Gift für Gelenke

Schwere körperliche Arbeit und Zwangshaltungen beanspruchen Muskeln und Gelenke. Durch technische Hilfsmittel, Arbeitsorganisation und eigenes erhalten lassen sich die Belastungen für Rücken, Knie und Schultern aber reduzieren.
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Ein starker Rücken kennt keinen Schmerz, heißt es. Doch im Handwerk ist das nur die halbe Wahrheit. Obwohl gerade körperlich arbeitende Handwerker sehr stark sind, machen Erkrankungen des Muskel-Skelettsystems – allen voran Rückenprobleme – ein Drittel der Krankheitstage im Handwerk aus, am Bau sogar noch mehr. „Die Belastungen auf der Baustelle sind oft zu einseitig und wiederholen sich immer wieder“, erklärt Arne-Björn Jäger, Orthopäde und Unfallchirurg am Brüderkrankenhaus Trier, den Grund. „In der Praxis sehe ich oft Bewegungen, die so ausgeführt werden, dass sie den unteren Rücken unnötig belasten.“

Wirbelsäule

  • Maurer haben überdurchschnittlich oft Verspannungen des Schulter-Nackenbereichs und des unteren Rückens.
  • Wiederholte Bück-Drehbewegungen verbunden mit dem Heben und Tragen von Lasten überfordern auf Dauer die Bandscheiben.
  • Wird der Faserring um den inneren Kern der Bandscheibe brüchig, droht ein Bandscheibenvorfall: Der Gallertkern der Bandscheibe bricht durch den Faserring und drückt schmerzhaft nach hinten auf den Nervenkanal (siehe Vergrößerung).
  • Ergonomisches Heben und Tragen mit aufgerichteter Wirbelsäule schont die Bandscheiben.
Illustration: Wladimir Szczesny/diekleinert.de

Von Verspannungen zum Bandscheibenvorfall

Was sich anfangs nur als Muskelverspannung bemerkbar macht, führt im Laufe der Zeit zu Verschleiß an Wirbelkörpern und Bandscheiben. Mit folgenden Tipps können Handwerker ihren Rücken schonen:

  • technische Hilfsmittel oder Transportmittel nutzen wo immer möglich
  • beim Anheben und Ablegen von Lasten den Oberkörper möglichst gerade und aufrecht halten, Bauchmuskulatur dabei anspannen, die Knie und Hüften anbeugen
  • Drehbewegungen beim Anheben, Tragen oder Ablegen von Lasten vermeiden; stattdessen mit geradem Rücken anheben und sich dann schrittweise drehen
  • die Last nahe am Körper anheben, tragen und gleichmäßig verteilen
  • ruckartige Bewegungen vermeiden
  • möglichst kurz tragen, bei längeren Wegen Last zwischendurch ablegen
  • lieber zweimal gehen mit leichterer Last als einmal mit schwerer
  • sich häufig wiederholende Bewegungen durch andere Abläufe unterbrechen

Wie überall im Arbeitsschutz gilt auch beim rückenschonenden Arbeiten das TOP-Prinzip: Zunächst reizt man alle technischen Möglichkeiten aus, dann folgen organisatorische und dann personenbezogene Schutzmaßnahmen.

Damit allein ist es aber nicht getan. Orthopäde Jäger empfiehlt Handwerkern auch Ausgleichsbewegungen. „Das Ziel ist ein muskuläres Gleichgewicht“, so Jäger. Jeder Muskel habe einen Gegenspieler. Wenn immer nur eine Muskelgruppe durch die Arbeit beansprucht wird, ohne sich zwischendurch wieder entspannen zu können und ohne dass die Gegenspieler angespannt werden, dann entsteht ein Ungleichgewicht (muskuläre Dysbalance). Wer also beispielsweise viel in gebückter Haltung arbeitet, muss sich zwischendurch auch strecken und zusätzlich die Bauchmuskulatur kräftigen. Jäger rät, schon vor der Arbeit den Körper für einige Minuten durch Bewegungen aufzuwärmen; ebenso einige Minuten Ausgleichsbewegungen nach Feierabend.

"Der Körper kann zwar viel ausgleichen. Doch die Summe der Belastungen bringt die Wirbelsäule an ihre Grenzen.“ sagt Arne-Björn Jäger Orthopäde, Unfallchirurg

Kniegelenke

  • In vielen Bauberufen arbeiten Handwerker auf Knien, allen voran Fliesen-, Estrich- und Bodenleger, ebenso Pflasterer, Dachdecker und häufig auch Installateure.
  • Haut, Knorpel (Menisken) und Schleimbeutel im Knie reagieren auf zu viel Druck durch Entzündung und Verschleiß.
  • Eine gute Polsterung und häufig wechselnde Körperhaltungen reduzieren den Druck.
Illustration: Wladimir Szczesny/diekleinert.de

Knien und Hocken sind Dauerstress

Ausgleich brauchen auch die Knie von Menschen, die viel im Knien und Hocken arbeiten. Schwellungen und Rötungen der Haut sind erste Warnzeichen für Schädigungen am Knie. Besonders anfällig sind hier die Menisken. Diese Knorpel federn Druck und Stöße ab. Wenn die Kniegelenke beim Sitzen auf der Ferse oder in der Hocke stark gebeugt werden und möglicherweise auch noch Lasten und eine Drehbewegung hinzukommen, können die Menisken reißen. Deshalb sollten Handwerker beim Hinknien Drehbewegungen vermeiden, indem sie Nasenspitze, Brustbein, Knie und Fußspitze möglichst in die gleiche Richtung schauen lassen.

Neben den Menisken reagieren auch die Schleimbeutel im Knie empfindlich auf Dauerdruck. Sie wirken wie eine Gleitschicht und polstern Belastungen ab. Auf zu langen Druck antworten sie mit schmerzhaften Schwellungen, Entzündungen und Verkalkungen (Bursitis). „Wichtig ist also eine gute Polsterung unter den Knien“, empfiehlt Jäger. Ein solcher Knieschutz lindert und verteilt den Druck aufs ganze Knie. Ist der Knieschutz nicht fest in die Kleidung eingenäht, sollte er mit Bändern festgezogen werden, ohne dabei einzuschnüren. „Außerdem entlastet es die Knie, wenn man in wechselnden Haltungen arbeitet“, rät der Orthopäde. Das beginnt beim einseitigen Knien, wo einmal das rechte und einmal das linke Bein aufgestellt bleibt, dann wieder im Vierfüßler. Auch Knierollwagen helfen, auf denen man wie auf einem Fahrradsattel sitzt und den Oberkörper abstützt.

Schultern und Nacken

  • Friseure leiden besonders häufig an Hauterkrankungen – aber nicht nur.
  • Neben Schmerzen im unteren Rücken vom Stehen berichten Friseure regelmäßig von Schulter- und Nackenproblemen.
  • Ungünstige Haltungsmuster wie das Vor- und Hochziehen der Schultern (Protraktion) führen zu Verspannungen und auf Dauer zum Verschleiß der Gelenke.
Illustration: Wladimir Szczesny/diekleinert.de

Ausgleichsbewegungen vor, während und nach Arbeit

Der Druck auf die Gelenke lasse sich aber vor allem effektiv lindern, indem man zwischendrin aufsteht und einige Schritte geht, beispielsweise um Material vorzubereiten oder aufzuräumen, sagt Jäger. Die Berufsgenossenschaft Bau empfiehlt anspanaußerdem, möglichst viele Tätigkeiten ins Stehen zu verlagern, beispielsweise das Schneiden von Fliesen auf einem höhenverstellbaren Arbeitsoder Schneidetisch.

Der dritthäufigste Grund für Muskel-Skeletterkrankungen im Handwerk sind Probleme mit Schultern und Nacken, nicht nur im Bau- und Ausbaugewerbe. „Friseure zum Beispiel halten ihre Arme oft fast in der Horizontalen. Das ist eine deutliche Belastung im Bereich des Schulterdachs“, erklärt Jäger. „Was man hier häufig zusätzlich sieht ist die Protraktion, ein nach vorne und oben Ziehen des Oberarmkopfes im Schultergelenk.“ Dies führe zu einem muskulären Ungleichgewicht im Schulter- und Nackenbereich, anfangs als Verspannung zu spüren. Später können Engpass- oder Schmerzsyndrome entstehen, Verkalkungen, Schleimbeutelreizungen und sogar ein Reißen der Rotatorenmanschette, jener Muskeln, die die Bewgung der Schulter in allen Richtungen ermöglichen. Arne-Björn Jäger warnt davor, die Warnzeichen des Körpers zu ignorieren. „Es ist wichtig, das schnellstmöglich abzuklären, damit Schmerzen nicht chronisch werden.“

Quelle: Holzmann Medien GmbH & Co.KG, Barbara Oberst

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