Auf dem Sprung - Verletzungsgefahr des Sprunggelenks
Schon lange ist die große Verletzungsgefahr des Sprunggelenks bekannt: So ist der Außenbandriss am Sprunggelenk eine der häufigsten Sportverletzungen überhaupt. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass es etwa 1.000mal täglich in Deutschland zu dieser Verletzung kommt. Auch Brüche des Sprunggelenks zählen zu den häufigsten Bruchverletzungen der unteren Extremitäten. Aufgrund der sensiblen Biomechanik des oberen Sprunggelenkes mündet fast jeder zweite Bruch später in eine behandlungsbedürftigen Arthrose.
Dabei gelten in der Sportmedizin weniger die Modesportarten als besonders unfallträchtig, sondern vielmehr die klassischen Ballsportarten: Volleyball, Basketball, Hand- und Fußball führen ganz klar die Statistiken an. Weil es bei Bänderrissen sehr häufig zu Wiederholungsverletzungen kommt, verwundert es nicht, dass in Deutschland jährlich etwa 450.000 Sprunggelenksbandagen verordnet werden.
Implantat statt Versteifung
Auffällig ist der deutliche Anstieg dieser Verletzungen bei den 16- bis 18-Jährigen, also einer vergleichsweise jungen Altersgruppe. Erweisen sich die bisherigen Schätzungen als zutreffend, so werden rund 15 Prozent von ihnen später wegen dieser Verletzungen unter einer Arthrose des oberen Sprunggelenkes leiden.
Bisher stand uns Orthopäden in einem solchen Fall als dauerhafte Behandlungsmöglichkeit lediglich die Versteifungsoperation zur Verfügung. Seit einigen Jahren gibt es eine andere ernsthafte und ausgereifte Alternative: die Implantation eines künstlichen Sprunggelenkes. Die Operationszahlen sind zwar noch vergleichsweise gering – steigen aber von Jahr zu Jahr kontinuierlich an.
Mittlerweile wurden in fußchirurgischen Zentren ausreichende operative Erfahrungen gesammelt. Die Versorgung des verschlissenen Sprunggelenkes mit einem Kunstgelenk hat schon längst das experimentelle Stadium verlassen. Trotzdem: Noch immer kann die Implantation eines künstlichen Sprunggelenkes nicht als Risiko armer Routineeingriff gelten. Das hat auch nie für die Versteifungsoperation gegolten.
Geringe Lockerungsraten
Diese relativ hohe Zahl, aber auch das Bewusstsein um die Endgültigkeit eines Versteifungseingriffs und die mit der Versteifung einhergehende Überlastung der angrenzenden Gelenke, war der Anlass, eine Sprunggelenksendoprothese zu entwickeln und - erstmals im Jahr 1970 - einzusetzen. Anfangs lockerten sich noch viele Endoprothesen nach kurzer Zeit. Im Laufe der Jahre gelang es jedoch, das Design der Endoprothesenmodelle und die erforderlichen Operationsinstrumente ständig zu verbessern. Damit konnten in den 90-er Jahren in wissenschaftlichen Untersuchungen Überlebensraten der Sprungelenksprothese von immerhin 72,7 Prozent bis 75,5 Prozent nach zehn Jahren nachgewiesen werden. Das heißt, dass zehn Jahre nach ihrem Einbau vier von fünf Endoprothesen noch einwandfrei funktionieren. Diese gute Haltbarkeit, künstlichen Kniegelenken durchaus vergleichbar, hat zu einer rasanten Weiterentwicklung der künstlichen Sprunggelenke geführt. Heute setzen sich mehr und mehr die anatomisch geformten Modelle durch, die in ihrer Passform den tatsächlichen anatomischen Gegebenheiten entsprechen.
Die moderne Sprunggelenksendoprothese ist spezialbeschichtet und wird normalerweise nicht mehr mit Knochenzement verankert, sondern zementfrei am Knochen eingesetzt. Der moderne künstliche Gelenkersatz ist in der Regel dreiteilig und besteht aus je einer metallischen Komponente für den Schienbein- und Sprungbeinknochen, zwischen denen sich ein Kunststoffgleitkern aus hochwertigem Polyethylen befindet. Neun verschiedene Endoprothesenmodelle stehen heute zur Verfügung, und ihre Tauglichkeit und Qualität ist auf jedem aktuellen orthopädischen Kongress zum Thema „Fußchirurgie“ Gegenstand fachlicher Diskussion.
Auch wenn diese Ergebnisse insgesamt sehr ermutigen, ist der Einbau eines künstlichen Sprunggelenkes in der richtigen und exakten Position noch immer ein anspruchsvoller operativer Eingriff: Wundheilungsstörungen, Schwellungen, Infektionen und selbst Knöchelbrüche sind auch beim erfahrenen Operateur zwar seltene, aber nicht ganz ungewöhnliche Komplikationen. Kommt es allerdings unerwartet zu einer vorzeitigen Lockerung, kann die Endoprothese entweder komplett oder auch in einzelnen Teilen gewechselt werden. Als letzte Möglichkeit kann zu diesem Zeitpunkt in aller Regel noch eine Versteifungsoperation immer vorgenommen werden.
So ist nach Meinung vieler Experten das Dogma, die Versteifungsoperation stelle eine dauerhafte Lösung für alle Probleme des Sprunggelenkes dar, längst überholt. Falsch ist es jedoch auch, die Endoprothese als Lösung aller verschleißbedingten Schäden des Sprunggelenkes anzusehen. Dennoch: Man muss kein Prophet sein, um die These aufzustellen, dass das künstliche Sprunggelenk in der Behandlung der Arthrose einen genauso festen Platz in der Therapie einnehmen wird wie das künstliche Hüft- und Kniegelenk.