Patientenratgeber zum Thema Amputation

Dr. Karsten Braun stellt das Buch "Weiter geht’s, Schritt für Schritt - Ratgeber zum Thema Amputation" von Cornelia Sachs vor. Das Ziel des Buches: Angst nehmen, Erfahrungen teilen, Hilfe bieten – unabhängig von Interessen jeglicher Art.
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„AMPUTATION. Da war er wieder, der Moment, in dem die Welt still zu stehen scheint und gleichzeitig das Gefühl hatte, der Boden kommt immer näher. Im Kopf ein Karussell…“ schreibt Carolin, die um das Bein ihrer Tochter trauert, „die ich ja schließlich mit zwei gesunden Beinen geboren hatte. Das fühlte sich wirklich schlimm an und tat in meinem Mama-Herzen ganz entsetzlich weh.“ Die Amputation von Arm oder Bein ist ein einschneidendes, lebensveränderndes Erlebnis wie wohl kaum ein anderes. Cornelia Sachs, die Herausgeberin von „Weiter geht’s, Schritt für Schritt“, ist selbst Betroffene (www.corneliasachs.com).

Das 2020 in erster Auflage mit Unterstützung der Techniker Krankenkasse erschienene, 252 Seiten umfassende Buch im Verlag des Bundesverbandes für Menschen mit Arm- oder Beinamputation e.V. mit Sitz in Wedemark ist dabei weit mehr als ein Ratgeber für Patienten. Gerade für Ärzte, die in ihrer Ausbildung mit der Betreuung von Amputierten nur wenig zu tun hatten, ist das Buch mit 28 Kurzgeschichten Betroffener zur eigenen, zur Amputation führenden Krankheit oder Verletzung, zwei Interviews mit Orthopädietechnikern und einer Ärztin eine hochinteressante und lesenswerte Lektüre. Es öffnet in beeindruckender Weise die Augen für die besondere Situation, die Amputierte erleben, meistern und verarbeiten müssen und die Stärken und Schwächen im mitmenschlichen Umgang und in der Versorgung bei Kostenträgern, Ärzten, Pflegepersonal und Prothesenbauern.

Sylvia schreibt: „Der Techniker muss dein Freund werden, ansonsten passt es nicht. Man verbringt viel Zeit mit einem fremden Mann und läuft in Unterwäsche vor ihm auf und ab.“ Rudy hat erkannt: „Die Anpassung eines toten Objektes an einen lebendigen Körper ist und wird auch immer ein unvollkommenes Unterfangen sein. Die Herstellung einer guten Passform für die Prothese bleibt kritisch. Der Körper verändert sich ständig auf feine, zarte Weise.“ Die von Phantomschmerzen geplagte Inge bezeichnet ihre Prothese als „lebenslange Baustelle“ und lernt Geduld für die „stundenlangen Sitzungen beim Techniker“, als neue Herausforderung beschreibt sie das Meistern von Altersfolgen nach 42 Jahren körperlicher Fehlhaltung. Die Herausgeberin selbst merkt allerdings auch an: „Auf der anderen Seite habe ich auch Amputierte erlebt, die mit nichts zufrieden sind, die mit nichts zurechtkommen, egal, was der Prothesenbauer anbietet. Bei ihnen scheint es nicht darum zu gehen, dass sie wieder laufen und sich dem Leben zuwenden können. Sie bleiben in der Opferhaltung und machen die Behinderung zu ihrem Lebensmittelpunkt.“

Viele Sätze der Autorinnen und Autoren stimmen nachdenklich und manch eine der Kurzgeschichten erfordert erst einmal etwas Pause zum Nachdenken, bevor man weiterlesen kann. Andere machen Mut und öffnen Perspektiven bis hin zum „Alles ist möglich – auch für Amputierte“. Die Bandbreite der individuellen Reaktionen von Katastrophe bis hin zu gewecktem Kampfesgeist, Forscherlust und Dankbarkeit und die Notwendigkeit von Zeit, um sich mit der Prothese zu arrangieren, herauszufinden, was geht und was nicht, werden sehr deutlich. Das Interessante im Buch sind dabei die oft tiefgründigen Gedanken und Stories der Leidtragenden.

Da ist zum Beispiel die tanzbesessene, aber nach Unfall unterschenkelamputierte Angelika: „Ich kam mir vor wie ein Vogel, den man mit einem Fuß angekettet hat… Mit einer Einzelstunde im Tanzstudio wollte ich austesten, ob Standardtänze in Frage kamen. Der einzige Tanz, der mir Probleme bereitete, war der Wiener Walzer. Da ich nicht zum Opernball wollte, konnte ich mich mit dem Ergebnis abfinden.“ Oder der armamputierte Andreas, der die Frage aufwirft, ob „ein Arm ein-sam“ macht, weil zu Beginn der Reha kein anderer Einarmiger da war, mit dem er sich gerne ausgetauscht hätte, sich aber nicht zum Opfer machen will. Eindrucksvoll schildert Annette den für die junge, lebenslustige Frau auftretenden Schock der ersten Laufprobe mit ihrer Prothese: „Ich sah diesen klobigen Holzklotz ohne Verkleidung, doppelt so dick wie mein Oberschenkel und dachte: Damit soll ich jetzt mein Leben lang herumlaufen?“.

So setzt Arnold „alles auf Anfang“ und nimmt die Herausforderung an, sein „Leitgedanke war: Jetzt habe ich vielleicht die erste Hälfte meines Lebens hinter mir und die zweite vor mir. Ich kann jetzt den Kopf in den Sand stecken und mich pflegen lassen. Oder ich sehe zu, dass ich möglichst gut wieder auf die anderthalb Beine komme, und gestalte mein neues Leben entsprechend.“ Traurig stimmen die Erfahrungen von Bernd in seinem „Kampf gegen Windmühlenflügel“, wenn Versicherungen nicht zahlen, der aber lernt nicht aufzugeben. Die 12-jährige Menja arrangiert eine Abschiedsparty für ihr Bein, benennt ihren Stumpf „Stumpfine“ und hat wertvolle und für Betroffene oft wichtige Unterstützung von ihrem „Cyborg“, einer anderen betroffenen jungen Frau. Und auch Catrin resumiert nach 23 Jahren Amputation: „Ich denke, dass ich durch diesen Unfall gewachsen bin. Ich habe gelernt zu kämpfen… Menschen haben mich auf meinem Weg begleitet, manche ein Stück, andere seit mehr als 20 Jahren. Wertvolle Erfahrungen habe ich durchlebt und möchte keine davon missen“. Dagmar hat gelernt: „Entschleunigung ist ein Zauberwort… Mit einem Arm und einem Bein geht eben alles langsamer. Ich brauche wirklich viel Geduld und übe mich notgedrungen ständig in Achtsamkeit…“.

Das Buch ist für 3,70€ im Webshop des Bundesverbandes für Menschen mit Arm- oder Beinamputation e.V. (BMAB) erhältlich.

Diese erste Auflage des Buches wurde mit freundlicher Unterstützung der TKK – Techniker-Krankenkasse produziert. Das Buch wird daher zu einem subventionierten Sonderpreis und nur einzeln abgegeben. Der Versand erfolgt innerhalb Deutschlands kostenfrei. Bei Versand ins Ausland kommen 4,40 EUR Versandkosten hinzu.

Weitere Informationen:

Bundesverband für Menschen mit Arm- oder Beinamputation e.V. (BMAB)

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