Schmerzfrei nach der Rücken-OP: Krankhafte Veränderungen an der Wirbelsäule

Rückenschmerzen sind seit Menschengedenken ein leidvolles Thema. Eine Operation ist leider oftmals die letzte Lösung. In der Heilungsphase sollten Sie neben dem rückengerechten Verhalten und regelmäßiger Übungen auch die Symptome und die Nervenfunktionen Ihres Rückens beobachten. In der 7–teiligen Serie „Schmerzfrei nach der Rücken-OP“ erhalten Sie wertvolle Informationen zu diesem Thema.
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Krankhafte Veränderungen an der Wirbelsäule

Die bekannte These: „Bei mehr als 80 % der Rückenschmerzen findet man keine Ursache“ entspricht nicht der medizinischen Realität. Es gilt vielmehr: „Wer suchet, der findet.“

Fehlformen der Wirbelsäule, Beckentiefstand

Eine verstärkte Rundrücken- oder Hohlkreuzbildung (Lordose) oder eine stärkere seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule (Skoliose) können Rückenschmerzen durch eine Fehlstatik auslösen.

Das liegt vor allem daran, dass die einzelnen Wirbelsegmente durch die Verkrümmungen schief belastet werden. Auch ein Schiefstand des Beckens durch ein kürzeres Bein hat eine Verkrümmung der unteren Wirbelsäule und oft auch einen gegenläufigen Bogen in der Brustwirbelsäule zur Folge. Dies kann besonders beim längeren Gehen und Stehen zu Beschwerden führen. Wenn die Ursache eines Beckentiefstands eine Verkürzung des Beines ist, sollte ab einem Unterschied von etwa 0,5 cm ein Ausgleich getragen werden. Dies kann durch eine Einlage bis etwa 0,5–0,8 cm, bei größeren Beindifferenzen durch eine Absatzerhöhung erfolgen.

Manchmal können eine Muskelverkürzung, aber auch eine Beweglichkeitseinschränkung der Hüfte oder des Kniegelenks, oder eine Spitzfußstellung auf der anderen Seite zu einer funktionellen Beinverkürzung führen. Hier sind Dehnungsübungen für die betroffenen Muskeln bzw. Gelenke anzuraten.

Achtung

Fehlformen der Wirbelsäule sollten durch entsprechende Therapien gebessert werden. Dazu zählen Muskelaufbauübungen, außerdem spezielle Dehnungsübungen, der Ausgleich einer Beinlängendifferenz und evtl. auch das Tragen eines Korsetts. Gelegentlich ist bei schweren Fehlformen auch eine operative Begradigung sinnvoll. Manchmal gaukelt eine schmerzbedingte Schiefstellung der Wirbelsäule bei einer Nerveneinklemmung einen Beckenschiefstand oder eine Verkrümmung vor. Hier sollte abgewartet werden, bis sich die Schiefhaltung von allein löst. Dies geschieht fast immer von selbst, wenn die Nervenkompression nachlässt. Eine Erhöhung durch eine Einlage wäre dort nicht nur überflüssig, sondern würde die Wirbelsäule zusätzlich noch stärker belasten

Bandscheiben: Verschleiß, Vorwölbung und Vorfall

Ein Wirbelsegment ist ein dynamisches Gefüge: Bei Vor- und Rückneigen, bei Seitneigung und bei Drehungen werden einige Strukturen gedehnt, andere zusammengepresst. Auf diese Weise funktioniert ein gesundes Wirbelgelenk. Dabei werden bei Rotation der Wirbelsäule 35–50 % der Torsionskräfte durch den Faserring der Bandscheibe übertragen, die restlichen Kräfte über die Wirbelgelenke geleitet. Dies kann ein Leben lang funktionieren, denn die Wirbelkörper und die gesunde Bandscheibe können Belastungen von mehreren 100 kp widerstehen.

Eine gesunde Bandscheibe ist stärker als Knochen

Die gesunden Bandscheiben können einer hohen mechanischen Belastung standhalten. Selbst bei großer Last brechen eher die knöchernen Wirbelkörper als die Bandscheiben. Dies konnte bei Laborversuchen festgestellt werden.

Eine Verletzung des Faserrings der Bandscheibe oder ein Vorfall von Bandscheibengewebe wurden dabei nie beobachtet. Ein sehr starker Druck führte zu einer irreversiblen Eindellung der knöchernen Grund- oder Deckplatten der Wirbelkörper, gelegentlich mit Eindringen von Bandscheibengewebe in die Knochenbälkchen. Das Ergebnis war unabhängig davon, ob es sich um eine einmalige oder wiederholte Belastung handelt.

Eine kranke Bandscheibe ist schwach: die Degeneration des Faserrings

Im Laufe des Lebens degenerieren die Bandscheiben allerdings häufig. Der Faserring kann kleine Risse bekommen, die langsam größer werden. Dadurch wird der Faserring etwas "ausgeleiert". Er kann sich in den Rückenmarkskanal vorwölben, auf einen Nerv drücken und Schmerzen bereiten. Dabei lässt auch die mechanische Belastbarkeit des Faserrings nach. Zusätzliche Torsionskräfte bei Drehung des Oberkörpers führen dann zu weiteren Scher- und Zugbelastungen und Schmerzen.

Die Risse im Faserring können ein weiteres Problem verursachen: Bei jüngeren Menschen, die noch einen prall gefüllten Gallertkern in der Bandscheibe haben, wird oft der unter Druck stehende Gallertkern plötzlich in den Spinalkanal herausgepresst (Bandscheibenprolaps). Dieser Bandscheibenprolaps drückt dort häufig auf das Rückenmark oder die Spinalnerven.

Bei älteren Menschen ist der Gallertkern etwas eingetrocknet und ein Bandscheibenvorfall eher selten.

Wie lange es dauert, bis die Beschwerden verschwinden: Eine Protrusion kann lange Zeit, also viele Monate, Beschwerden verursachen, wohingegen ein Vorfall (Prolaps) eher, also schon nach einigen Wochen eintrocknet und somit früher zur Beschwerdefreiheit führt.

Aber nicht jeder Bandscheibenvorfall muss schmerzhaft sein. Bei 20–30 % der Gesunden unter 60 Jahren finden sich kernspintomographisch Bandscheibenvorfälle, bei Menschen über 60 Jahre sogar zu 60 %, ohne dass Beschwerden bestehen.

Bei der Bandscheibenvorwölbung oder beim -vorfall treten häufig starke Rückenschmerzen, oft auch mit Ausstrahlung ins Gebiet des komprimierten Nervens, auf. Meist verschlimmern bestimmte Bewegungen oder Haltungen die Schmerzen. Entlastende Positionen (Liegen, Sitzen mit zurückgeneigter Stuhllehne) bessern die Beschwerden. Mitunter ist aber auch das lange Liegen schmerzhaft, wenn es in einer ungünstigen Position (entweder starker Rundrücken, Hohlkreuz oder zu starke Seitverbiegung) erfolgt. Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich, je nach mechanischer Lage des Prolapses.

Oft verbiegt sich die Wirbelsäule im betroffenen Bereich (= skoliotische Fehlhaltung), weil der Körper instinktiv versucht, durch seitliches Aufklappen der Wirbelsäule dem Nerv etwas Platz zu schaffen. Das sieht vielleicht nicht schön aus, ist aber eine sinnvolle Schutzreaktion. Daher sollten Sie nicht mit aller Macht versuchen, den Rücken wieder zu begradigen. Vielmehr verschwindet die skoliotische Fehlhaltung meist von selbst, wenn die Nervenkompression nachgelassen hat.

Individuelle Körperhaltung zur Schmerzlinderung beim Bandscheibenvorfall

Im Folgenden werden einige Beispiele aufgeführt, warum Körperhaltungen – je nach mechanischer Ursache – die Schmerzen verschlimmern oder bessern können. Weitere Hinweise zur schmerzlindernden Lagerung finden Sie unter "Wirbelsäulenschonende Lagerung".

Konservative Therapie beim Bandscheibenvorfall

Beim akuten Bandscheibenprolaps sollten Sie eine konservative Therapie mit Schmerzmitteln, rückenschonendem Verhalten, schmerzlindernder Lagerung, Wärmeanwendungen, Physiotherapie, rückengerechten Übungen zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur, eventuell auch mit einem Korsett oder mit einer Spritzenbehandlung anwenden. Wenn nach 3–6 Monaten keine Besserung eintritt, ist eine Operation zu überlegen. Falls die Zeichen einer Nervenkompression zunehmen (Lähmungen, zunehmende Taubheitsgefühle, Störungen beim Wasserlassen oder Stuhlgang), ist eine frühzeitige Operation notwendig.

Weitere Informationen zur operativen Therapie beim Bandscheibenvorfall sowie zum Thema Rückenschmerzen finden Sie in dem Buch „Schmerzfrei & aktiv nach der Rücken-OP“ von Dr. med. Christoph Schönle.

https://shop.thieme.de/Schmerzfrei-aktiv-nach-der-Ruecken-OP/9783432115412

Informationen zum Buch

Schmerzfrei & aktiv nach der Rücken-OP, ISBN: 9783432115412, Autor: Dr. med. Christoph Schönle, 160 Seiten, Preis: 19,99 €

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