Ultraschall-Untersuchung der Säuglingshüfte ist ein Muss

Die Fehlbildung des Hüftgelenks (Dysplasie) ist die häufigste Erkrankung des Haltungs- und Bewegungsapparates im Säuglingsalter. Zwei bis vier von 100 Babys kommen in Deutschland mit einer Hüftgelenksdysplasie auf die Welt, zwei von 1.000 mit einer Hüftverrenkung (Luxation).
©Dr. med. Hans Dieter Matthiessen

Werden diese nicht erkannt und behandelt, können sie im späteren Leben zu frühzeitigem Gelenkverschleiß führen, der im schlimmsten Fall eine Hüftgelenksersatzoperation notwendig macht.

In der Vergangenheit war es sehr schwierig, beim Säugling Hüftdysplasien oder Verrenkungen des Hüftgelenks genau zu diagnostizieren. Mithilfe klinischer Untersuchungsmethoden - also durch Betasten - waren diese Fehlstellungen kaum zu diagnostizieren; und von routinemäßigen Röntgenuntersuchungen wurde aus naheliegenden Gründen abgesehen. Ungefähr die Hälfte aller Hüftfehlstellungen wurde bei Neugeborenen deshalb übersehen.

Das änderte sich erst, nachdem der österreichische Orthopäde Prof. Dr. Reinhard Graf Ende der 70-er Jahre ein verblüffend einfach zu handhabendes, sonographisches Untersuchungsverfahren (Ultraschall) der Säuglingshüfte einführte, dass bereits unmittelbar nach der Geburt eingesetzt werden konnte. Graf erarbeite darüber hinaus eine Klassifizierung, mit deren Hilfe die Formentwicklung der Hüfte dokumentiert und eingeordnet werden konnte (siehe Grafik der Wachstumskurven).

Mittlerweile gehört die Hüftsonographie zum ,,golden Standard" in jeder kinderorthopädisch orientierten Praxis. Und das ist gut so, denn nur, wenn der Entwicklungszustand des kindlichen Hüftgelenkes exakt diagnostiziert wird, ist es in der Regel sehr einfach, eventuelle Dysplasien mit Hilfe einer Beugeschiene vollständig zur Ausheilung zu bringen. Selbst Hüftverrenkungen werden heutzutage im Regelfall innerhalb der ersten drei Lebensmonate geheilt, so dass spätere operative Eingriffe bis hin zum Einsatz eines künstlichen Hüftgelenkes nicht mehr nötig sind.

Voraussetzung: Die Behandlung einer schweren Dysplasie beginnt unmittelbar nach der Geburt. Jede Säuglingshüfte sollte also sofort, nachdem der kleine Mensch das Licht der Welt erblickt hat, sonographisch untersucht werden. Das kindliche Skelett verfügt zu diesem frühen Zeitpunkt über seine größte Wachstumspotenz, Dysplasien und Luxationen können mit gezielten Druck-, Zug- und Bewegungsreizen meist vollständig ausgeheilt werden.

Die seit 1996 in Deutschland im Rahmen der so genannten Vorsorgeuntersuchung U3 geläufige ,,Screening-Untersuchung" beim Kinderarzt oder beim Orthopäden sollte also unbedingt wahrgenommen werden! Leider kommt es immer wieder vor, dass Kinder zu spät zur Untersuchung kommen und dann mit konservativen, einfachen Methoden nicht mehr behandelt werden können. Vielfach sind dann operative Eingriffe notwendig.

Noch besser als eine Untersuchung in der vierten bis sechsten Lebenswoche wäre eine Hüftsonographie bei allen Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt. Mit den Kassen wurde mittlerweile ein bezahlbarer Kompromiss vereinbart: Wenn in der Familie des Neugeborenen schon einmal Hüftdysplasien aufgetreten sind, erfolgt die Ultraschalluntersuchung direkt nach der Geburt; ansonsten in der vierten bis sechsten Lebenswoche.

Entwicklung der kindlichen Hüfte

Nach neun Monaten Schwangerschaft hat sich der neue Mensch so weit entwickelt, dass er in die Welt hinaus kann. Abgeschlossen ist seine Entwicklung jedoch noch nicht. Sein Skelett besteht hauptsächlich aus Knorpel (Mediziner reden vom Primordialskelett) und verknöchert

erst nach der Geburt bis zum Wachstumsabschluss durch die so genannten Wachstumsfugen. Die Wachstumsfugen befìnden sich jeweils an den Enden langer Röhrenknochen in Gelenknähe. Je größer das Kind im Mutterleib wird, umso weniger Platz hat es. Dadurch bedingt wird etwa vier bis sechs Wochen vor der Geburt die Hüfte stark eingeengt - ganz besonders, wenn sich das Kind in einer Beckenendlage befindet, also mit dem Po nach unten in der Gebärmutter ,,sitzt". Das Wachstum der Hüftpfanne wird deshalb stark vermindert. Das ist der Grund dafür, dass die Hüftgelenke von Neugeborenen nach

der Geburt noch nicht vollständig ausgereift sind und sich im Stadium einer physiologischen Entwicklungsverzögerung befinden. Diese wird jedoch schon in den ersten Lebenswochen

sehr schnell durch die exponenzielle Wachstumspotenz aufgeholt. Graf hat dieses Wachstum als ,,Nachverknöcherung bezeichnet.

Ärzte auf Orthinform in Ihrer Umgebung

Passende Lexikonartikel

Fehler: Ihr Standort konnte nicht ermittelt werden.

Leider konnten wir mit Hilfe des Browsers Ihren ungefähren Standort nicht ermitteln, weitere Informationen erhalten sie auf der Seite aktueller Standort.