Klinik vor Ort: Falsche Bewegung – zack ist das Band gerissen
„Den Ball bekomme ich noch“, sagt sich der Tennisspieler und hechtet mit seinem Schläger der kleinen Filzkugel hinterher. Schon ist es passiert: Der Fuß rutscht ihm weg und er knickt um. Egal ob Wimbledon oder Wittmund, wohl jedem ist es schon einmal passiert – und das nicht nur beim Sport, dass er umgeknickt ist. Das ist nicht immer schlimm. In der Regel schwillt das Gewebe an, der Fuß schmerzt.
„Wer dann eben Pech gehabt hat und umgeknickt ist, dem kann die Pech-Regel helfen“, erklärt PD Dr. Matthias Lerch, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie, Hand- und Fußchirurgie sowie Sportmedizin im Krankenhaus Wittmund. Pech steht in diesem Fall für Pause, Eis, Compression, Hochlagern.
Nicht immer muss das Band gerissen sein
Grund für die Schmerzen ist die Überdehnung des Bandapparates am Sprunggelenk. „Nicht immer muss das Innen- und oder Außenband gleich gerissen sein“, erklärt der Chirurg. Sollte sich aber zu allem Übel auch noch ein Bluterguss bilden, dann deutet das fast immer auf eine Kapselverletzung hin und dann heißt es besser: Ab zum Arzt. „Ob das Band gerissen ist oder nicht, das spielt für uns keine erhebliche Rolle“, sagt Dr. Lerch. Der Arzt wird den Fuß röntgen, um Knochenbrüche auszuschließen und versuchen, mit konservativen Methoden, das heißt einen Gips zur Ruhigstellung oder eine Orthese, die Verletzung zu heilen.
„Jedes Band, das reißt, wächst auch von allein wieder zusammen, aber es wird vernarben“, erklärt der Mediziner.
Nach ein paar Wochen heilt der Bänderriss aus. Häufig reißt das Außenband am Sprunggelenk, welches Fuß und Unterschenkel miteinander verbindet. Das Außenband besteht aus drei Teilen. Es zieht vom Wadenbein zum Sprungbein und zum Fersenbein. Daneben gibt es ein Band am Innenknöchel – auch das kann reißen. Für den Patienten ist es kaum zu unterschieden, ob er sich das Band nur gezerrt oder gar gerissen hat, denn Schmerzen bereitet es in beiden Fällen.
Wenn das Sprunggelenk instabil wird
Lässt der Schmerz nach und der Betroffene merkt, dass sein Sprunggelenk instabil ist, – das kann ein paar Wochen dauern – dann ist davon auszugehen, dass es sich um einen Bänderriss handelt – soweit per Röntgenaufnahme ein Bruch ausgeschlossen werden kann. Dann besteht die Möglichkeit, operativ einzugreifen. „Unser Ziel ist es immer, eine Operation zu vermeiden“, sagt Matthias Lerch. Mit der Arthroskopie, der Gelenkspiegelung, kann der Arzt sich ein Bild der Verletzungen am Sprunggelenk machen.
Der Schnitt ist klein – der Eingriff findet unter Vollnarkose statt. Ist das Band gerissen, kann es mit Hilfe eines Fadenankers wieder befestigt werden. 40 Minuten dauert der Eingriff. Danach wird der Fuß in einer Gipsschiene zwei Wochen ruhiggestellt, bevor er in einem sogenannten Walker wieder teilbelastet werden darf. „Physiotherapie und Muskelübungen sind unabdingbar, um Kraft und Beweglichkeit wieder herzustellen“, erklärt Dr. Lerch.
Oft reißt das vordere Kreuzband
Alles was auf Spannung sitzt, kann auch reißen. So ist es auch beim Kreuzband im Knie. Es gibt das vordere und das hintere. In den meisten Fällen ist das vordere – oft bei Sportverletzungen – gerissen. Die Kreuzbandruptur zählt zu den häufigsten Verletzungen im Bereich des Kniegelenks.
„Das vordere und das hintere Kreuzband bilden in der Mitte des Gelenks ein Kreuz. Sie verbinden den Oberschenkelknochen mit dem Schienbein und stabilisieren das Kniegelenk beim Strecken, Beugen und bei Drehbewegungen“, erklärt der Sportmediziner Dr. Bernd Sauer und zeigt am Modell, wo die Bänder verlaufen. Reißt es, kann auch hier als erste Hilfe sozusagen die Pech-Regel angewendet werden. Es gibt verschiedene Faktoren, ob der Chirurg zum Skalpell greifen wird, um das Kreuzband zu operieren. „Es hängt von der Instabilität des Knies, dem Alter des Patienten sowie von den beruflichen und sportlichen Anforderungen ab“, erklärt Bernd Sauer. In jedem Fall vergehen ein paar Wochen, bevor ein Eingriff vorgenommen wird, damit Schwellungen abgeklungen sein können.
Verwendet werden kann beim Ersetzen des Kreuzbandes eine Körpereigene Sehne. Das kann ein Stück aus der Kniescheibensehne oder eines aus der Kniebeugensehne sein. „Das Sehnentransplantat wird durch Tunnel, die in den Oberschenkelknochen und ins Schienbein gebohrt werden, hindurchgezogen“, erklärt der Chirurg – ganz Handwerker. Dann befestigt der Arzt das „neue“ Kreuz-band in diesen Tunneln. Mit einer Kreuzbandplastik mit körpereigenem Material kann ein natürlicher und nachhaltiger Heilungsprozess in Gang gesetzt werden.
Die implantierte Sehne wird als Körpereigenes Material erkannt. Daher wachsen sofort Blutgefäße in die Sehne ein, die sie dauerhaft versorgen und zu einem natürlichen Kreuzband umbauen. Etwa 50 solcher Operationen werden im Wittmunder Krankenhaus pro Jahr durchgeführt. Der Eingriff dauert eine Stunde. Was folgt ist für sechs Wochen das Tragen einer Orthese und Physiotherapie. „Wie bei vielen Eingriffen ist auch hier Geduld gefragt. Es kann bis zu einem halben Jahr dauern, bis das Knie wieder voll belastbar ist“, erklärt Dr. Bernd Sauer.
Damit sich der Arzt einen Überblick über die komplexen Gelenke und eventuelle Verletzungen verschaffen kann, kommt die Arthroskopie zum Einsatz. Mit der Mini-Kamera kann sich der Mediziner im menschlichen Körper auf Spurensuche begeben – wie in dem Film bei „Der Reise ins Ich“ mit Dennis Quaid. Wir werden den Chirurgen in der nächsten Folge im Rahmen der Serie Klinik vor Ort“ auf dieser Reise begleiten.