Sportunfälle: Ein Präventionsgespräch, das jeder braucht, aber keiner nutzt

Dr. med. Johannes Flechtenmacher unterstreicht die Bedeutung einer sportmedizinischen Aufklärung für die Prävention von Sportunfällen: „Verletzungen verursachen Leid und erhöhen das Risiko für eine spätere Arthrose. Wir müssen mehr für die Vermeidung von Sportverletzungen tun“, so der Experte.
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„Patientinnen und Patienten müssen über geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Verletzungsrisiken aufgeklärt werden. Männer und Frauen haben wegen ihrer unterschiedlichen Anatomie unterschiedliche Risiken.“ Der Experte ergänzt: „Männer und Frauen brauchen verschiedene Präventionsstrategien.“ Dr. Flechtenmacher beklagt in diesem Zusammenhang, dass die Aufklärung durch Fachärzte und Fachärztinnen unzureichend vergütet wird: „Ein Präventionsgespräch, das sein Ziel erreicht, entlastet das Gesundheitssystem durch weniger Sportunfälle und weniger Arthrosen, kostet aber Zeit.“ Er fordert daher: „Der Nutzen einer guten sportmedizinischen Präventionsarbeit ist offensichtlich und muss angemessen honoriert werden!“

Verletzungen drohen, wenn Belastung und Belastbarkeit auseinanderdriften. In Deutschland treten jährlich rund 1,5 Millionen Sportunfälle auf, 53 Prozent davon im Verein, 47 Prozent beim Freizeitsport. 83 Prozent der Verletzungen müssen ärztlich behandelt werden. Die Gesamtkosten für diese Behandlungen werden auf circa 1,5 Milliarden Euro geschätzt. Flechtenmacher: „Wir haben zu viele unnötige Sportverletzungen.“

„Männer und Frauen müssen nicht unterschiedlich behandelt oder operiert werden,“ macht Flechtenmacher deutlich. Frauen brauchen keine spezielle Knieprothese, wenn sie operiert werden. Vielmehr geht es um unterschiedliche Verletzungsrisiken und Verletzungsmuster. Bei Sport mit schnellen Richtungswechseln verletzen sich Frauen zwei- bis achtmal häufiger am vorderen Kreuzband als Männer. Das vordere Kreuzband zentriert das Knie und sorgt dafür, dass sich der Oberschenkelknochen nicht über das Schienbein hinausbewegt. Eine Ursache für die höhere Verletzungsquote bei diesen Sportarten liege laut Flechtenmacher darin, dass Frauen beim Springen anders landen als Männer, was mit der stärkeren X-Beinstellung der Frauen zu tun habe. Dabei bewegt sich das Bein automatisch mehr nach innen, was zu einer höheren Belastung führt. Es sei daher wichtig, eine andere Haltung zu trainieren, sagt Flechtenmacher. „Auf die höheren Verletzungsrisiken müssen wir die Frauen hinweisen. Die meisten wissen das gar nicht.“

Frauen verletzen sich eher beim Skifahren als Männer

Und noch etwas ist bei den Kniebandverletzungen im Hinblick auf das Geschlecht in den Augen von Flechtenmacher von Bedeutung. „Laut einer unserer eigenen Studien war die Inzidenz für Frauen im ersten Quartal um 28,5 Prozent höher als im Jahresmittelwert, also dann, wenn alle Skifahren gehen“, sagt Flechtenmacher. „Frauen verletzen sich offensichtlich häufiger beim Skifahren als Männer. Das hat aber nichts mit ihrem Können zu tun.“ Dabei weiß Flechtenmacher, was zu tun ist: „Frauen sollten sich mit einem neuromuskulären Training auf das Skifahren vorbereiten. So senken sie ihr Verletzungsrisiko.“ Denn der BVOU-Präsident schaut mit Sorge auf die Folgen: „Nach einem Kreuzbandriss entwickeln viele Frauen eine Arthrose. Wir brauchen endlich geschlechtsspezifische Präventionsprogramme, deren Vermittlung angemessen vergütet wird. Wenn nichts geschieht, ändert sich auch nichts.“

Dr. med. Johannes Flechtenmacher ist Mitglied im Vorstand des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Er ist niedergelassener Orthopäde und Unfallchirurg in einer Gemeinschaftspraxis in Karlsruhe.

Quelle: Pressemitteilung vom Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU)

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