Fußsprechstunde: Hammer- und Krallenzehen

Beschwerden am Fuß bremsen uns aus. Erst wenn die Füße anfangen zu schmerzen, wird uns ihr Wert ganz schnell bewusst. Im Ernstfall kann uns der Fußschmerz im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Verkehr ziehen.
©Dr. med. Stefan Feiler

In der Orthinform-Serie „Fußsprechstunde“ klärt Dr. Stefan Feiler (Orthopäde und Buchautor) spannende Fragen rund um das Thema Füße und gibt Patienten wertvolle Hinweise.

Heute: Hammer- und Krallenzehen

Was ist eine Hammer-, Krallen-, Klauen- oder Malletzehe?

Oje, werden Sie sich bei diesen vielen Bezeichnungen denken. Wer soll sich da noch auskennen? Sie werden lachen! So mancher Arzt kommt da auch schon mal durcheinander. Das liegt unter anderem daran, dass einige dieser Begriffe oft ungenau und ohne klare Abgrenzung zueinander benutzt werden. Die sogenannte Nomenklatur, also das Fachvokabular, war und ist hier zum Teil missverständlich. Klare Definitionen fehlten lange.

Erst auf einem ihrer letzten Jahreskongresse haben sich die großen deutschsprachigen Fachverbände für Fußchirurgie aus der Schweiz, aus Österreich und aus Deutschland auf eine einheitliche Definition der verschiedenen Fehlstellungen der Kleinzehen geeinigt. Eines gleich vorweg, um weitere Unklarheiten bei Ihnen als Leser zu vermeiden: als „Kleinzehen“ werden die zweite, dritte, vierte und fünfte Zehe bezeichnet. Dies darf nicht mit dem Begriff der „kleinen Zehe“ verwechselt werden. Damit ist einzig und allein die fünfte Zehe gemeint.

Am häufigsten sind diese Fehlstellungen an der zweiten Zehe zu finden. Selbst wenn mehrere Zehen betroffen sind, entsteht die Fehlstellung in der Regel zuerst dort. Sind mehrere Zehen von einer Krallenzehenstellung durch eine neurologische Ursache in Mitleidenschaft gezogen, so spricht man von Klauenzehen.

Ursachen

Die Fehlstellung der Kleinzehen ist ein komplexes Problem. Lassen Sie mich zu Beginn auf Anatomie und Biomechanik eingehen. Die Kleinzehen werden wie Marionetten durch ein sehr fein abgestimmtes Zusammenspiel zahlreicher Muskeln gesteuert. Diese Muskeln teilen sich in zwei große Gruppen auf: die äußeren (extrinsischen) und die inneren (intrinsischen) Muskeln. Die extrinsischen Muskeln haben ihren Ursprung und Muskelbauch im Bereich des Unterschenkels. Sie wirken allein durch ihre langen Sehnenzüge, die am Sprunggelenk aus der Vertikalen in die Horizontale umgelenkt werden, auf die Zehen ein. Im Fall der Kleinzehen sind das der lange Streckmuskel am Fußrücken und der lange Beugemuskel an der Sohle.

Die intrinsischen Muskeln haben ihren Ursprung und Muskelbauch im Bereich des Fußes. Zu ihnen zählen der kurze Streck- und Beugemuskel. Daneben gibt es noch zwei weitere Muskelgruppen für die Feinjustierung: die Zwischenknochenmuskeln (lateinisch: Musculi interossei) und die „wurmförmigen“ Muskeln (lateinisch: Musculi lumbricales).

Normale und krankhafte Zehenformen © Dr. med Stefan Feiler/W. Zuckschwerdt Verlag

Insbesondere die letztgenannten beiden „Muskelchen“ straffen und stabilisieren die Sehnenzügel der langen und kurzen Strecker an der Zehenbasis über die sogenannte Extensorenschlinge. Das ist ein Bindegewebskanal am Grundgelenk, der für die „Fesselung“ der Strecksehnen über diesem Gelenk zuständig ist. Dadurch sorgen die kleinen Stellmuskeln dafür, dass die Kräfte der Strecksehnen auf die beiden Zwischengelenke übertragen werden. Das gestreckte Anheben der Kleinzehen funktioniert. Die beim Anheben der Zehe mehr und mehr gespannten Beuger (Gegenspieler) halten die Zehe in Balance und verhindern die Überstreckung.

Sind die kleinen intrinsischen Muskeln in ihrer Wirkung beeinträchtigt, werden die Strecker nicht ausreichend nah am Gelenk geführt. Es kommt ausschließlich im Grundgelenk zur Streckung. Der Hebelarm zur Streckung in den Endgelenken wird zu groß. Als Reaktion auf die Streckung werden wieder die Beuger als Antagonisten aktiviert. Es kommt zum Abknicken in den Zwischengelenken. Das Resultat ist eine Hammerzehe.

Diese biomechanische Fehlsteuerung kann sowohl durch äußere und innere Faktoren ausgelöst werden. Wie so oft in der Medizin wirken mehrere Einflüsse zusammen. In Fachkreisen wird das „multifaktorielle“ Entstehung genannt.

Externe Ursachen spielen eine wichtige Rolle und sind speziell bei unseren Schuhen zu suchen.

Konservative Therapie

Durch den bodenwärts gerichteten Druck der Kleinzehen sind diese nicht nur zur Vergrößerung der Kontaktfläche des Fußes da, sondern auch mechanisch stabilisierend. Somit sind die Kleinzehen insbesondere für ältere Patienten ein nicht zu vernachlässigender Faktor für die Balance und damit Teil einer intakten „Sturzprophylaxe“. Deshalb ist es sehr wichtig, Fehlstellungen der Kleinzehen zu vermeiden oder, wenn es sein muss, zu behandeln.

Flexible Hammerzehen können mit Einlagen therapiert werden, sofern noch keine wesentlichen Druckstellen oder schmerzhafte Beschwerden bestehen. Dabei sorgt eine sogenannte retrokapitale Pelotte (Wölbung hinter den Mittelfußköpfchen) für eine verbesserte Stellung im Grundgelenk (MTP-Gelenk). Wirklich Sinn macht eine solche Einlage allerdings nur in fußgerechtem Schuhwerk mit ausreichend weitem Zehenraum und flachem Absatz. Bereits existierende leichte bis mittelschwere Schwielen, die vom Schuhdruck am PIP-Gelenk dorsal herrühren, kann ein Podologe (medizinische Fußpflege) bei Beschwerden sehr wohl vorsichtig abtragen. Auf die Unversehrtheit der Haut ist hierbei strikt zu achten. Blutungen dürfen durch eine solche Behandlung nicht verursacht werden, da sie ein erhebliches Infektionsrisiko darstellen würden. Dies gilt für immunschwache und ältere Patienten sowie ganz besonders für Diabetiker

Eine ausführliche Erklärung der verschiedenen Ursachen, der Schweregrade und der Therapiemöglichkeiten finden Sie in dem Buch "Füße - Beschwerden wirksam behandeln: Untersuchung - Diagnose - Therapie" von Dr. Stefan Feiler:

Informationen zum Buch

Zuckerschwerdt-Verlag: Füße - Beschwerden wirksam behandeln: Untersuchung - Diagnose - Therapie, ISBN: 978-3-86371-264-8, Autor: Dr. Stefan Feiler, 246 Seiten, Preis: 20,00 € (D) / 20,60 € (A),

Nächste Woche wird Ihnen Dr. Feiler hier Informationen zu der Erkrankung Knick-Plattfuß geben.

Ärzte auf Orthinform in Ihrer Umgebung

Passende Lexikonartikel

Fehler: Ihr Standort konnte nicht ermittelt werden.

Leider konnten wir mit Hilfe des Browsers Ihren ungefähren Standort nicht ermitteln, weitere Informationen erhalten sie auf der Seite aktueller Standort.