eine Änderung herbeiführt. Bei älteren Patienten gibt es häufig die Situation, dass ein pflegebedürftiger Partner zu versorgen ist. Hier ist oftmals gar keine Zeit für eine aufwendige konservative Therapie, da die Patienten eng an ihren häuslichen Bereich gebunden sind. Kennt man den Alltag des Patienten, kann man Hilfestellung geben, ob konservative oder operative Maßnahmen besser zur Problemlösung geeignet sind.

3. Was erwarten Sie von einer Operation?

Die Erwartungshaltung der Patienten ist sehr unterschiedlich. Ich höre Aussagen wie: „Ich möchte jetzt endlich das beste Knie meines Lebens bekommen. Ich hatte schon als Kind Probleme mit dem Knie.“ Oder: „Ich möchte die Operation einfach nur überleben.“ Als Operateur weiß man, dass man durch eine OP ein Leben lang mit einem Patienten verbunden bleibt. Die amerikanischen Chirurgen sagen: „If you cut them, you marry them.“ (Wenn du sie operierst, heiratest du sie.)

In der Orthopädie kann man zwischen einer Alltags-, einer Sport- und einer Wettkampffunktion unterscheiden. Eine Alltagsfunktion sollte Aktivitäten des täglichen Lebens garantieren, also Fahrradfahren, Treppensteigen, das Sitzen auf einem tiefen Sofa und das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel.

Die Sportfunktion ist gerade bei jüngeren Patienten wichtig und beinhaltet Sportarten, die mit künstlichen Gelenken sinnvoll betrieben werden können. Dazu gehören beispielsweise Schwimmen, Rad fahren, Skilanglauf oder Nordic Walking. Auf diese Thematik wird ausführlich unter Punkt 5 in diesem Kapitel eingegangen. Eine Wettkampffunktion erwarten vor allem junge Sportler nach Kreuzband- und Meniskuseingriffen.

Meiner Meinung nach ist die Erwartungshaltung des Patienten der entscheidende Punkt in der Operationsentscheidung.

Die Erwartung des Patienten muss durch eine Operation erfüllt werden können, andererseits sollte man davon abraten oder als Operateur selbst davon Abstand nehmen. Oft können Patienten nach einem aufklärenden Gespräch ganz gut akzeptieren, dass sie auf gewisse Aktivitäten verzichten müssen. Sie kommen jedoch mit den Alltagsaktivitäten gut klar, sodass dann eine Operation erst mal gar nicht zur Diskussion steht. Bisweilen reicht auch der Hinweis, dass es mit dem Joggen nun vorbei und vielleicht Fahrradfahren mit sportlichem Aspekt weitaus besser geeignet ist, um Herz und Kreislauf fit zu halten und die Gelenke zu bewegen. Ich habe schon Postkarten von Patienten bekommen, die nach der Beratung ihren Sport umgestellt haben und nun an Radrennen teilnehmen, die durch den Harz oder über die Alpen gehen und mit ihrem neuen Sport sehr zufrieden sind.

Jeder Patient definiert seinen Aktivitätsradius individuell sehr unterschiedlich.

4. Welche Aktivitäten streben Sie nach einer Operation wieder an?

Auch hier ist entscheidend, ob die angestrebten Aktivitäten mit einer Operation wieder erreicht oder hergestellt werden können. Das bleibt die Kernfrage jedes Vorgesprächs.

Jeder Patient definiert seinen Aktivitätsradius individuell sehr unterschiedlich. Das kann das Leben in unmittelbarer Umgebung mit Einkaufen und Sozialkontakten sein, aber auch eine vermehrte Reisetätigkeit, die Pflege von Angehörigen, die Versorgung von Enkeln oder eine auf opfernde ehrenamtliche Tätigkeit.

Ist es der Wunsch des Patienten, wieder am Berlin-­Marathon teilzunehmen, ist dieses Ziel sicherlich nicht realistisch mit einem Gelenkersatz zu erreichen.

Hat ein Patient eine fortgeschrittene Arthrose und möchte wieder eine vernünftige Alltagsaktivität mit Fahrrad fahren und Treppensteigen leben sowie moderat Sport machen können, ist genau dieses Ziel operativ gut zu erreichen.

Sexuelle Aktivität ist einer der 16 wichtigsten Punkte, die sich Patienten mit einem künstlichen Kniegelenk wieder wünschen. Die häufig gestellte Frage, ob Sex auch mit künstlichen Kniegelenken wieder gut möglich ist, kann zum Glück mit einem klaren Ja beantwortet werden. Es gehört zu den meist verschwiegenen Fakten, dass sich ein neues Kniegelenk sehr positiv auf das Sexualleben auswirkt.

Knapp 50 Prozent der Operierten berichten von einer gesteigerten sexuellen Frequenz durch die wiedergewonnene Bewegungsfreiheit und die Abnahme des Schmerzes. Im Schnitt dauert es zweieinhalb Monate, bis Patienten nach einer Knieprothesenimplantation ihre sexuelle Frequenz wieder aufnehmen.

5. Wollen Sie weiterhin Sport treiben?

Zieht man den Einbau von künstlichen Kniegelenken in Betracht, gibt es Sportarten, die mehr oder weniger gut geeignet sind. Alle Low-Impact-Sportarten wie Fahrradfahren, Schwimmen, Golf, Nordic Walking und Tanzen sind sehr gut mit einem künstlichen Kniegelenk zu bewältigen.

Stauchende Sportarten wie Joggen, Volleyball oder Fußball sind mit einem künstlichen Gelenk ungünstig, ebenso Sportarten wie Ringen oder Judo, bei denen man in eine tiefe Hocke oder in eine knieende Position gehen muss. Sportarten wie Tennis und Alpin-Ski sind nur geeignet, wenn schon ausreichend Erfahrung mit der Sportart vorliegt.

Mit einem neuen Kreuzband im jüngeren Lebensalter sollte grundsätzlich jede sportliche Aktivität wieder möglich sein. Dennoch muss auch hier auf die Versagensrate von ungefähr 10 bis 20 Prozent der kreuzbandchirurgischen Eingriffe hingewiesen werden und darauf, dass viele Patienten nicht wieder auf ihr vorheriges Aktivitätslevel zurückkehren werden.

6. Wollen Sie berufstätig bleiben?

Manche Patienten legen sich solch eine große Operation ans Ende ihrer beruflichen Tätigkeit, um nach der Operation aus dem Arbeitsleben ausscheiden zu können. Der unter 60-jährige Patient, der bereits einen fortgeschrittenen Gelenkverschleiß hat und beruflich, sportlich und privat aktiv bleiben will und muss, ist hier der anspruchsvollste Patient. In diesem Fall sollte auch eine Berufsberatung durchgeführt werden, wenn in einem körperlich anstrengenden Beruf gearbeitet wird. Weiterhin sollte man nach Möglichkeit den Betriebsarzt einbinden. Das Dilemma bei diesen Patienten, die wirklich ein künstliches Gelenk brauchen, ist, dass sie in ihrem Alter bei den Standzeiten der Prothesen ein hohes Risiko einer Wechseloperation des Gelenks eingehen. Anders gesagt: Diese Patienten werden sehr wahrscheinlich ihr künstliches Gelenk überleben. Andererseits können sie nicht noch zehn oder mehr Jahre die Operation aufschieben. Der Anteil der Patienten, die bereits mit unter 60 Jahren ein künstliches Kniegelenk bekommen, steigt kontinuierlich an und liegt derzeit bei etwa 20 Prozent.

Gerade an diesen Patienten sieht man, wie wichtig der orthopädische Check-up ist. Ziel ist, den Totalschaden zu vermeiden und viel Kraft und Zeit in die Prävention zu investieren. Lassen Sie Ihren Bewegungsapparat wirklich regelmäßig überprüfen und pflegen Sie Ihr Auto oder Ihre Espressomaschine nicht besser als Ihren Körper! Denn das Knie ist nun mal eines der anspruchsvollsten Gelenke unseres Körpers.

Das Knie ist außerdem nicht tot, sondern kann durch Muskeltraining, Gewichtsabnahme und Verbesserung der Fußstellung sehr wohl positiv beeinflusst werden.

Pflegen Sie Ihr Auto oder Ihre Espressomaschine nicht besser als Ihren Körper!

7. Was sind Ihre Ängste bei der Operation?

Einige Sorgen lassen sich im Gespräch klären und man kann den Patienten bezüglich der Narkose oder der anhaltenden Schmerzen beruhigen.

Andere Befürchtungen, beispielsweise die vor einer Infektion, sollte man sehr ernst nehmen und dem Patienten das Risiko genau aufzeigen. Spricht er die Angst vor einer Infektion bei einer Operation an, sage ich ihm dann immer, dass das auch meine größte Sorge als Operateur ist. Ich weise aber darauf hin, dass man umfassende Maßnahmen wie eine spezielle Körperwäsche in den Tagen vor dem Eingriff sowie ein Antibiotikum kurz vor operationsbeginn einsetzt.

Auch der Hinweis, dass das Risiko einer Infektion beim Einsetzen eines künstlichen Kniegelenks unter 2 Prozent liegt, kann zur Angstreduktion beitragen.

Infektionen sind momentan das große Thema und werden auf jedem Endoprothetik-Kongress intensiv diskutiert. Die gute Nachricht ist, dass Infektionen heilbar sind. Durch die Zusammenarbeit mit Infektiologen und Mikrobiologen werden gezielte Antibiotikakombinationen ausgewählt, die die Keime ausmerzen können. Chirurgisch muss aber meist erneut operiert werden und das künstliche Gelenk entfernt und im Intervall von wenigen Wochen erneut eingebaut werden. Das ist natürlich eine harte Zeit und Belastung für den Patienten, am Ende steht aber meist ein gutes Ergebnis.

Jede Körperstelle, die chronische Entzündungen oder Keimbesiedlungen aufweist, ist ein potenzieller Streuherd für Erreger, die sich dann auf einem künstlichen Gelenk ansiedeln können.

8. Wie sieht Ihr persönliches Risikoprofil aus?

Nicht jeder Patient eignet sich gleichermaßen gut für eine Operation. Je mehr Risikofaktoren ein Patient aufweist, desto gefährdeter ist ein gutes Operationsergebnis. Hat ein Patient einen sehr schlechten Zahnstatus, hat er ganz klar ein höheres Risiko für eine Infektion. Das Gleiche gilt für schlechte Zehennägel mit Fußpilz.

Darüber hinaus sind Hautpilz, Übergewicht, Nikotin­, Drogen­ und Alkoholmissbrauch sowie Diabetes risikobehaftet.

Jede Körperstelle mit chronischen Entzündungen oder Keimbesiedlungen ist ein potenzieller Streuherd für Erreger, die sich auf einem künstlichen Gelenk ansiedeln können.

Zähne und Füße können relativ problemlos vor einer Operation saniert werden, da es sich ja um planbare Operationen handelt, die nicht unmittelbar ausgeführt werden müssen. Andere Risikofaktoren wie Übergewicht und Nikotinmissbrauch sind sicherlich schwieriger zu verringern; jedoch ist häufig bereits eine Reduzierung des Übergewichts ein deutliches Plus.

Ist das Gelenk bereits vor einer Operation stark in der Bewegung eingeschränkt, hilft ein krankengymnastische Übungsbehandlung vor der OP. Die Amerikaner nennen das „Prehabilitation“ und haben den Spruch „Better in, better out“ geprägt. Der alte Spruch „Je beweglicher man in eine Operation geht, desto beweglicher kommt man aus der Operation heraus“ hat also überhaupt nichts in seiner Aktualität eingebüßt.

Diese und weitere Informationen zum Thema Knie-OP finden Sie in dem Buch "Nicht übers Knie brechen" von Herrn Prof. Hanno Steckel.

Informationen zum Buch

Becker Joest Volk Verlag: Nicht übers Knie brechen, ISBN 978-3-95453-182-0 24,95 EUR (D), 25,70 EUR (A) 256 Seiten, Format 19 × 24 cm, 80 Fotos, 51 Illustrationen, gebunden Text: Prof. Dr. Hanno Steckel

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