Bandscheibenvorfall

Der degenerativ bedingte Bandscheibenvorfall ist ein häufiges Krankheitsbild des mittleren Alters und ist mit Rücken-Bein-Schmerzen, Sensibilitätsstörungen und gelegentlich mit Muskelschwächen verbunden.

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Häufigkeit

Der Bandscheibenvorfall ist ein relativ häufiges Problem bei Patienten im Alter zwischen 40 und 55 Jahren. Bis zu fünf Prozent der Menschen leiden mindestens einmal im Leben an einem Bandscheibenvorfall.

Ursachen

Die gesunde Bandscheibe hat die Funktion eines Stoßdämpfers zwischen zwei benachbarten Wirbeln. Um diese ausüben zu können, hat die Bandscheibe eine bestimmte Zusammensetzung, Elastizität, Stabilität und Größe. Kommt es zum Verschleiß (Degeneration) der Bandscheibe, entstehen zunächst kleine Haarrisse in den hinteren (dorsalen) Bereichen der Bandscheibe. Die Bandscheibe beginnt langsam auszutrocknen, nimmt an Höhe ab und der äußere Ring (Anulus) der Bandscheibe verliert an Stabilität und wölbt sich in Richtung Wirbelkanal (Bandscheiben-Protrusion).

Im Inneren einer gesunden intakten Bandscheibe befinden sich weder Nerven noch Blutgefäße. Somit besitzt sie im intakten Zustand nicht die Fähigkeit, aus sich heraus Schmerzen zu generieren. Kommt es zu Rissbildungen, wachsen kleine Gefäße und Nerven von außen in die Bandscheibe hinein und verleihen so der Bandscheibe die Fähigkeit, Schmerzen im Rücken zu entwickeln.

Das Vorwölben des äußeren Bandscheibenringes (Faserring) kann bereits zur Druckausübung auf Nerven im Wirbelkanal führen. Dieser Druck auf einen Nerv kann zu Schmerzen und Sensibilitätsstörungen in dem Areal führen, für den dieser besondere Nerv verantwortlich ist. Jeder Nerv hat ein anderes Areal, für welches er verantwortlich ist und somit unterscheiden sich die verschiedenen Beschwerdebilder abhängig vom betroffenen Nerv. Nervenschmerz durch Druck auf eine Nervenwurzel im Wirbelkanal wird als sogenannter radikulärer Schmerz bezeichnet, es handelt sich um Schmerzen im Bein. Die Rissbildungen in der Bandscheibe selbst können zusätzlich zu Rückenschmerzen führen.

Im Inneren des Wirbelkanals verläuft zwischen der Bandscheibe und dem Inneren des Kanals selbst das sogenannte hintere Längsband, ein Band, welches der Stabilität des Segmentes dient und welches gut mit kleinsten Nerven versorgt ist. Eine Bandscheibenvorwölbung kann durch Druck gegen dieses empfindliche Längsband ebenfalls zu Rückenschmerzen führen.

Nimmt die Rissbildung in der hinteren Bandscheibe weiter zu, kann es zum Austritt von Bandscheiben-Kernmaterial (Gallertkern – Nucleus pulposus) durch den Riss in den Wirbelkanal kommen. Man spricht von einem Bandscheibenvorfall. Löst sich das austretende Bandscheiben-Kernmaterial von seiner „Mutterbandscheibe“ und wird quasi komplett „ausgespuckt“, so spricht man von einem sequestrierten Bandscheibenvorfall.

Abb. 1: Illustration eines Bandscheibenvorfalls (Quelle: Henrie/Fotolia)

Es ist Gegenstand der aktuellen Forschung herauszuarbeiten, welche Risikofaktoren zur Bildung eines Bandscheibenvorfalles führen.

Bekannt sind bislang folgende Risikofaktoren:

  • Genetische Veranlagung
  • Rauchen
  • Mechanische Belastung (zum Beispiel Übergewicht, geringfügige Verletzungen)
  • Hormoneller Status

Symptome und Verlauf

Bandscheibenvorfälle können vollkommen ohne Symptome verlaufen. Größe und Position eines Bandscheibenvorfalles hängen nicht immer mit dem Ausmaß der Beschwerden zusammen, die ein Patient beklagt. Häufig führen Bandscheibenvorfälle zu Beinschmerzen, die in der Lendenwirbelsäule ihren Ursprung haben und entsprechend des Versorgungsgebietes des betroffenen Nervs ins Bein ausstrahlen.

Begleitet werden die Schmerzen häufig von Sensibilitätsstörungen (Taubheitsgefühlen, Kribbelmissempfindungen) im gleichen Areal. Sind motorische Nervenfasern gedrückt, kann es zu einer Schwäche des Muskels kommen, für den der betroffene Nerv zuständig ist. Ein begleitender Rückenschmerz, der aber oft hinter dem Beinschmerz zurücksteht, ist häufig. Sehr selten kommt es bei sehr großen Bandscheibenvorfällen zu einem Abdrücken des gesamten Nervenstranges (Cauda equina) im Wirbelkanal mit einer Störung der Kontrolle über Harnblase und Darm.

Ein Bandscheibenvorfall kann sehr plötzlich quasi aus dem nichts heraus entstehen, kann sich aber auch über Monate hinaus entwickeln. Der Verlauf ist somit sehr individuell.

Wenn ein akuter Bandscheibenvorfall vorliegt, kann nicht vorhergesagt werden, ob der Vorfall noch größer werden wird, in seiner Größe stagniert oder im Laufe der Zeit durch Austrocknungsphänomene kleiner wird und sich sogar komplett zurückbilden kann. Dieser Punkt ist wichtig für die Beratung des Patienten, ebenso wie die Erkenntnis, dass eine einmal geschädigte Bandscheibe zwar nicht dauerhaft für die nächsten Jahrzehnte schmerzhaft sein muss, sie aber nicht durch eine Abheilung in den gesunden Ausgangszustand zurückversetzt werden kann. Eine degenerierte Bandscheibe wird stets eine degenerierte Bandscheibe sein.

Diagnose

Die Vorgeschichte des Patienten und die körperliche Untersuchung geben erste klare Hinweise auf einen Bandscheibenvorfall. Aufgrund der genauen Lokalisation der Schmerzen, der Sensibilitätsstörungen und der Muskelschwächen ist eine relativ gute Eingrenzung des am ehesten betroffenen Wirbelsäulenabschnittes möglich. Die genaue Diagnose wird dann mittels MRT gestellt. Nur noch im Falle einer absoluten Kontraindikation gegen ein MRT (Herzschrittmacher, etc.) ist ein CT sinnvoll. Röntgenbilder der Lendenwirbelsäule im Stand in zwei Ebenen können vor einer Operation wichtige Informationen über die Gesamtsituation der Lendenwirbelsäule liefern (Statik, typischer Aufbau aus fünf Wirbeln oder atypischer Aufbau aus mehr oder weniger Wirbeln) und Hinweise auf eine begleitende Spondylolyse (knöcherner Defekt in einem Wirbel) oder ein Wirbelgleiten liefern.

Abb. 2: MRT-Aufnahme eines Bandscheibenvorfalls in der Lendenwirbelsäule (Quelle: Michael-W/Wikimedia Commons)

Therapie und Nachsorge

Konservative Therapie

Ein nicht symptomatischer Bandscheibenvorfall muss nicht behandelt werden. Ein Bandscheibenvorfall, der relevante Beschwerden, allerdings noch keine alltagsrelevanten akuten Muskellähmungen hervorruft, sollte zunächst konservativ behandelt werden. Die konservative Therapie beinhaltet eine entlastende Lagerung in der Akutphase, eine optimale Schmerzmedikation, gegebenenfalls mit Injektionen an die betroffene Nervenwurzel, vorsichtige Physiotherapie, kurzzeitig gegebenenfalls ein Sportverbot.

Falls die unterste Bandscheibe der Lendenwirbelsäule (L5/S1) betroffen ist, kann ein Vermeiden des tiefen Sitzens zu einer Schonung der Hinterseite der betroffenen Bandscheibe führen und somit sinnvoll sein. Nervennahe Injektionen werden im klinischen Alltag häufig mittels Lokalanästhetikum und Kortison-Präparat durchgeführt, teilweise unter Bildwandler-Röntgenkontrolle oder alternativ CT-Kontrolle als PRT (periradikuläre Therapie).

Die Injektion von Kortison an die Nervenwurzel ist nicht zugelassen, wenngleich die klinische Erfahrung zeigt, dass sie sehr erfolgreich ist. Es handelt sich somit um eine sogenannte Off-Label-Anwendung, über die der Patient aufzuklären ist. Konservative Therapiemaßnahmen sollten innerhalb von sechs bis acht Wochen zu einer Besserung führen. 70 bis 90 Prozent der Bandscheibenvorfälle an der Lendenwirbelsäule können erfolgreich konservativ behandelt werden.

Operative Therapie

Führen konservative Maßnahmen nicht zu einer für den Patienten zufriedenstellenden Besserung der Beschwerden, so liegt eine sogenannte relative Indikation zur Operation vor. Liegt eine frische Muskellähmung vor, die durch den Bandscheibenvorfall bedingt ist, sollte eine zeitnahe Operation erfolgen.

Das Grundprinzip einer Operation besteht darin, über einen mikrochirurgischen (alternativ endoskopischen) Zugang in den Wirbelkanal einzugehen und dort den Bandscheibenvorfall zu entfernen. Somit wird die komprimierte Nervenwurzel mechanisch sofort entlastet und kann mit ihrem Erholungsprozess beginnen.

Ob die Nervenwurzel sich vollständig wieder erholt oder ob ein Rest an Beschwerden verbleibt (zum Beispiel ein leichtes Taubheitsgefühl im Bein oder eine leichte Muskelschwäche), kann im Einzelfall nicht vorhergesagt werden, ebenso wie der zeitliche Verlauf des Erholungsprozesses. Als gesichert gilt allerdings, dass das Ausmaß des Drucks auf eine Nervenwurzel (nicht gleichzusetzen mit der Größe eines Bandscheibenvorfalles im MRT) und die Dauer, über die die Nervenwurzel gedrückt war, Einfluss auf den Erholungsprozess haben.

Wird ein Patient mit akuter, seit wenigen Stunden bestehender relevanter Muskellähmung aufgrund eines Bandscheibenvorfalles sofort operativ behandelt, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Lähmung sich nach der Operation wieder bessert, deutlich größer, als wenn er erst zum Beispiel nach zwei Wochen operiert wird.

Nach einer operativen Entfernung eines Bandscheibenvorfalles heilt der Defekt in der Bandscheibe langsam aus, wenngleich keine intakte Bandscheibe resultiert. Der Patient sollte sich für einige Wochen körperlich schonen (Sportverbot), um das Risiko eines erneuten Bandscheibenvorfalles über den gleichen Riss (sogenannter Rezidiv-Bandscheibenvorfall) zu minimieren. Im Anschluss ist eine volle Belastbarkeit in der Regel wieder gegeben.

Literatur und weiterführende Links

Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e. V. (DGOOC): S2k-Leitlinie zur konservativen und rehabilitativen Versorgung bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik. AWMF Leitlinien-Register Nr. 033/048. Berlin: DGOOC, 2014. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/033-048.html (Abgerufen am 15.09.2017).

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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Umstrittene Wirksamkeit
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