Klinik vor Ort: Wenn’s steif ist, muss das nicht schlecht sein
Gelenkversteifung! Ein Wort, bei dem man am liebsten die Hände über den Kopf schlagen würde, wenn ein Chirurg diese Behandlungsmöglichkeit vorschlägt. Dabei ist die sogenannte Arthrodese durchaus eine gängige Praxis mit dem Ziel, Schmerzen zu lindern.
„Im Grunde kann man jedes Gelenk versteifen“, sagt der zertifizierte Handchirurg Dr. Bernd Sauer. Und immerhin hat jeder Mensch 140 davon in seinem Körper. Aber natürlich würden die Ärzte nicht jedes Gelenk auch im übertragenden Sinne „lahm“ legen. Das kam dann vor Jahren, als die Entwicklung der Endoprothesen, des Gelenkersatzes, noch nicht so weit war wie heute, schon eher mal vor. Heute lassen sich von der Hüfte bis zum Daumensattel viele Gelenkedurch künstliche ersetzen.
Arthrodese wurde 1887 eingeführt 1887 führte der Innsbrucker Chirurg Eduard Albert den Begriff Arthrodese ein, als er bei einem 14-jährigen Kind, das wegen einer Lähmung nur auf den Knien rutschen konnte, beide Knie- und Sprunggelenke versteifte und ihm somit den aufrechten Gang ermöglichte. Man muss sich da nichts vormachen: Ein versteiftes Gelenk ist ein steifes Gelenk, eines das nicht mehr bewegt werden kann. „Patienten, die unter Arthrose leiden, haben große Schmerzen, wenn die Knochen fast ohne Knorpel aufeinanderreiben. Und so werden sie die Gelenke auch nicht mehr als unbedingt notwendig bewegen. Das führt zu einer Einschränkung der Lebensqualität“, erklärt der Mediziner. Wenn aber bei der Arthrodese die Knochen aufeinandergesetzt werden und das Gelenk entfernt wird, sind die Schmerzen vorbei. Natürlich gibt es konservative Behandlungsmethoden, die aber oft nur zu einer kurzzeitigen Linderung führen. Dazu zählen neben der Ruhigstellung auch schmerzlindernde Medikamente oder eine Bestrahlung.
Effektive und effiziente Behandlung
Am effektivsten und effizientesten haben sich die Gelenkversteifungen erwiesen. Bei Rheumatikern aber werden auch nicht selten Silikonimplantate eingesetzt. Das sind keine Prothesen, sondern Platzhalter ohne Gelenkstruktur, die für eine Distanz zwischen den Fingerknochen sorgen und die Gelenke beweglich machen. Auch im Krankenhaus Wittmund hat Dr. Sauer diese Swanson-Implantate schon oft verwendet. „Aber auf lange Sicht wird das Material brüchig“, so der Chirurg. Neben der Arthrose kommt die Gelenkversteifung beispielsweise auch bei Defekten des Gelenks nach Unfällen oder Fehlstellungen zum Einsatz. Die Vorteile der Arthrodese der Fingergelenke liegen im wahrste Sinne des Wortes auf der Hand: Schmerzfreiheit, Stabilität der versteiften Finger und eine kurze Nachbehandlungszeit. Die Nachteile sollen natürlich nicht unter den Tisch fallen: Unbeweglichkeit und manchmal der Zweiteingriff, um das Material zu entfernen.
Neben Fingern, Handwurzeln und Zehen werden nicht selten auch Sprunggelenke versteift. An jedem Fuß-/Sprunggelenk sind 26 Gelenke, von denen viele nur minimal beweglich sind. Diese Gelenke sind im Rahmen der Evolution vom Greiforgan Fuß beim Affen zum Stützorgan Fuß beim Menschen zurückgeblieben und haben keine bedeutende Funktion. Auch nach der Arthrodese im Sprunggelenk können die Patienten gut gehen und in Maßen Sport treiben. Bei Versteifungen einzelner Fußgelenke sind die Einschränkungen kaum wahrnehmbar –benachbarte Fußgelenke übernehmen die Funktion.
Sägeflächen werden miteinander verbunden
Bei dem Eingriff der Versteifung wird das eigentliche Gelenk entfernt und im Anschluss die Sägefläche der Knochen fest miteinanderverbunden. Das passiert entweder durch einen Draht, mit Schrauben oder mit Hilfe von Platten. Der Knochen wird an der durchtrennten Stelle wieder zusammenwachsen. „Es ist nichts anderes als ein künstlicher Knochenbruch“, erklärt Bernd Sauer, der anschaulich mit einem Augenzwinkern hinzufügt: „Die Arthrodese ist wie ein Mensch, der arbeitet auch nur unter Druck.“ Sechs bis acht Wochen – in seltenen Fällen bis zu drei Monaten – dauert es, bis die Knochenenden sich miteinander verbunden haben.
Wenn das Fremdmaterial störend wirkt, wird es wieder entfernt. Übrigens werden die Finger nicht so versteift, dass sie hinterherganz gerade sind und bleiben, sondern sie werden im Winkel leicht gekrümmt, damit Greifbewegungen auch nach dem Eingriff gewährleistet sind. Die Operation einer Arthrodese ist unterschiedlich lang. Nach dem ambulanten Eingriff an den Fingergelenken wird die Hand mit einer Gipsschiene fixiert. Bei dem Eingriff am Sprunggelenk muss der Patient fünf bis sieben Tage in der Klinik bleiben.
In der Wittmunder Klinik werden pro Woche zum Beispiel zwischen einer und acht Arthrodesen am Fuß vorgenommen. Und nicht nur damit wird vielen Patienten wieder zu einem schmerzfreien Leben verholfen. „Die Rückmeldungen auch nach den Gelenkversteifungen an den Fingern sind positiv. „Die Patienten haben eine neue Lebensqualität und müssen nicht mehr unter ihren täglichen Schmerzen leiden“, sagt Dr. Bernd Sauer, der 13 Jahre Chefarzt der Orthopädie und der Unfallchirurgie im Wittmunder Krankenhaus war.