Kinder und Sport - Spielerisch den Anfang machen
Es gibt in unserer Gesellschaft immer weniger sportliche Kinder. Die Zahl der Erkrankungen, die durch mangelnder Bewegung verursacht werden – beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Adipositas - , nimmt hingegen stetig zu. Da die Kinder über weniger Bewegungserfahrungen verfügen, sind sie anfälliger für Verletzungen. Eine Studie in einem Kindergarten hat jedoch gezeigt, dass diese Unfallgefahr im Laufe eines sechsmonatigen Motorik- und Koordinationstrainings deutlich reduziert werden kann.
Eine generelle Aussage sei deshalb erlaubt: Sport – auch schon in sehr jungen Jahren – tut gut. Um Überlastungsschäden und Verletzungen zu vermeiden, sollten jedoch die im Folgenden aufgeführten Punkte beachtet werden.
Im Kleinkindalter sollte die Freude an der Bewegung im Vordergrund stehen. Spielerische Sportarten, die dem natürlichen Bewegungsdrang der Kinder Rechnung tragen, sind am ehesten zu empfehlen. Es genügt, dass die Kinder erfahren, dass sie schnell, langsam und rückwärts laufen, kriechen und springen können.
Im Grundschulalter können motorisch komplexere Bewegungsabläufe erlernt werden und ein Schnelligkeits- und Koordinationstraining beginnen. Während der Pubertät ist das Skelett des Heranwachsenden besonders empfindlich, deshalb kommt es in diesem Alter häufig zu Überlastungsschäden, mit denen der Betroffene noch im Erwachsenenalter zu kämpfen haben kann.
Übermäßige Dreh- und Biegebelastungen der Wirbelsäule sind nicht zu empfehlen. Das Training sollte eher auf eine Kräftigung des gesamten Bewegungsapparates ausgerichtet sein, eine einseitige Spezialisierung vermieden werden. Frühestens im Jugendalter darf ein Kraft- und Ausdauertraining im Vordergrund stehen.
Verletzungen an typischen Stellen
Die häufigsten Verletzungen im Kindesalter sind Knochenbrüche – diese stellen etwa ein Viertel aller kindlichen Verletzungen dar. Fast die Hälfte dieser Frakturen ereignen sich beim Sport. Kinderknochen brechen an ganz typischen Stellen: Im Kindesalter bricht am häufigsten der Oberarmknochen, im Jugendalter hingegen Unterarm- und Unterschenkelknochen. Die medizinische Versorgung von Frakturen im Kindesalter erfolgt übrigens nach anderen Prinzipien als bei Erwachsenen und sollte dem Kinderorthopäden und –traumatologen vorbehalten sein.
In der Pubertät bilden die Wachstumsfugen die schwächste Struktur am menschlichen Skelett. Wachstumsfugen sind noch nicht vollständig verknöcherte Knorpelbereiche, die sich an den den Gelenken zugewandten Knochenenden befinden und das Skelettwachstum ermöglichen.
Dieser Spalt im Knochen wird von Medizinern Epiphysenfuge genannt. Wachstumsfugen kreuzende Brüche oder so genannte Epiphysenlösungen, bei denen sich dieser Knorpel ablöst, sind besonders problematisch. Überlastungsschäden in diesem Bereich sind beispielsweise die „Werferschulter“ oder das „Turnerhandgelenk“ – diese können zu einem vorzeitigen Wachstumsfugenschluss führen, der Knochen ist in seinem Wachstum gestört, und es kann zu Fehlbildungen kommen.
Am häufigsten sind Knie und Wirbelsäule von Überlastungsschäden betroffen. Bei der Scheuermann´schen Erkrankung sind die Wirbelkörper geschädigt. Die wiederholte Überlastung der Wirbelsäule kann außerdem eine so genannte Spondylolyse der Wirbelbögen verursachen: Bei dieser Erkrankung, auch Wirbelbogenschluss-Störung genannt, löst sich der Zusammenhalt zwischen dem Wirbelbogen und dem Wirbelkörper auf. Während nur fünf Prozent der Normalbevölkerung an Spondylolyse leiden, sind bis zu ein Drittel der Speerwerfer, Delphinschwimmer oder Kunstturnerinnen davon betroffen.
Kapselbandrupturen im Kindesalter sind selten. Bandausrisse im Sprunggelenksbereich sollten operativ versorgt werden, um zu gewährleisten, dass alles wieder richtig und stabil zusammenwächst. Ein vorderer Kreuzbandriss kann beim Kind arthroskopisch – also in der so genannten Schlüssellochtechnik, die ohne großen Schnitt auskommt – operiert werden.
Protektoren sind nicht uncool
Ein Kind, das sich beim Sport eine Gehirnerschütterung zugezogen hat, sollte im Krankenhaus überwacht werden. Gehirnerschütterungen kann mit einem der Sportart angepassten Helm übrigens gut vorgebeugt werden. Überhaupt können Eltern und Trainer nicht oft genug auf das Tragen geeigneter Protektoren bei Sport und Spiel hinweisen, auch wenn Kinder das oft als „uncool“ ablehnen.
Am besten geht man mit gutem Beispiel voran und trägt – beispielsweise beim Fahrradfahren – selbst einen Helm. Auch und gerade für Kinder gilt, dass ein Arzt prüft, ob sie in medizinischer Hinsicht der Aufnahme eines regelmäßigen Trainings gewachsen sind. Eine solche Sporttauglichkeitsuntersuchung bietet gleichzeitig die Gelegenheit, eventuell noch nicht erfasste Krankheiten zu erkennen und zu behandeln.
Bei Untersuchungen an Sportlern zwischen sechs und 18 Jahren liegt die Rate der medizinisch auffälligen Kinder bei etwa zehn Prozent, wobei nur etwa zwei Prozent an einen weiteres Facharzt überwiesen werden müssen bzw. einer speziellen Therapie bedürfen. Ungefähr 40 Prozent aller Schulanfänger weisen orthopädische Auffälligkeiten auf, bei über 15 Prozent haben sich bereits Fehlhaltungen manifestiert.
Kinder, die eine besonders belastende Sportart mit hohem Leistungsanspruch ausüben, sollten generell jedes Jahr einem sportmedizinisch versierten Kinderorthopäden vorgestellt werden. Alles in allem können wir feststellen: Sport ist lebenswichtig – und gezielte Sportuntersuchungen tragen dazu bei, dass der Sport seine gesundheitsfördernden Aspekte und seine präventive Wirkung voll entfalten kann.