Kindertraumatologie

Die Kindertraumatologie beschäftigt sich mit der Erkennung und Behandlung von Verletzungen und deren Folgen im Kindes- und Jugendalter. Dies sind vor allem Knochenbrüche und Gelenkverletzungen (Verrenkungen, Band- und Kapselverletzungen), aber auch Kopf-, Brustkorb- und Bauchorgan- sowie Weichteilverletzungen (Haut, Muskeln, Sehnen). Dabei werden Einfach-, Mehrfachverletzungen sowie das Polytrauma im Kindesalter versorgt.

Die spezifischen Verletzungsmuster, Behandlungsoptionen und Verletzungsfolgen unterscheiden sich nicht nur im Kindesalter, sondern auch bei Jugendlichen von denen der Erwachsenenmedizin. Aufgrund dessen kann man umfassender von der Traumatologie des Wachstumsalters sprechen.

Kindertraumatologie fällt in den Aufgabenbereich von Kinderchirurgen, Unfallchirurgen und Orthopäden, die auf das wachsende Skelett spezialisiert sind.

Eigenschaften des wachsenden Skelettes

Kinder haben aufgrund der anderen biomechanischen Eigenschaften ihres Skelettes sowie des wachsenden Knochens andere Verletzungsmuster. Ein wachsender Knochen besteht aus einer Epi-, Meta- und Diaphyse. Für das Längenwachstum ist die Epiphysenfuge (auch Wachstumsfuge) verantwortlich. Sie besteht aus einem epiphysären Teil mit Wachstumspotential und einem metaphysären Bereich, dem Ort der Verknöcherung. Die knorpelige Fuge dient dabei als idealer Puffer für axiale Verletzungen, die durch Stauchungen in der Körperachse entstehen, und sorgt so für einen Schutz des angrenzenden Gelenkes. Schwerwiegende Gelenkverletzungen treten deswegen deutlich seltener auf. Die Verletzungsmuster sind meist sehr ähnlich. Bei Scher-und Biegungskräften auf das wachsende Skelett kommt es im Bereich der Wachstumsfuge vor allem zu Verletzungen im metaphysären Bereich. Ursache hierfür ist der dort vorhandene höhere Anteil an Knochenzellen (Osteozyten) im Verhältnis zur Knochenmatrix (Grundsubstanz des Knochens, in welche die Osteozyten eingebettet sind).

Abb. 1: Schematischer Aufbau eines Röhrenknochens (Quelle: Chriudel/Wikimedia Commons)

Im Allgemeinen treten bei noch offenen Wachstumsfugen – diese schließen sich mit Abschluss des Knochenwachstums je nach Knochen etwa zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr – etwa 50-mal häufiger Schaft- als Gelenkfrakturen auf. Im Schaftbereich des Knochens (Diaphyse) existiert im Kindes- und Jugendalter, neben kompletten Frakturen sowie Stauchungs- und Wulstfrakturen, eine Besonderheit: die diaphysäre Grünholzfraktur, eine Biegungsfraktur, bei der der Knochen nur auf einer Seite bricht, die andere Seite dagegen – analog zum Bruchverhalten eines jungen Astes – der Biegung standhält und nicht oder nur teils bricht. Falls diese Situation übersehen oder belassen wird, kann eine verzögerte Knochenbruchheilung mit einem relativ hohen Risiko für eine erneute Fraktur entstehen. Nicht verwechseln mit Grünholzfrakturen darf man metaphysäre Stauchungsfrakturen, welche durch axiale Traumata, nicht durch Biegung entstehen.

Abb. 2: Links: Schematische Darstellung einer einfachen (links) sowie einer gespaltenen Grünholzfraktur (Quelle: Robbit/Wikipedia); Rechts: Grünholzfraktur von Elle und Speiche (Unterarmfraktur) im Röntgenbild (Quelle: Hellerhoff/Wikimedia Commons)

Die Knochenbruchheilung im Wachstumsalter erfolgt vom Prinzip her immer durch sekundäre Knochenbruchheilung. Dabei bildet sich zunächst ein sogenannter Kallus wie eine Manschette um den Bruch herum. Erst später (sekundär) wird der eigentliche Bruchspalt überbrückt und danach der Kallus wieder abgebaut. Dies erscheint umständlich, ist aber eigentlich viel schneller, denn bereits mit Kallus ist der Bruch wieder fest.

Das besondere bei Kindern und Jugendlichen ist allerdings das Korrekturpotential bei Achsabweichungen der Bruchenden (verschobener Knochenbruch). Diese Abweichungen können in allen drei Ebenen des Raumes ausgeglichen werden. Das Ausmaß der Korrekturfähigkeit hängt dabei von der Lokalisation der Fraktur, dem Entwicklungsvermögen der nächstgelegenen Wachstumsfuge sowie dem Alter des Patienten ab.

Im Rahmen von Verletzungen des wachsenden Skelettes können Wachstumsstörungen auftreten. Hierbei kann es zu einem vermehrten oder verminderten Wachstum kommen. Daher sind im Kindesalter längerfristige Kontrollen erforderlich.

Die Klassifikationen von Verletzungen des wachsenden Skelettes erfolgt heute international nach der AO-Klassifikation für Knochenbrüche im Kindesalter (siehe Literatur und weiterführende Links).

Diagnostik

In aller Regel werden konventionelle Röntgenbilder aus zwei verschiedenen Richtungen (in zwei Ebenen) angefertigt. Die Ultraschalldiagnostik hat sich in der Akutdiagnostik bisher nicht durchgesetzt. Nur selten sind Schnittbildverfahren wie CT oder MRT erforderlich. In Einzelfällen, wie zum Beispiel bei Begleitverletzungen an Nerven und/oder Gefäßen, sind zusätzliche Untersuchungen wie eine neurologische Funktionsdiagnostik oder Gefäßdarstellungen notwendig.

Therapie

Unverschobene Knochenbrüche werden in der Regel konservativ behandelt. Aufgrund der möglichen Spontankorrektur und des noch vorhandenen Wachstums können auch Frakturen mit gewisser Fehlstellung konservativ behandelt werden. Die Ruhigstellung zur Schmerzbehandlung steht hier im Vordergrund. Zur Verfügung stehen Gips, Cast, Brace, Orthesen sowie Bandagen oder Tapes. Relevant verschobene Brüche werden eingerichtet (reponiert) und anschließend je nach erreichtem Grad der Stabilität ebenfalls ruhiggestellt oder mittels Osteosynthese fixiert. Hier stehen verschiedene, meist minimalinvasive Operationstechniken zur Verfügung: die elastisch-stabile intramedulläre Nagelung (ESIN), Schrauben- und Bohrdrahtosteosynthesen oder der Fixateur externe. Je nach Alter des Kindes/Jugendlichen und der Bruchform werden ähnlich wie beim Erwachsenen in Ausnahmefällen auch Plattenosteosynthesen oder Versorgungen mit einem intramedullären Verriegelungsnagel durchgeführt.

Ziel einer Osteosynthese ist meist eine bewegungsstabile Versorgung. In Abhängigkeit der gewählten OP-Methode kann eine zusätzliche Ruhigstellung notwendig sein. Physiotherapie ist bei Kindern und Jugendlichen nur selten erforderlich.

Ergebnisse / Verläufe

Die Ergebnisse sind bei richtiger Diagnosestellung und korrekter Behandlung – auch durch das Spontankorrekturpotential – bei Kindern in der Regel sehr gut. Komplikationen wie eine ausbleibende Bruchheilung (Pseudarthrose) sind im Vergleich zum Erwachsenen sehr selten. Nichtsdestotrotz gibt es Bruchformen, welche zu relevanten funktionellen und kosmetischen Beeinträchtigungen führen können. Daher sind entsprechende klinische Nachkontrollen im weiteren Wachstum notwendig. Endgültige Aussagen über eine bleibende körperliche Einschränkung sind meist erst nach Abschluss des Wachstums möglich.

Literatur und weiterführende Links

Broschüre der AOTrauma zur Klassifikation von Verletzungen des wachsenden Skelettes (in englischer Sprache)

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
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