Fußsprechstunde: Akute Instabilität – die Umknickverletzung des Sprunggelenks
„Herr Doktor, ich bin am Wochenende mit dem Knöchel umgeknickt“, ist wohl einer der Sätze, den insbesondere Hausärzte, Orthopäden und Unfallchirurgen klassischerweise am Montagmorgen in der Sprechstunde am häufigsten zu hören bekommen – ganz zu schweigen von den Kollegen der Krankenhausambulanzen direkt am Wochenende.
Sport, Treppen, Gehsteigkanten und versteckte Vertiefungen im Rasen oder Waldboden sind die häufigsten Ursachen fürs Umknicken. Durchschnittlich eine Million Umknickverletzungen pro Jahr werden allein in Deutschland registriert. Davon betreffen 85 Prozent die Außenbänder. Die anderen Bandanteile des Sprunggelenks sind deutlich seltener verletzt, weshalb ich hier nicht darauf eingehen werde.
Die Umknickverletzung des Sprunggelenks nach außen ist die häufigste Sportverletzung überhaupt. Rund 40 Prozent aller Verletzungen im Profi-, Leistungs- und Breitensport betreffen das Sprunggelenk. Doch die Dunkelziffer ist hoch. Denn neben den in wissenschaftlichen Untersuchungen veröffentlichten Statistiken ist die Rate der „Selbstbehandler“ dieser allzu oft als Bagatelle angesehenen Verletzung extrem hoch. Diese Verharmlosung hat Folgen.
Schweregrade
Je nach Kraft, Tempo und Ausmaß des Umknickens unterscheidet man drei Schweregrade:
- Bei Grad 1 handelt es sich lediglich um eine Bänderdehnung.
- Bei Grad 2, der Teilruptur des Außenbandes, ist nur der vordere Anteil (Ligamentum fibulotalare anterius = LFTA) betroffen. Der Fachbegriff dafür ist „Einbandruptur“.
- Bei Grad 3 ist zusätzlich noch der mittlere Anteil (Ligamentum fibulocalcaneare = LFC) gerissen. Diese Verletzung wird „Zweibandruptur“ genannt. Der hintere Anteil (Ligamentum fibulotalare posterius = LFTP) reißt beim Umknicken so gut wie nie.
„Montag-Morgen-Fuß“: Bluterguss am Sprunggelenk nach Umknicken am Wochenende
Erste Hilfe
Egal wie schwer die Verletzung im Akutfall auch sein mag – PECH. Damit ist aber nicht das Synonym für Unglück gemeint, sondern ein Wortspiel, mit dem Sie sich die notwendigen Erstmaßnahmen leicht ins Gedächtnis rufen können. Diese Maßnahmen können Sie als erste Hilfe auch als Laienhelfer und als Eigentherapie durchführen.
Durch die sofortige Beendigung der sportlichen Belastung (Pause) wird eine weitere Traumatisierung des Gelenks vermieden.
Die Kältetherapie (Eis) wirkt abschwellend und schmerzlindernd. Allerdings darf ein Eisbeutel niemals in direkten Kontakt mit der Haut am Sprunggelenk kommen, da sonst eine Schädigung der kleinen Lymphgefäße in der Haut droht. Die sind jedoch für die körpereigene Bekämpfung der Schwellung unerlässlich.
Am besten kühlen Sie über einem Verband mit einer elastischen Binde („Compression“). Dieser verhindert ebenfalls ein verstärktes Anschwellen und hemmt die Ausbreitung des Blutergusses. Er darf aber auf keinen Fall abschnürend sein oder die Durchblutung des Fußes beeinträchtigen.
Lagern Sie die untere Extremität in erhöhter Position, (Hochlagerung) vermindert dies das Einströmen von Blut und Gewebsflüssigkeit in den Bereich des verletzten Gelenks und hilft somit auch, eine starke Schwellung und Einblutung in die Weichteile möglichst gering zu halten. Die weitere Behandlung dieser Verletzung sollten Sie dann aber in professionelle Hände geben.
Achtung – Erstversorgung durch den Arzt!
- Die Wichtigkeit der fachgerechten ärztlichen Erstversorgung einer Umknickverletzung kann nicht genug betont werden.
- Diese Verletzung darf nicht als Bagatelle abgetan werden.
- Die Zukunft Ihres Sprunggelenks steht auf dem Spiel.
- Lassen Sie sich nicht mit einem Salbenverband ohne Stabilisierung abspeisen.
- Fragen sie nach der Notwendigkeit von Bauchspritzen.
Ursachen
Die Gründe für eine chronische Instabilität im Sprunggelenk sind vielschichtig. Eine unzureichende Behandlung nach einer erstmaligen Außenbandverletzung ist eine der häufigsten Ursachen. Entweder verharmlost der Patient die Erstverletzung und therapiert sich selbst, es gibt aber auch Fälle einer insuffizienten Behandlung, obwohl professionelle Hilfe durch die Notfallambulanz, den Hausarzt, einen Orthopäden oder Chirurgen in Anspruch genommen wurde. Eine weitere Ursache ist, wenn der Patient zu früh wieder in den Sport einsteigt. Hier spielen falscher Ehrgeiz und Übermotivation eine genauso verheerende Rolle wie der psychologische Druck durch den Trainer.
Die Muskulatur, die anfänglich die noch unterschwellige Instabilität kompensiert, versagt durch die Dauerüberlastung zunehmend ihren Dienst und die schlimmer werdende „Haltlosigkeit“ des Gelenks wird zum Selbstläufer. Es kommt zum Gefühl der Unsicherheit im Sprunggelenk. Die Umknickereignisse häufen sich. Patienten beschreiben ihr Sprunggelenk nun oft als „ausgeleiert“.
Behandlung
Konservative Therapie
Die Chancen auf eine dauerhafte Stabilisierung des Sprunggelenks ohne Operation sind nicht schlecht. Eine ganze Reihe instabiler Sprunggelenke lässt sich durch eine intensive Physiotherapie und gegebenenfalls kurz- bis mittelfristige Anwendung einer stabilisierenden Bandage aussichtsreich behandeln. In der Physiotherapie gibt es ein spezielles Training zur Verbesserung der Kraft, Koordination und Propriozeption. Die Schulung der Koordination verbessert die Reaktionsschnelligkeit und das Zusammenspiel der Muskeln, die das Sprunggelenk stabilisieren. Das gilt für:
- die Peroneusmuskeln, die mit ihren Sehnen hinter dem Außenknöchel an den Fußaußenrand und unter den Fuß ziehen,
- den Tibialis-posterior-Muskel, der mit seiner Sehne hinter dem Innenknöchel an den Fuß zieht,
- und den Tibialis-anterior-Muskel, der über das vordere Sprunggelenk mit seiner Sehne zum Fußinnenrand zieht.
Das Training der Propriozeption verbessert die unterbewusste Eigenwahrnehmung hinsichtlich der Gelenkposition und drohender Gefahren für das Gelenk. Eine optimierte Propriozeption löst im Falle eines erneuten Umknickens eine schnellere Reaktion der gelenkschützenden und gelenkstabilisierenden Muskeln aus.
Hat sich nach drei bis sechs Monaten die Stabilität des Sprunggelenks nicht verbessert, sollte die Stabilisierung durch eine Operation erfolgen.
Operative Therapie
International hat sich die Operation nach Broström und Gould durchgesetzt. Hierbei refixiert der Operateur den vorderen Anteil der drei Elemente des Außenbandes (Ligamentum fibulotalare anterius) straff am Knochen, bei Bedarf auch den mittleren Anteil (Ligamentum fibulocalcaneare) des äußeren Bandapparats. Soweit die nach Lars Ake Broström getaufte Operation. Der amerikanische Fuß- und Sprunggelenkschirurg Gould beschreibt als Erweiterung der Broström-Operation das Hochziehen und Befestigen des Retinakulum extensorum inferius an der Außenknöchelspitze. Dadurch kann dieser Bindegewebsstrang, der eigentlich zur Führung der Strecksehnen am Fußrücken vorgesehen ist, deutlich zur Stabilität im Außenbereich des Sprunggelenks beitragen.
Broström-Gould-OP: Links: schlaffe Bänder (1 Ligamentum fibulocalcaneare, 2 Ligamentum fibulotalare anterius); Rechts: Bänder gestrafft und am Knochen verankert, Retinakulum (3) zur Verstärkung am Außenknöchel angenäht
Die Gould-Operation kann auch arthroskopisch durchgeführt werden, also in „Schlüssellochtechnik“ mit einer in das Gelenk eingeführten Kamera. Die eigentliche Broström-Operation gelingt auf diesem Weg nicht.
Eine ausführliche Erklärung der möglichen Ursachen, der Schweregrade, der klinischen Untersuchung und der Therapieformen sowie der Nachbehandlung finden Sie in dem Buch "Füße - Beschwerden wirksam behandeln: Untersuchung - Diagnose - Therapie" von Dr. Stefan Feiler:
Informationen zum Buch
Zuckerschwerdt-Verlag: Füße - Beschwerden wirksam behandeln: Untersuchung - Diagnose - Therapie, ISBN: 978-3-86371-264-8, Autor: Dr. Stefan Feiler, 246 Seiten, Preis: 20,00 € (D) / 20,60 € (A)
Nächste Woche wird Ihnen Dr. Feiler hier Informationen zum Thema Achillessehnenruptur.