Linderung von Beschwerden mittels Hydrotherapie

Ganz gleich ob innerlich oder äußerlich, heiß oder kalt, als Dampf, Eis oder in flüssiger Form – die Behandlung mit Wasser, die Hydrotherapie, gibt es schon seit der Antike. Bereits die Griechen glaubten, dass im Wasser eine besondere Heilkraft liegt.
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Die Römer bauten öffentliche Bäder, die sich zu Erholungs- und Gesellschaftszentren der Städte entwickelten – quasi als Vorläufer der heutigen Kurorte. Im 19. Jahrhundert setzten vor allem Vincenz Prießnitz und Sebastian Kneipp Akzente in der Weiterentwicklung der Hydrotherapie. Bei diesen Heilbehandlungen setzen die Therapeuten Wasser in verschiedenen Temperaturen und Formen ein, je nach Krankheitsbild mit kaltem, warmem, wechselwarmem, heißem Wasser oder mit Wasserdampf. Der Hydrotherapie werden verschiedene Wirkungen zugesprochen: Sie soll Gelenk- und Muskelbeschwerden lindern, den Kreislauf und das Immunsystem stärken, dadurch zu milderen Krankheitsverläufen beitragen und Infekten vorbeugen.

Die Durchblutung anregen und den Blutdruck senken, die Muskulatur entspannen und Stress abbauen. In der Orthopädie und Physiotherapie ist die Hydrotherapie anerkannt und gängig, insbesondere zur Linderung von Gelenk- und Muskelschmerzen. Die Hydrotherapie ist allerdings nicht für jeden uneingeschränkt empfehlenswert: Bei akuten und chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krampfadern, Hautentzündungen mit offenen Wunden und grippalen Infekten sollten Sie jedoch auf die Hydrotherapie verzichten, bis die Beschwerden abgeklungen sind.

In der Hydrotherapie kommen unter anderem folgende Anwendungen zum Einsatz:

  • Wassertreten: Die Patienten durchwaten ein Becken mit etwa kniehohem, kaltem Wasser.
  • Kneippsche Güsse oder Flachgüsse: Mit geringem Druck zielt der Wasserstrahl auf Arme, Beine, Rücken, Gesicht oder den ganzen Körper der stehenden Person. Beginnen sollte man möglichst "herzfern", zum Beispiel mit den Füßen und den Streckseiten der Arme, ehe man mit dem Strahl langsam in Richtung Körpermitte oder Kopf zielt.
  • Druckstrahlgüsse oder Blitzgüsse: Der Therapeut richtet dabei den Wasserstrahl mit mittlerem oder starkem Druck auf den Körper des Patienten.
  • Wickel und Packungen: Dabei bedeckt ein feuchtes Innentuch entweder nur einzelne Körperstellen oder mehr als die Hälfte der Körperoberfläche. Ein trockenes Außentuch "verpackt" diesen Umschlag.
  • Abreibungen und Waschungen: Man legt ein feuchtes Tuch oder einen angefeuchteten Handschuh auf die betreffende Körperstelle und reibt sie kreisförmig mit der Hand ab. Dies regt die Durchblutung in diesem Bereich an.
  • Bewegungsbäder: Bei Erkrankungen der Wirbelsäule oder Knochenbrüchen können im Wasser gymnastische Übungen, manchmal in Kombination mit Unterwassermassagen, die Heilung unterstützen.
  • Bäder: Es gibt sogenannte Hydrotherapie-Teilbäder, bei denen nur die Arme und Beine in kaltem und/oder heißem Wasser stehen. Bei Bürstenbädern massieren Bürsten die Haut. In einem Stangerbad sorgt ein sanfter Stromreiz im Wannenwasser für den hydrotherapeutischen Effekt, lindert Schmerzen und fördert die Durchblutung.
  • Dämpfe: Heißer Wasserdampf, der evtl. mit Kräutern versetzt ist, entfaltet seine wohltuende Wirkung z.B. in Saunen und türkischen Dampfbädern. In Kombination mit gelöstem Meersalz eignet sich diese Form der Hydrotherapie besonders für Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen, z.B Asthma bronchiale oder chronische Bronchitis.

1. Kann sich Wärme bei Gelenkschmerzen (z.B. ausgelöst durch Rheuma, Arthrose, Gicht) wohltuend auf Beschwerden auswirken? Daran schließt sich die Frage an: Kann warmes Thermalwasser die Gelenkschmerzen lindern? Kann das die Lebensqualität steigern? Gibt es Studien dazu?

Bei akuten, also plötzlich auftretenden, Schmerzen wie bei Verletzungen von Bändern, Muskeln oder Wundschmerzen nach Operationen hilft meist Kälte. Dies gilt auch insbesondere für entzündlich-rheumatische Erkrankungen. Kälte kann Schmerzen lindern, sie wirkt betäubend und dämpft den Entzündungsprozess, indem sie den Stoffwechsel im Gelenkbereich verlangsamt. Auf keinen Fall sollte Wärme bei einem akut entzündeten oder geschwollenen Gelenk zur Anwendung kommen. Die Wärme „kurbelt“ nämlich den Entzündungsprozess der Gelenkerkrankung zusätzlich an und kann auch die Gelenkschmerzen verschlimmern. Bei chronischen, also dauerhaft auftretenden, Beschwerden ist hingegen eher Wärme sinnvoll. Die Wärmeanwendung ist somit eher bei chronisch degenerativen und nicht akut entzündlich gereizten Gelenken sinnvoll. Hierbei wirkt sich der Effekt der Wärme eher auch das umliegende Gewebe aus und entspannt die Muskulatur. Zusätzlich wird die Durchblutung gefördert. Es existiert eine wissenschaftliches systematisches Review aus dem Jahr 2021, aber nur bezüglich der Kneipp-Therapie. Hierbei ergaben sich bei zahlreichen Beschwerdebildern in verschiedenen Patientenkollektiven positive Effekte. In dieser Studie waren allerdings multiple auch nicht orthopädische Krankheitsbilder eingeschlossen. Weiterhin findet sich wissenschaftlich die Empfehlung, die chronischen Beschwerden bei Arthrose mit milder Wärme zu behandeln, demgegenüber akute Schmerzen (aktivierte Arthrose) mit Eispackungen oder Eismassagen zu therapieren.

Unter Eispackungen/Eismassagen konnten bei Gonarthrose günstige Effekte in Bezug auf Mobilität und Schwellung beobachtet werden. Physiotherapeutische Maßnahmen mit Kräftigung der gelenkführenden/-stabilisierenden Muskulatur werden bei ausreichender Evidenzlage als Therapie der 1. Wahl angesehen. Für die Bewegungstherapie gibt es Daten für spezifische Effekte bezüglich Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung. Somit ist Wärme auch wissenschaftlich überprüft nur dann indiziert, wenn das Gelenk nicht entzündet oder geschwollen ist. Die Wärme sollte nicht direkt auf dem Gelenk angewendet werden, sondern um das Gelenk herum. Letztendlich kommt es dann zu einer Erweiterung der Blutgefäße und damit auch einem vermehrten Nährstoffangebot am Bestimmungsort, Wärme entspannt die Muskeln und dies wirkt sich positiv auf den Grundtonus der Muskeln aus. Nachdem sich auch die Muskelfasern entspannen, lassen die Beschwerden nach und mehr Bewegung ist wieder möglich. Wie diese Wärme angewendet wird, ist letztendlich egal. Warmes Thermalwasser ist durchaus geeignet hier Linderung herbei zu schaffen, andere Applikationsformen der Wärme wie z.B. Moorpackungen, warme Wickel, Teilbäder der Extremitäten usw. sind ebenfalls möglich. Grundsätzlich gilt, dass feuchte Wärme besser wirkt als trockene Wärme.

Entsprechende Anwendungen von feuchter Wärme können somit die Lebensqualität wenn auch meist nur temporär steigern. Bezüglich der reinen Thermotherapie sei es Kälte- oder Wärmeanwendungen, obwohl weiter verbreitet, finden sich bislang nur wenige kontrollierte Studien zur Anwendung. Bei der nicht feuchten Infrarottherapie konnten keine signifikanten Effekte in Bezug auf Funktion, Aktivität und Partizipation sowie Lebensqualität festgestellt werden. Der Wirkeffekt von Thermal- und Mineral-bädern bei Arthrosepatienten ist anhand der aktuellen Studienlage nicht beurteilbar. Es existiert ein Review aus der Cochrane Database aus dem Jahr 2007 mit einer kurzfristigen Wirkung auf Schmerzfunktion, Lebensqualität und Schmerzmitteleinnahme.

2. Bei manchen Betroffenen ist die Erkrankung so schlimm, dass sie sich kaum noch bewegen können. Wärme hilft ihnen aber. Ist das auch eine Ihrer Erfahrungen?

Hier muss man erneut zwischen entzündlich-rheumatischer Erkrankung im Akutstadium, bei welcher durchaus erhebliche schmerzhafte Funktionseinschränkungen vorliegen können und in Folgezuständen von degenerativen Erkrankungen unterscheiden. Bei den hoch akuten entzündlich-rheumatischen Schüben ist Wärme definitiv kontraproduktiv und führt eher noch zu einer Verschlimmerung. Hier sind medikamentöse Maßnahmen wie z.B. kurzfristige höherdosierte Cortisoneinnahmen oder aber auch entsprechende entzündungshemmende Schmerzmittel angezeigt. Bei hoch aktiven degenerativen Veränderungen im Sinne eines Arthroseschmerzes gilt ähnliches. Im entzündeten Stadium ist Kälte somit definitiv besser. Insofern kann ich diese Erfahrung nicht bestätigen.

Hingegen führt die Wärmetherapie im subakuten und chronischen Stadium z.B. bei der Arthrose großer und kleiner Gelenke zur Steigerung der Durchblutung mit Verbesserung der lokalen Trophik und einer Muskelentspannung und damit einer Anhebung der Schmerzschwelle.

Bei der Entscheidung für Wärme oder Kälte hilft eine einfache Faustregel:

Kühlen bei akuten Verletzungen oder Entzündungen, Wärmen bei verspannten Muskeln und steifen Gelenken sowie chronischen Leiden.

3. Manche Patientinnen und Patienten schwören auf warmes Thermalwasser. Auch nutzen viele gern Infrarotkabinen (die auch in den Einrichtungen angeboten werden). Doch nicht jeder hat eine Therme in seiner Nähe. Was ist zum Beispiel der Unterschied zum heißen Bad in der heimischen Badewanne? Und welche alternativen Möglichkeiten gibt es, Gelenkschmerzen mit Wärme zu lindern? (Warme Umschläge? Wärmepflaster? Kirschkernkissen? Wärmflasche?)

Wie ausgeführt hat eine feuchte Wärmetherapie durchaus eine bewegungsfördernde und schmerzstillende Wirkung, deswegen ist es nachvollziehbar, dass die Patienten auf derartige Therapiemaßnahmen schwören. Bezüglich der Infrarotkabinen besteht keine wissenschaftliche Evidenz der Wirksamkeit. Viele Patienten wissen aber, dass sie sich in warmen Gefilden sich deutlich besser bewegen können, deswegen kann auch hier die positive Wirkung nachvollzogen werden. Der Unterschied einer Thermaltherapie zu beispielsweise einem heißen Bad in der heimischen Badewanne kann vielfältig sein. Zum einen enthält das Thermalwasser aus der Tiefe viele Mineralstoffe wie Magnesium, Calcium, Schwefel, Jod oder Kohlendioxid. Dieses angerechnete Heilwasser ist bei genügend hohen Konzentrationen gesundheitsfördernd. Durch besonderen Reiz dieses Heilwassers kommt es an der Körperoberfläche auch zu chemischen und physikalischen Reaktionen. Dies mag begründen, dass die Wirksamkeit von echten Thermalbädern vorliegt. Hinzukommt aber auch die Wirkung des hydrostatischen Druckes im Wasser mit Verbesserung von Venenfunktion, Gewebeentwässerung und Aktivierung des Stoffwechsels. Thermalbäder hellen außerdem auch die Stimmung auf, vermutlich weil sie im Körper die Produktion wichtiger Bodenstoffe wie z.B. Serotonin anregen. Die Senkung des Cortisolspiegels durch ein warmes Bad von 25 Minuten ist ebenfalls wissenschaftlich nachgewiesen.

Sollte eine Anwendung von Thermalwasser nicht möglich sein, bieten sich lokale Anwendungen mit Packungen, Peloiden, Auflage von Wickel, Teil-Naturteilbädern wie auch eine heimische Infrarottherapie an. Grundsätzlich ist aber hier die eher Anwendung von feuchter Wärme der Vorzug zu geben. Die Anwendung von Wärmepflastern bei Rückenschmerzen ist wissenschaftlich nachgewiesen.

4. Es zeichnet sich ab, dass sich die Energiekrise in diesem Winter auf die Thermenbetreiber auswirken wird. Szenario 1: Kommunale Thermenbetreiber bekommen von der Politik Vorgaben, die Temperatur des Wassers abzusenken (Saunen wurden ja bereits größtenteils geschlossen). Szenario 2: Wenn kein Gas mehr geliefert werden sollte, dann befürchten Thermenbetreiber, dass sie schlimmstenfalls ihre Einrichtungen schließen müssen. Könnte sich das Ihrer Einschätzung nach negativ auf den Gesundheitszustand von älteren Menschen mit Gelenkbeschwerden auswirken? Ist zu befürchten, dass sich dadurch die Schmerzen verschlimmern könnten? Was würden Sie Betroffenen raten, die sich jetzt Sorgen machen, dass sie ihre Lieblingstherme nicht mehr nutzen können?

Die aktuelle Energiekrise und damit verbundenen höheren Energiekosten betreffen naturgemäß insbesondere Bäder, die viel Energie brauchen um das Wasser in den Becken aufzuheizen. In wie weit die kommunalen Thermenbetreiber auf diese Problematik reagieren ist schwer abzuschätzen. Durchaus sind aus meiner Sicht auch temporäre Schließungen denkbar. Insgesamt erwarte ich aber keine wesentlichen negativen Folgen auf den Gesundheitszustand von älteren Menschen mit Gelenkbeschwerden, da wie bereits ausgeführt durchaus Alternativen der Wärmetherapie vorhanden sind. Hier ist nun tatsächlich Einfallsreichtum gefragt. Eine Anwendung einer Thermotherapie ist somit im häuslichen Bereich als Alternative gut möglich.

Verwiesen werden soll in diesem Zusammenhang aber auf die fast wichtigste Therapie der Gelenkarthrose nämlich der bewegungstherapeutischen Verfahren, wie Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining. Dieses Training hat in der Behandlung degenerativer aber auch entzündlicher Gelenkerkrankungen in den letzten Jahren als wichtiger Bestandteil der konservativen Therapie eine zunehmende Bedeutung erhalten! Bewegungstherapeutische Behandlungsanteile sollten bei Patienten mit Gelenkarthrose festen Bestandteil im Behandlungsregime einnehmen.

In einem sehr groß angelegten Review der amerikanischen Akademie für Orthopädie (AAOS) wurden 15 Therapieoptionen der Gelenkarthrose mit besonderer Berücksichtigung des Kniegelenkes überprüft. Hier fanden sich unter allen Therapieoptionen, welche sowohl konservative als operative Therapiemaßnahmen berücksichtigten genau 3 Empfehlungen:

1. Teilnahme der Patienten an Schulungsprogrammen, körperliches Training.

2. Gewichtsreduktion

3. Schmerzmittel.

Alle anderen Maßnahmen einschließlich der balneo-physikalischen Therapie hatten (leider) keine Evidenz.

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