Klinik vor Ort: Die Sülze wird oft zur Schmerzursache

Beim Bandscheibenvorfall drückt das Gewebe auf die Nerven. Auch die Muskulatur kann der Grund für Beschwerden sein. „Gezielte Stärkung der Rücken- und damit einhergehend der Bauchmuskulatur ist wichtig“, so Dr. Bernd Sauer.
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„Nein, ich kann das jetzt nicht machen, ich habe Rücken.“ Diese Ausrede zieht meistens. Immer mehr Menschen haben Probleme mit dem Rücken und das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Nicht in jedem Fall muss es die Bandscheibe sein, die Auslöser für die Schmerzen ist. „Oft hängt es zusammen mit der Muskulatur“, erklärt Dr. Bernd Sauer.

Denn ist die verhärtet, kann das auch zu Bewegungseinschränkungen führen. Denn die verspannte und verhärtete Muskulatur reizt in der Nähe liegende Nerven. Für den Laien ist es natürlich nicht einfach, diesen Schmerz und die Ursache zu lokalisieren, da muss der Fachmann ran, denn „Rücken haben“ kann vieles bedeuten.

Wichtige Regel: Gerade halten!

Angeborene Wirbelsäulenverkrümmungen zum Bespiel wie die Skoliose (die natürliche Krümmung der Wirbelsäule verändert und sie verbiegt sich seitlich) oder die Hyperkyphose (Rundrücken oder Buckel) können auch Ursachen für eine schwache Rückenmuskulatur sein. „Meine Frau sagt immer, sitz’ gerade“, plaudert der Chirurg Sauer aus dem familiären Nähkästchen. Dabei weiß er genau, ein gesunder Rücken fängt mit einer gesunden Haltung an.

23 Bandscheiben hat der Rücken, fünf Lendenwirbel, zwölf Brustwirbel und sieben Halswirbel. Die oberen Halswirbel haben keine eigene Bandscheibe. „Die Bandscheibenvorfälle passieren oft in den Bereichen, in denen sie am meisten belastet werden, also oben oder unten“, erklärt der Mediziner. Will sagen: Entweder im Lendenwirbel- oder Halswirbelbereich. Dabei ist vor allem Sitzen und Stehen im wahrsten Sinne Gift für den Rücken. „Morgens ist man immer ein wenig größer als am Abend“, sagt Bernd Sauer lachend. Das liegt am Aufbau der Bandscheiben, die im Schnitt vier Millimeter dick sind. Sie bestehen aus dem Kern – der hat übrigens keine Nerven – und dem Faserring. „Der Kern ist gallertartig, fast wie Sülze“, erklärt Bernd Sauer anschaulich.

Dieser Kern wird von dem Ring umgeben und der besteht aus 60 bis 70 Prozent Wasser – fast wie ein Schwamm. Nachts nimmt die Bandscheibe Flüssigkeit auf und damit wird der Ring ein wenig größer und am Morgen auch der Mensch selbst – bis zu zwei Zentimeter. Die Bandscheiben sorgen für die Beweglichkeit der Wirbelsäuleund wirken wie Puffer – Stoßdämpfer – zwischen den Wirbeln, wenn wir uns nach vorne oder nach hinten beugen und uns seitlich drehen.

Man kann sie natürlich entlasten, indem man sich beim Heben nicht vorn über beugt, sondern die Kraft nicht allein aus dem Rücken, sondern auch aus den Knien nimmt. „Beim Bücken wird die Wirbelsäule um das zehnfache belastet“, erklärt der Arzt. Der Wirbelkörper, Spinalnerv, das Rückenmark, die hinteren Wirbelbögen und die Gelenkfortsätze, das alles verbunden mit Muskeln und Bändern machen uns zu aufrecht gehenden Individuen.

Gewebe drückt auf die Nervenwurzeln

„Der Mensch altert mit der Geburt“, erklärt Bernd Sauer oft und meint damit, dass ein Verschleiß des Körpers nicht einmal mit modernster Medizin aufzuhalten ist. Und so kann es beim Bandscheibenvorfall sein, wenn der Ring, der Schwamm, durchlässig wird. Dann bahnt sich nämlich die „Sülze“ den Weg nach Außen. Das Gewebe kann auf die Nervenwurzeln des Rückenmarks drücken, so entsteht der Schmerz, der auch mit Kribben, Gefühlsstörungen und Lähmungen einhergehen kann. Ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbel kann auf den Ischiasnerv drücken und Schmerzen auslösen, die häufig über ein Bein bis in den Fuß ausstrahlen.

Dr. Bernd Sauer erklärt, was bei einem Bandscheibenvorfall im Körper passiert. ©Inga Mennen M.

In den meisten Fällen lassen die Schmerzen nach einigen Wochen wieder nach, denn der ausgetretene Gallertkern der Bandscheibe trocknet aus, schrumpft und entlastet das unter Druck geratene Nervengewebe. „Doch auch wenn der Bandscheibenvorfall von allein abklingt, bleibt die geschädigte Bandscheibe abgeflacht“, erklärt der Chirurg.

Nicht immer wird der Bandscheibenvorfall operiert. Wenn es aber zu Darm- und Blasenlähmung kommt oder zu einer Fußhebeschwäche, sollte der Eingriff nicht auf die lange Bank geschoben werden. Aber keine Sorge, oft helfen konservative Behandlungsmöglichkeiten. Das Verabreichen von Schmerzmitteln gehört natürlich dazu – die können auch mit Hilfe des Computertomografen direkt in die betroffene Stelle injiziert werden. Wenn die Schmerzen gelindert wurden, können auch Massagen und Krankengymnastik zur Heilung beitragen. Sich nur noch zu schonen und mit der Ausrede „ich habe Rücken“ Bewegung zu vermeiden, wird die Schmerzen nicht eindämmen.

„Gezielte Stärkung der Rücken- und damit einhergehend der Bauchmuskulatur ist wichtig“, so Dr. Bernd Sauer.

Wenn das Organ die Ursache ist

Übrigens schließt sich vom Rücken der Kreis zum nächsten Thema. Denn in der nächsten Folge „Klinik vor Ort“ werden wir uns der Visceralchirurgie widmen. Darunter versteht man die spezialisierte Chirurgie der Organe des Brust-, Bauch und Beckenraumes – auch der Galle. Eine Entzündung dieses Organs kann, wie Dr. Bernd Sauer erklärt, mit starken Schmerzen bis in die Schulter oder den Rücken einhergehen. Es muss also nicht immer gleich die Bandscheibe sein.

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