Klinik vor Ort: Handprothesen

In der Serie "Klinik vor Ort" berichtet die Redakteurin Inga Mennen M. A. in Zusammenarbeit mit dem Chirurgen Dr. Bernd Sauer aus dem Krankenhaus Wittmund. Heute: Die Entwicklung der Prothesen geht stetig weiter – Heute kann man mit den künstlichen Händen fast alles machen. Captain Hook würde vor Neid erblassen.
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Er hatte einen Haken an seinem rechten Stumpf und mit dem kam Captain Hook aus dem Buch Peter Pan auch bestens zurecht. Aber wie eine Hand sah der Ersatz nun nicht gerade aus. Da war die Prothese von Götz von Berlichingen schon eher der Hingucker – sie wurde zum Markenzeichen des Ritters, der seine Hand 1504 in einem Gefecht verlor. Ob er sich mit seiner künstlichen Nachbildung die Schuhe hätte zubinden können, das ist nicht überliefert. Heute aber haben Handamputierte gute Chancen, so ziemlich alles mit ihren Prothesen machen zu können.

Die Chirurgen wollen möglichst viel erhalten

Der diplomierte Orthopädietechnikmeister Elmar Janßen von der Firma Uber in Jever gibt einen Einblick in die hoch technisierten Prothesen. „Es ist wichtig, dass genug Weichteile über dem Stumpf vorhanden sind“, erklärt der 49-Jährige und an dieser Stelle kommt der zertifizierte Handchirurg Dr. Bernd Sauer ins Spiel, der in seiner Laufbahn schon einige Amputationen hat vornehmen müssen. „Für uns Chirurgen ist es das Ziel, maximal möglichst viel zu erhalten, da macht man sich eigentlich keine Gedanken darüber, wenn ein Patient auf dem Tisch liegt, wie später seine Prothese aussehen kann“, sagt der Arzt mit einem Augenzwinkern. Im Grunde lassen sich alle Gliedmaßen ersetzen. In der Regel sind es aber die unteren Extremitäten. „Das liegt an Krankheiten, die oft dazu führen, dass zum Beispiel ein Bein amputiert werden muss“, erklärt Dr. Sauer. Das sind Amputationen die besser planbar sind. Bei den Armen oder Händen zum Beispiel sind es meistens Unfälle, die zu diesen folgenschweren Operationen führen.

Traumata mit glatten Abtrennungen machen es dem Chirurgen natürlich etwas einfacher – mit Geschick und Gefühl kann es ihm gelingen, die abgetrennten „Teile“ mit dem Stumpf wieder zu verbinden. „Aber, wenn man einen Landwirt hat, dessen Hand in den Mähdrescher gekommen ist, ist da nicht mehr viel zu machen“, sagt der Mediziner. Und diese Patienten sind es dann, denen Elmar Janßen zu einer neuen Lebensqualität verhelfen kann.

„Man unterscheidet zwischen den kosmetischen und den funktionellen Prothesen“, erklärt der Fachmann. Dabei schließt sich beides nicht aus – die funktionellen müssen nicht aussehen wie Roboterhände, auch sie werden mit einem Silikonüberzug geschützt. Übrigens lassen sich aus dem Material auch künstliche Finger anfertigen, die der der eigenen Hand täuschend ähnlich sind. „Nach Wunsch auch mit der passenden Nagellackfarbe“, lacht Elmar Janßen. Wichtig ist, dass der muskuläre Ansatz erhalten bleibt. Denn die Muskelimpulse sind ausschlaggebend für die Funktionalität der Hightech-Prothesen, bei der eine einzige schon mal an die 60 000 Euro kosten kann.

Mit der Hightechprothese ist so ziemlich alles möglich. Sie kann um die 60 000 Euro kosten. ©Inga Mennen M.

Grundsätzlich gilt: Nach individueller Prüfung übernimmt die Krankenkasse Kosten für die Leistungen, die der Patient tatsächlich benötigt. Es gibt verschiedene Prothesenarten: Die Eigenkraft- und die Fremdkraft-Prothese. Des Weiteren gibt es die Habitusprothese. Hierbei steht nicht die Funktion, sondern der kosmetische Ausgleich im Vordergrund. Die Fremdkraftprothese hat eine fremde Kraftquelle – den Akku. Durch ein myoelektrisches Signal der Muskulatur können die Motoren der Prothese angesteuert und durch den Akku verstärkt werden.

„Bei Eigenkraftprothesen wird die Funktion nicht elektrisch, sondern über die eigene Körperkraft gesteuert“, erklärt Elmar Janßen und führt ein entsprechendes Modell vor. Aber egal für welche Prothese sich der Träger entscheidet, auch bei den elektronischen macht Übung den Meister. Letztere reagieren auf die Muskelimpulse.

Mit ihnen ist so gut wie alles möglich – Schleifen binden, reflexartig greifen und vieles mehr. „Der Prothesenträger wird sich aber immer angewöhnen, mit der gesunden Hand die Feinarbeiten durchzuführen“, erklärt Elmar Janßen. Denn soweit die Technik auch geht – eines können die künstlichen Finger nie ersetzen, das Gefühl, das Tasten – es bleiben sozusagen „kalte Hände“.

Prothese individuell programmiert

Mit einer Messtechnik zeigt der Orthopädietechnikmeister, wie das mit den Muskelimpulsen funktioniert. Die Sensoren bringt er an Bernd Sauers Arm an, der nun gezielt die Hand auf- und zudrückt.

Orthopädietechnikermeister Elmar Janßen misst bei Dr. Bernd Sauer (r.) die Muskelimpulse, die für die Führung einer elektronischen Prothese wichtig sind. ©Inga Mennen M.

Auf dem Monitor bilden sich Kurven. „Jede Prothese kann individuell programmiert werden, das ist wichtig“, sagt Janßen. Und so kann man sich vorstellen, dass es eine Zeit braucht, bis man mit einer Prothese lernt, ein Ei zugreifen. „Kinder können das unglaublich schnell, bei Erwachsenen kann es schon mal ein paar Tage oder Wochen dauern, bis die künstliche Hand die menschliche fast ersetzen kann“, so der 49-Jährige. Er selbst ist nicht selten erstaunt darüber, wie die Entwicklung der Prothesen immer weiter voranschreitet, weit weg von der eisernen Hand des Götz von Berlichingen.

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