Rund um den Rücken

Rückenschmerzen sind das wohl am weitesten verbreitete Leiden in der westlichen Welt. Bei vielen treten sie nur hin und wieder auf. Etwa, wenn beim Bücken nach der Socke die Hexe ins Kreuz schießt oder weil die Muskeln nach einem Sitzmarathon verspannt sind. Laut Deutscher Schmerzgesellschaft leiden aber auch rund acht Millionen Menschen unter chronischen Rückenbeschwerden.
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Gesundheit für Ihren Rücken

Dr. Reinhard Schneiderhan über Schmerzscreening, die besten Anti-Schmerzmaßnahmen und die neueste OP-Technik „Intraspine“.

Es ist jene Pein, die wohl jeder kennt und bei denen alle mitsprechen können. Denn Rückenschmerzen sind das wohl am weitesten verbreitete Leiden in der westlichen Welt. Bei vielen treten sie nur hin und wieder auf. Etwa, wenn beim Bücken nach der Socke die Hexe ins Kreuz schießt oder weil die Muskeln nach einem Sitzmarathon verspannt sind. Laut Deutscher Schmerzgesellschaft leiden aber auch rund acht Millionen Menschen unter chronischen Rückenbeschwerden. „Helfen kann ihnen dann am besten ein so genanntes Schmerzscreening, sagt Dr. Reinhard Schneiderhan, Leiter des gleichnamigen Medizinischen Versorgungszentrums in München-Taufkirchen. „Denn wenn wir die Ursache der Beschwerden kennen, können in den allermeisten Fällen auch gut helfen.“ Schmerz Als chronisch gelten Rückenschmerzen, wenn Betroffene länger als drei Monate darunter leiden. In der Regel sind dann besondere Maßnahmen nötig, um die Probleme wieder in den Griff zu bekommen.

Das Schmerzscreening gehört zu diesen besonderen Maßnahmen. Beim Schmerzscreening geht es darum, sich ein genaues Bild vom Schmerz zu machen. Dabei kommt zunächst ein standardisierter Schmerzfragebogen und das „painDETECTProgramm“ zur Anwendung. „Bei painDETECT handelt es sich um ein wissenschaftlich fundiertes und leicht zu bedienendes Programm zur Einordnung des Schmerzes und zur Dokumentation“, sagt der Experte. „Uns liegen sofort die Ergebnisse vor, die wir dann in die Therapieplanung mit einbeziehen können.“ Im Rahmen der Schmerzanamnese lauten dann die wichtigsten Fragen:

  • Seit wann leiden Sie unter Schmerzen?
  • Wie äußern sie sich?
  • Wo und bei welchen Gelegenheiten treten sie auf?
  • Gibt es Körperhaltungen bei denen Sie sich wohler fühlen?
  • Gibt es Bewegungen oder Körperhaltungen, die den Schmerz regelrecht auslösen?

Nozizeptive und neuropathische Schmerzen „Für mich als Arzt ist zudem die Qualität des Schmerzes von therapieentscheidender Bedeutung“, sagt Dr. Schneiderhan. „Wir unterscheiden zwischen nozizeptiven und neuropathischen Schmerzen.“ Nozizeptive Schmerzen treten am häufigsten auf. Sie gehen von Schmerzrezeptoren aus, die in Haut, Bindegewebe, Muskeln, Knochen und Gelenken liegen. Neuropatische Schmerzen entstehen direkt durch die Schädigung eines oder mehrerer Nerven. Die Behandlungsstrategien sind dann jeweils unterschiedlich. „Deshalb muss ich möglichst genau wissen, ob es sich beispielsweise um einen Spannungsschmerz, einen einschießenden oder einen brennenden Schmerz handelt“, so der Wirbelsäulenspezialist. Rückenschmerzen sind meist muskulär bedingt Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ausbreitung des Schmerzes. Mit einer einfachen Frage lässt sich das oft schnell beantworten: Tritt der Schmerz morgens beim Zähneputzen auf, wenn Sie sich nach vorne beugen oder erst beim Wiederaufrichten? „Die Antwort kann mir bei der Auswahl der richtigen Therapie sehr helfen“, sagt Dr. Schneiderhan. „Denn wenn die Schmerzen beim nach vorne beugen auftreten, sind sie höchstwahrscheinlich muskulär bedingt. Wenn sie beim Wiederaufrichten auftreten, handelt es sich eher um ein Gelenkproblem aufgrund von Kompressionen.“

Auch Fingerspitzengefühl ist gefragt Muskulärbedingte Rückenschmerzen hängen mit dem Zug zusammen, denen Muskeln ausgesetzt sind. Aber auch degenerative Veränderungen können sich negativ auf den Muskel auswirken. So haben Schmerzen bei einem Hexenschuss 80 Prozent muskuläre Ursachen. Eine Ausnahme ist der Bandscheibenvorfall, dessen Schmerzen zu 70 Prozent auf eine Bedrängung der Nervenwurzel zurückzuführen ist. Aber der muskuläre Anteil beträgt immerhin noch 30 Prozent. „Deshalb gehört ein akribisches Austasten mit den Händen zwingend zu einem guten Schmerzscreening“, sagt Dr. Schneiderhan. „Ich muss den Muskeltonus ertasten, um sowohl verhärtete als auch schlaffe Stellen möglichst genau einordnen zu können. Manchmal setze ich dabei auch elektromyografische Messungen ein.“

Individuelle Behandlungsstrategie Die gute Nachricht: Ist die Ursache der Rückenschmerzen erst einmal gefunden, ist die nachfolgende Therapie relativ einfach. „Wichtig ist ein individualisiertes Vorgehen und wenn es die für den Patienten richtige Behandlungsstrategie ist, können oft schon einfache Maßnahmen wie Stufenlagerung, Muskeltraining, wärmende Salben oder Krankengymnastik helfen, sagt der Wirbelsäulenfachmann. „Glücklicherweise stehen uns heute moderne Medikamente, sehr wirkungsvolle minimal-invasive Verfahren und in besonders schweren Fällen ein Schmerzschrittmacher zur Verfügung.“ Chronische Schmerzen durch instabile Wirbelkörper Ein Grund für eine äußerst schmerzhafte und langwierige Rückenerkrankung ist eine Instabilität zwischen den Wirbelkörpern. Bandscheiben können bei diesem Krankheitsbild massiv unter Druck geraten und gegen die Nerven drücken. „Bei vielen kommt es zudem zum Phänomen der Schaufensterkrankheit“, sagt der Experte. „Sie gehen etwa 100 Meter und bekommen dann so starke Schmerzen, dass sie stehenbleiben müssen. Sie beugen sich dann oft ganz instinktiv weit nach vorne, weil sich die Beschwerden dann bessern.“

Der Grund dafür: Durch die starke Dehnung können sich die Segmente verschieben. Das verringert die knöcherne Enge, die auf die Nerven drückt. Alternative zur Versteifungs-OP Wenn konservative Maßnahmen, Schmerztherapie und gezielte Injektionen nicht ausreichen, die Beschwerden zu lindern oder zu beseitigen, haben Ärzte über Jahre hinweg zu einer Versteifungsoperation geraten. Ein Eingriff, der allerdings zu Recht unter Verdacht steht, zu früh und zu häufig zur Anwendung zu kommen. „Bevor sich also jemand zu dieser OP entschließt, rate ich dringend dazu, eine Zweitmeinung einzuholen“, sagt Dr. Schneiderhan. „Sollte dann tatsächlich eine OP nötig sein, steht für manche Patienten mit Intraspine jetzt ein sehr viel schonenderes, minimal-invasives Verfahren zur Verfügung. Intraspine – die revolutionär schonende Methode Bei diesem etwa 30-minütigen Eingriff setzen Neurochirurgen unter Mikroskop-Sicht spezielle Hightech-Puffer aus Silikon ein. Dadurch vergrößert sich der Abstand zwischen den Wirbelkörpern. Die sensiblen und Schmerzen auslösenden Nervenstrukturen finden so wieder mehr Platz. „Der entscheidende Vorteil bei dieser Methode ist die dynamische Stabilisierung“, sagt Dr. Schneiderhan. „Belastbarkeit und Beweglichkeit der Wirbelsäule bleiben erhalten. Patienten können wieder ihrer Arbeit nachgehen und auch normal Sport treiben. Wir haben jetzt schon mehr als 100 Patientinnen und Patienten erfolgreich damit behandelt.“ Manchmal ist doch ein großer Eingriff nötig Das Intraspine-Verfahren kann allerdings nicht alle Versteifungseingriffe ersetzen. Die Ausprägung der Wirbelsäulenverschiebung darf noch nicht zu groß sein. Mit modernen bildgebenden Verfahren lässt sich das aber schnell herausfinden. Sie ist zwar kompliziert, für erfahrene Chirurgen aber meist kein Problem.

Ein Problem allerdings kann auftreten: Einige Patienten klagen nach der OP weiter unter Schmerzen. „Der Hauptgrund dafür ist Narbengewebe, welches sich nach der OP ausbildet und gegen die Nervenwurzel drücken kann“, sagt Rückenexperte. „Patienten können dann nur bedingt was machen.“ Manchmal ist ein zweiter Eingriff nötig, um das störende Narbengewebe aufzulösen. Dazu eignet sich mit der Wirbelsäulenkatheterbehandlung ein weiteres minimal-invasives Verfahren. Störendes Narbengewebe entfernen „Bei der Wirbelsäulenkatheterbehandlung schiebe ich einen feinen und elastischen Katheter in den Wirbelkanal ein und führe ihn bis zur Nervenwurzel“, erklärt Dr. Schneiderhan. „Dort angekommen kann ich die Verklebungen und Vernarbungen vorsichtig lösen. Gleichzeitig ist es über den Katheter möglich, entzündungshemmende und schrumpfend wirkende Medikamente zu injizieren. Der vorgefallene Teil der Bandscheibe drückt dann nicht mehr auf den Nerv.“ Auch Selbsthilfe ist wichtig Für die Zeit nach der OP sind aber auch die Patienten gefragt. Sie sollten regelmäßig ihre Muskulatur trainieren. Denn je stärker die Muskeln, desto wahrscheinlicher ist es, dass es nicht erneut zu gesundheitlichen Problemen kommt.

Thorsten Dargatz ist Sportwissenschaftler, Diplom-Trainer, Journalist und Autor. Dr. Reinhard Schneiderhan ist Leiter eines Wirbelsäulenzentrums in München/Taufkirchen. Weitere Beiträge von Dr. Schneiderhan finden Sie unter www.agr-ev.de/blog

Quelle: Aktion Gesunder Rücken e. V.

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