Das diabetische Fußsyndrom - Amputationen können vermieden werden!
Das sogenannte diabetische Fußsyndrom – eine gefäßbedingte Folge des Diabetes mellitus – ist ein Beispiel: Hierzulande leben circa acht Millionen Menschen mit Diabetes Typ 1 oder Typ 2, jeder Vierte davon entwickelt ein diabetisches Fußsyndrom. Mit über 40 000 jährlichen Amputationen liegt Deutschland seit vielen Jahren europaweit im oberen Bereich – der diabetische Fuß ist mit Abstand die häufigste Ursache. Expertinnen und Experten der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e. V. (DGG) kritisieren diese hohe Zahl. Ihrer Einschätzung nach könnten bis zu 80 Prozent der Amputationen von Ober- oder Unterschenkel vermieden werden.
Das diabetische Fußsyndrom ist eine gefürchtete Folgeerkrankung des Diabetes. „Betroffene haben häufig Missempfindungen oder eine Empfindungslosigkeit in den Beinen und Zehen. Besonders nachts leiden sie oft unter einem Taubheitsgefühl“, sagt Professor Dr. med. Dittmar Böckler, Past-Präsident der DGG. Tückisch daran ist, dass sich aus den zunächst häufig kleinen Geschwülsten oft chronische Wunden entwickeln. Fast immer ist die Fußsohle geschädigt. Im Endstadium bricht das Fußskelett vollständig zusammen. Es können Brüche im Vor- und Mittelfußbereich auftreten; der Fuß ist oft stark deformiert. In solchen Fällen ist eine Fußamputation häufig unumgänglich. „Durch die konsequente Prävention von Fußgeschwüren, die rechtzeitige Diagnostik und eine interdisziplinäre Therapie von Gefäßverschlüssen ließe sich ein Großteil der Amputationen vermeiden“, betont Böckler.
Um den Verlust einer unteren Extremität zu verhindern, sei es entscheidend, die arterielle Durchblutung des betroffenen Beines zu verbessern. „Wie gut und mit welchen Maßnahmen das gelingen kann, zeigt eine Untersuchung der Gefäße, eine Darstellung mittels sogenannter Angiografie“, so der DGG-Experte. Das ungeschriebene Gesetz laute daher: keine Amputation ohne vorherige Gefäßdarstellung und Konsultation eines Gefäßmediziners oder einer Gefäßmedizinerin beziehungsweise eines Gefäßchirurgen oder einer Gefäßchirurgin.
Bei der Behandlung des diabetischen Fußsyndroms stehen verschiedene effektive Möglichkeiten zur Verfügung: Zentral dafür ist es laut der DGG, die Durchblutung des Beines zu verbessern. Das kann mit verschiedenen Eingriffen erfolgen – etwa mit Bypassoperationen oder mit katheterbasierten minimalinvasiven Verfahren wie der Aufweitung eines verschlossenen Gefäßes mithilfe eines Ballons. Auch direkte chirurgische Eingriffe am erkrankten Fuß zur Druckentlastung sowie plastisch-rekonstruktive Operationen, bei denen Haut verpflanzt wird, um offene Wunden zu schließen, können gute Behandlungsoptionen sein.
Amputationen des Fußes oder des Ober- oder Unterschenkels, die ebenfalls durch das diabetische Fußsyndrom nötig werden können, sollten erst der letzte Ausweg sein. „Amputationen führen zu einer Reduktion der Lebensqualität und haben starke Auswirkungen auf die Lebenserwartung“, sagt Böckler. „So überlebt nach einer sogenannten Major-Amputation, einer Entfernung des gesamten Ober- und Unterschenkels, nur ein Viertel der Diabetespatientinnen und -patienten fünf Jahre; bei der Minor-Amputation unterhalb des Knöchels sind es 80 Prozent.“
Die Vermeidung solcher Amputationen ist für die DGG oberstes Gebot in der Behandlung des diabetischen Fußsyndroms. Deshalb begrüßt die Fachgesellschaft auch den noch recht jungen Rechtsanspruch für gesetzlich krankenversicherte Diabetespatientinnen und -patienten, sich vor einer drohenden Fußamputation eine Zweitmeinung einzuholen.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e. V. (DGG)