Sex mit künstlichem Hüftgelenk – worauf müssen Paare achten

Jährlich werden in Deutschland ca. 200.000 künstliche Hüftgelenke eingesetzt. In der Nachbehandlung werden den Patienten viele Ratschläge zur täglichen Lebensführung, Haushalt und Sport gegeben. Nur zum Liebesleben erhalten die Patienten wenig oder nur unzureichende Information. Gemäß einer Literaturrecherche sprechen 80% der ärztlichen Kollegen mit ihren Patienten, die ein künstliches Gelenk erhalten haben, nicht über Sex.
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Doch die Patienten, die künstliche Gelenke benötigen, werden immer jünger, und die älteren Patienten immer aktiver. Insofern besteht hier dringender Informationsbedarf, um die bestehenden Verunsicherungen auszuräumen, die uns Orthopäden und Unfallchirurgen in der täglichen Praxis begegnen.

In einer mehrteiligen Serie will ich Sie über die besonderen Vorsichtsmaßnahmen in Bezug auf das Liebesleben nach der Implantation eines künstlichen Gelenkes informieren. Wegen der Häufigkeit beginne ich mit der Hüftprothese bei der Frau.

Eine Hüftprothese besteht aus einem Schaft, der über den Prothesenhals mit dem Prothesenkopf verbunden ist. Dieser läuft in einer Art Buchse, der künstlichen Gelenkpfanne, die im Becken verankert wurde. Bei der Kurzschaftprothese ist der Prothesenstiel sehr kurz. Das Prinzip ist aber bei allen Hüftprothesentypen ähnlich. Je nach OP Verfahren wird das Gelenk mit oder ohne Zement verankert.

Von der Art der Prothesenverankerung hängt es ab, wann das künstliche Gelenk wieder voll belastet werden kann. Aber selbst bei zementfreier Fixierung kann ein künstliches Gelenk nach spätestens 6-8 Wochen voll belastet werden. Da ich davon ausgehe, dass die Lust auf Sex in den ersten Wochen nach einer großen Operation wie einer Hüftprothese nicht sehr groß sein wird, ist die Art der Prothesenfixierung für unser Kernproblem eher nebensächlich.

Viel wichtiger ist hingegen, aus welcher Richtung der Operateur das Gelenk aufgeschnitten hat. Denn diese Stelle ist später die Schwachstelle, an der der Kopf der Prothese aus der Pfanne herausspringen kann. Um an das verschlissene Hüftgelenk heranzukommen, muss die Kapsel, die das Gelenk wie ein Mantel umgibt, aufgeschnitten werden. Am Ende der Operation wird diese Kapsel in der Regel wieder zugenäht.

Es dauert aber mindestens 6 Wochen, bis sich hier eine stabile Narbe gebildet hat. Richtig fest ist dieser Bereich in der Regel erst nach 3 Monaten. Für diese Zeit gelten also erhöhte Vorsichtsmaßnahmen. Je weiter die Zeit nach der Operation fortschreitet, umso geringer wird das Risiko eines Herausspringens.

Vorderer OP Schnitt

Hierbei wird das Gelenk von vorne geöffnet. Der Schnitt - oder bei einem minimalinvasiven Zugang auch die 2 kleinen Schnitte - liegen vorne auf dem Oberschenkel oder befinden sich Richtung Leiste. Um bei der Operation an das Hüftgelenk heranzukommen, wird das Bein nach außen gedreht und stark gebeugt. Das ist also die Bewegung, bei der die Hüfte auch später herausspringen kann.

Seitlicher OP Schnitt

Auch beim seitlichen OP Schnitt wird das Gelenk letztendlich von vorne geöffnet, der Hautschnitt liegt seitlich am Oberschenkel. Es gelten also die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie beim vorderen Zugang.

Hinterer OP Schnitt

Beim hinteren Schnitt wird das Gelenk von hinten geöffnet. Der Hautschnitt liegt seitlich – hinten vom Oberschenkel Richtung Gesäß. Bei einem minimalinvasiven Zugang ist er relativ klein, liegt aber an der gleichen Stelle. Während der Operation wird das Gelenk durch starke Beugung und Innendrehung ausgerenkt, damit der Operateur an das Gelenk herankommt. Also muss nach der Operation diese Bewegung vermieden werden, um einem Herausspringen vorzubeugen.

Was geht, was geht nicht?

Eigentlich geht alles das, was nicht zu einem Ausrenken der Hüfte führen kann. Dafür muss man natürlich wissen, über welchen Schnitt man operiert wurde. Entweder Sie fragen Ihren Operateur oder Sie schauen, wo Ihre Narbe liegt. Beim Hinteren Zugang gilt: keine tiefe Beugung der Hüfte mit gleichzeitiger Innendrehung, beim vorderen und seitlichen Zugang gilt: keine starke Beugung mit gleichzeitiger Außendrehung.

Besonders vorsichtig sollte man in den ersten 3 Monaten nach der Operation sein, denn erst nach Ablauf dieser Zeit sind die Wunden in der Tiefe richtig verheilt, und die gelenkumgebende Kapsel wieder stabil. Das heißt nicht, dass solange auf Sex verzichtet werden muss. Nur die Maximalbewegungen mit starker Beugung und Drehung in der Hüfte sollten vermieden werden.

Generell ist nach einer Hüftprothesen-Operation bei Männern Sex schneller wieder möglich als bei Frauen. Das liegt in der Tatsache begründet, dass die Frau bei den meisten Stellungen die Beine anbeugt und rotiert. Je länger die OP her ist, umso „mutiger“ darf die Frau wieder werden.

Hier ein paar exemplarische „Liebesstellungen“:

1. Die Missionarsstellung

Bei diesem „Klassiker“ liegt der Mann mehr oder weniger auf der Frau, wobei er seinen Oberkörper mit seinen Armen abstützt. Es gibt viele Variationen dieser Stellung mit unterschiedlich starker Spreizung der Beine für die Frau. Das Prinzip bleibt aber gleich.

In Bezug auf die Hüftprothese ist bei der Frau Vorsicht geboten. In den ersten Monaten nach der Hüftprothesenoperation sollten die Beine nicht zu weit in der Hüfte angewinkelt werden. Das Abspreizen nach Außen ist hingegen für Patientinnen, die einen hinteren Operationszugang haben, weniger gefährlich. Patientinnen mit vorderem oder seitlichem Operationszugang sollten auch hier etwas vorsichtig sein. Wenn man das beherzigt, kann diese Stellung bereits relativ kurz nach einer Hüftprothesenimplantation ausgeführt werden. Nach drei bis sechs Monaten ist die Kapsel an der Hüfte verheilt, und man bzw. frau darf mutiger werden.

©Dr. Gunnar Schauf

2. Die Reiterin

Eine optimale Stellung für „ihn“. Da er auf dem Rücken liegt und die Gelenke wenig belasten muss, gibt es für den Mann überhaupt keine Einschränkungen.

Für „sie“ sieht es da schon anders aus: Da „sie“ sowohl in der Hüfte als auch im Kniegelenk weit beugen muss, ist diese Stellung für Damen mit künstlichem Hüftgelenk nur bedingt empfehlenswert. In den ersten sechs Monaten nach einer Hüftprothesenimplantation sollte diese Stellung nicht ausgeübt werden. Ist die Kapsel gut verheilt und sitzt die Hüfte optimal (hier sollte auf jeden Fall mit dem Operateur Rücksprache gehalten werden), kann sie mit Einschränkungen durchgeführt werden.

Die Frau sollte sich eher nach hinten anstatt nach vorne lehnen. Sollte man dieses im „Eifer des Gefechtes“ nicht immer sicher beherzigen, empfehle ich eher, die Finger von dieser Stellung zulassen. Das Kniegelenk muss für dies Stellung weit genug beugbar sein. Wenn das der Fall ist, ist sie gut machbar.

©Dr. Gunnar Schauf

3. Die Amazone

Eigentlich eine Stellung, die für beide Partner trotz Prothesen ganz entspannt sein kann, wenn die Größe der Sitzgelegenheit und die Größe der Partner zueinander passen. Technisch also etwas anspruchsvoller, aber für Damen mit künstlichen Hüftprothesen eigentlich kein Problem.

Trotzdem ist Vorsicht geboten. Der Hocker darf nicht zu tief sein, damit die Hüftgelenke nicht zu weit gebeugt werden. Und Vorsicht: Hocker oder sonstige Sitzgeräte müssen für das Gewicht beider Partner ausreichen.

©Dr. Gunnar Schauf

Die angegebenen Stellungen sind nur Beispiele, sollen aber die Grundproblematik erklären, so dass sie auf andere, persönliche „Vorlieben“ übertragen werden können.

Da das Thema doch umfangreicher ist, als es primär erschien, ist zu dem Thema ein Buch erschienen: Es geht um die möglichen Bewegungen und Stellungen mit künstlichen Gelenken beim „Liebesspiel“. Auch wenn beide Partner ein oder mehrere künstliche Gelenken haben.

Weiterführende Informationen hierzu unter:

www.sexfuerprothetiker.de

Buchcover

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