Klinik vor Ort: Warum der Finger nicht ins Vanilleeis gehört

In der Serie "Klinik vor Ort" berichtet die Redakteurin Inga Mennen M. A. in Zusammenarbeit mit dem Chirurgen Dr. Bernd Sauer aus dem Krankenhaus Wittmund. Sie gibt einen interessanten Einblick in das zertifizierte Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung. Heute: Daumen-Replantation
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Handchirurgin Dr. Angela Reger hat schon viele Verletzungen gesehen. Abgetrennte Gliedmaßen müssen richtig gelagert werden!

Es ist ein kleiner Augenblick der Unachtsamkeit, ein kurzes nicht genau Hinsehen und schon ist es passiert – Finger oder Daumen sind der Kreissäge oder dem Beil zum Opfer gefallen. Handchirurgin Dr. Angela Reger kennt solche Verletzungen und hat sie in ihrer Laufbahn schon oft gesehen. Zehn Jahre war sie in Bad Neustadt an der Saale im Krankenhaus in der Handchirurgie tätig. „Vor allem im Herbst, wenn es darum ging, Holz für den Kamin zu schneiden oder zu hacken, erhöhte sich das Patientenaufkommen“, sagt die Medizinerin und fügt hinzu: „Das ist wirklich ein sehr waldreiches Gebiet.“

Um ein Amputat wieder ansetzen zu können, spielt die Art, wie es abgetrennt wurde, eine nicht unerhebliche Rolle für den Handchirurgen. Wenn die Fläche glattgeschnitten ist wie bei einem Beil, dann ist das gut. „Kreissäge oder Heckenschere sind dann schwieriger, die Wundränder fransen aus“, erklärt Angela Reger. Und alles was zerstört oder ausgefranst ist, muss entfernt werden.

Kinder haben sehr gute Heilungschancen

Unterschieden wird in der Handchirurgie zwischen relativer und absoluter Replantationsindikation. Das heißt, es gibt Finger beziehungsweise Fingeranteile, die nicht zwingend wieder angesetzt werden müssen. „Fingerkuppen zum Beispiel“, sagt die Ärztin. Beim Daumen aber wird man immer versuchen, ihn wieder zu replantieren, denn ohne Daumen ist der Mensch sehr eingeschränkt. Vor allem bei Kindern ist es das Ziel, alle Finger wieder herzustellen, wenn sie durch ein Trauma abgetrennt oder verletzt worden sind. „Die Heilungschancen sind bei Mädchen und Jungen auch sehr hoch“, weiß Angela Reger.

Kommt es zu einer so schweren Amputationsverletzung an der Hand, reagiert der Körper mit Adrenalin. „Das Schmerzempfinden wird herabgesetzt, die Wunde wird auch nicht lange enorm bluten“, erklärt die Medizinerin. Denn die Blutplättchen bilden schnell einen Pfropfen.

Dr. Angela Reger kennt sich aus mit amputierten Daumen. Sie erklärt in dieser Folge, wie man das Amputat wieder ansetzen kann. ©Inga Mennen M. A.

Amputat kalt, aber nicht eiskalt lagern

Um einen Daumen zu erhalten ist es aber wichtig, das Amputat entsprechend aufzubewahren. „Es sollte schnell gefunden und in einer sauberen Mullbinde eingepackt werden“, sagt Angela Reger, und wichtig ist – kühl, aber nicht eiskalt lagern. Als Beispiel nennt die Chirurgin die Begebenheit einer ihrer Kolleginnen. „Der Mann hatte, weil er sich nicht anders zu helfen wusste, den Daumen in eine Vanilleeispackung gestopft und ist dann zum Krankenhaus gekommen“, sagt die Ärztin. Natürlich war es schwer, die klebrige, süße Masse von dem Amputat zu spülen. Schwerwiegender ins Gewicht fiel aber die Tatsache, dass der Daumen einfach zu kalt („eisig“) gelagert worden ist – das Gewebe wurde zu stark in Mitleidenschaft gezogen, sodass der Daumen nach der Operation nicht anheilen konnte.

Ist das Amputat in einem sauberen Tuch eingepackt, auch ein Küchentuch tut es zur Not, sollte es in einen gut verschlossenen Plastikbeutel gesteckt werden. „Und der wiederum gehört in einen Behälter, der halb mit Wasser und halb mit Eiswürfeln gefüllt wird, so ist es dann entsprechend gelagert und kann bis zu zwölf Stunden halten“, sagt Angela Reger. In der Regel wird natürlich der Rettungsdienst gerufen, der entsprechende Kühlvorrichtungen bereitstellt.

Wenn das Gelenk entfernt werden muss

Hat ein Schnitt ein Gelenk erwischt und die Gelenkflächen zerstört, muss der Chirurg es entfernen und die entsprechen Knochenenden aufeinandersetzen. „Gerade bei Verletzungen an der Kreissäge geht der Schnitt aber oft durch den Mittelhandknochen“, weiß die Ärztin aus Erfahrung. Hier kann der Knochen dann mit Drähten, Schrauben oder Platten befestigt werden, die Beuge- und Strecksehnen sowie die Gefäße und Nerven werden in der mindestens zwei Stunden dauernden Operation miteinander verbunden. „Man kann zumeist erst nach zehn Tagen sagen, ob das Amputat überlebt“, erklärt die Handchirurgin.

Wenn nicht, gibt es andere Möglichkeiten, einen neuen Daumen zu ersetzen. „Man kann zum Beispiel den großen oder den zweiten Zeh verwenden“, sagt Angela Reger. Vom Aufbau nämlich gleichen sie den Fingern. Allerdings wird der Patient, wenn man ihm den Zeh entfernt hat, einen Spezialschuh tragen müssen. „Das ist eine aufwendige Operation, sie dauert vier bis sechs Stunden, aber es ist möglich und die Ergebnisse sind sehr gut auf diesem Gebiet“, so die Chirurgin. Einen großen Unterschied sehe man nach dem Eingriff nicht und der Patient ist dann wieder in der Lage zu greifen – er kann seine Hand wieder fast wie gewohnt nutzen.

Amputat immer mit Keimen besiedelt

Voraussetzung, dass eine Replantation gelingt, ist neben der guten Durchblutung auch die Vermeidung einer Infektion. Ein Amputat ist nämlich immer mit Keimen besiedelt.

Ärzte mit der Spezialisierung Handchirurgie in der Umgebung von Ashburn

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