Gicht
Die Gicht ist eine Stoffwechselerkrankung, verursacht durch eine entzündliche Reaktion auf Harnsäurekristalle. Diese entstehen aufgrund eines dauerhaft erhöhten Harnsäurespiegels im Blut (Hyperurikämie) und führen zu schmerzhaften Entzündungen in den Gelenken. Die Erkrankung kann mithilfe einer harnsäuresenkenden medikamentösen Therapie geheilt werden.
Häufigkeit
Erhöhte Blutspiegel der Harnsäure (Hyperurikämie) treten bei etwa zwei bis 18 Prozent der Bevölkerung auf. Nicht bei jedem Betroffenen führt diese Hyperurikämie aber auch zu einer Gichterkrankung. Ob es zum Ausbruch der Gicht kommt, ist stark vom Lebensstil abhängig. Knapp fünf Prozent der Männer mit stark erhöhten Harnsäure-Spiegeln (über neun Milligramm pro Deziliter) erkranken erstmals an Gicht. Der Anteil an Gichtkranken in der Bevölkerung steigt mit dem Lebensalter.
Ursachen
Die Gicht entsteht in nur 10 Prozent der Fälle aufgrund einer Harnsäure-Überproduktion. In 90 Prozent der Fälle ist sie durch eine Minderausscheidung von Harnsäure durch die Nieren bedingt.
Die durch eine Harnsäureüberproduktion verursachte Gicht ist Folge von Tumoren, Fruktose-Überfluss, Alkohol, schwerer körperlicher Betätigung, Übergewicht oder erhöhten Fettwerten im Blut.
Gicht, die auf der Minderausscheidung von Harnsäure durch die Nieren beruht, wird häufig durch bestimmte Arzneimittel ausgelöst: harntreibende Substanzen/Thiazide, Acetylsalicylsäure/ASS, körperabwehrhemmende Medikamente wie Cyclosporin A und Tacrolimus, Chemotherapeutika gegen Tuberkulose wie Ethambutol/Pyrazinamid oder ein Standardmedikament bei Schüttellähmung (Parkinson-Krankheit)/L-Dopa.
Insgesamt wird der Harnsäure-Blutspiegel wesentlich bestimmt durch Körpergewicht und -größe, Körperoberfläche, Nierenfunktion, Blutdruck, Alkoholkonsum und erbliche Veranlagung.
Symptome und Verlauf
Als erstes Zeichen einer Gicht tritt in den meisten Fällen eine akute, sehr schmerzhafte Entzündung an einem einzelnen Gelenk auf – der Gichtanfall. Dieser äußert sich in einer Rötung und Schwellung des Gelenks und in starken Schmerzen, die sowohl in Ruhe als auch in Bewegung auftreten. Ohne spezielle Behandlung endet ein Gichtanfall innerhalb von ein bis zwei Wochen. Ein weiterer Anfall tritt bei 78 Prozent der Patienten innerhalb von zwei Jahren auf.
Durch wiederholte Anfälle im gleichen Gelenk wird dieses dauerhaft geschädigt; man spricht von einer chronischen Gelenkgicht. Bei chronischer Gicht werden in einem Drittel der Fälle knotige Ablagerungen der Harnsäure-Kristalle (Tophi) sichtbar. Diese Knoten können in seltenen Fällen durchaus auch sehr groß werden, sofern die Betroffenen an einer endgradigen Nierenschwäche, einem vermehrten Ausstoß an Nebenschilddrüsenhormon (Hyperparathyreoidismus) oder an einer weiteren schweren rheumatischen Krankheit (systemischer Lupus erythematodes, Sklerodermie) leiden. Die Gichtknoten können operativ entfernt werden, um das Gelenk vor weiteren Schäden zu bewahren.
Bei einer länger bestehenden chronischen Gicht lagern sich die Harnsäure-Kristalle nicht nur in den Gelenken ab, sondern auch in Sehnen, Haut und Nieren. Bleibt die Gicht unbehandelt, führt sie langfristig zu einer Zerstörung des Bewegungsapparates, zur Bildung von Nierensteinen und einer schweren Schädigung der Nieren.
Diagnose
Die Gicht lässt sich typischerweise durch ihren akuten Beginn, den Befall bestimmter Gelenke (Großzehengrundgelenk/Abb. 1, Mittelfuß, Sprunggelenk, Kniegelenk) deren Rötung, Schwellung und Überwärmung sowie die starken Ruhe- und Bewegungsschmerzen diagnostizieren. Die Diagnose kann durch eine Ultraschall- oder Röntgenuntersuchung gesichert werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Gewinnung von Harnsäurekristallen aus den knotigen Ablagerungen oder der Gelenkflüssigkeit, die anschließend unter dem Mikroskop untersucht werden. Wichtig ist die Abgrenzung anderer Entzündungsursachen, insbesondere die infektiöse Gelenkentzündung oder die Ablagerung anderer Kristalle, die sich zum Beispiel in einer Verkalkung von Knorpel und Sehnen eines Gelenkes äußern (Abb. 2, 3 und 4).
Therapie / Was kann der Patient selbst tun?
Akuttherapie während des Gichtanfalls
Der Gichtpatient kann während des Anfalls mit schmerz- und entzündungshemmenden Substanzen behandelt werden, die in der Regel zu einer schnellen Schmerzlinderung führen, jedoch nicht den Harnsäurespiegel senken. Hierbei kommen Schmerzmittel wie Etoricoxib, Naproxen oder Indomethacin (jeweils in Höchstdosis), Kortisonpräparate als Tablette oder als Gelenkinjektion sowie das Pflanzengift Colchicin zum Einsatz. Neuere Therapieansätze nutzen biologisch hergestellte Abwehrsubstanzen, die in den Entzündungsprozess drastisch eingreifen (Anakinra/Canakinumab).
Wichtig ist, während des Anfalls die bisherige harnsäuresenkende Therapie (siehe Behandlung der chronischen Gicht) nicht zu verändern. Aktuelle Forschungsergebnisse belegen den Nutzen, auch im Gichtanfall eine harnsäuresenkende medikamentöse Therapie zu beginnen.
Behandlung der chronischen Gicht
Die chronische Gicht (Abb. 5) kann einerseits mit Substanzen behandelt werden, die die Harnsäure-Produktion mindern (Urikostatika) oder die Harnsäure-Ausscheidung fördern (Urikosurika). Mithilfe einer solchen Behandlung kann der Harnsäure-Spiegel im Blut dauerhaft gesenkt und die Gichterkrankung damit geheilt werden. Der Harnsäure-Spiegel sollte einen Wert unter 6,0 Milligramm pro Deziliter erreichen, damit auch bereits im Körper abgelagerte Harnsäure-Kristalle mobilisiert und mit dem Urin ausgeschieden werden.
Substanzen, die die Harnsäure-Ausscheidung erhöhen (Probenecid, Benzbromaron), erfordern eine Überwachung der Leberfunktion, eine hohe tägliche Urinausscheidung und, zur Vermeidung von Harnsäure-Nierensteinen, einen sauren Harn (pH-Wert von 6,3‑6,7). In Deutschland ist eine neuere Substanz, die die Harnsäure-Ausscheidung mit dem Urin vermehrt (Lesinurad) nicht als Medikament zugelassen.
In Ausnahmefällen bei schwerem Gichtverlauf mit großen Knoten und Gelenkschäden kann als Harnsäure-abbauende Substanz das Eiweiß Pegloticase Verwendung finden. Dieses birgt allerdings das Risiko schwerer allergischer Reaktionen.
Sollte gleichzeitig ein erhöhter Blutdruck behandelt werden müssen, senkt der Wirkstoff Losartan sowohl Blutdruck als auch Harnsäure-Spiegel. Im Falle einer Fettstoffwechselstörung senkt Fenofibrat Blutfette und Harnsäure.
Ernährung bei Gicht
Ausgesprochen wichtig ist eine Ernährung, die arm an Purinen ist. Purine sind lebensnotwendige Bausteine der Zellen von Mensch, Tier und Pflanze. Beim Abbau von Zellen werden diese Purine freigesetzt und vom Körper anschließend zu Harnsäure umgewandelt. So kommt es einerseits zur körpereigenen Bildung von Purinen und zusätzlich zu deren Aufnahme über die Nahrung. Eine purinfreie Ernährung reduziert nach zehn Tagen den Harnsäure-Blutspiegel um 25 Prozent. Betroffene sollten sich daher purinarm ernähren, wie auch die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin empfiehlt (siehe Literatur und weiterführende Links).
Günstig für eine solche Ernährung sind:
- Obst, wie Honigmelonen, Pfirsiche und Kirschen
- Gemüse und Salate
- Alle vegetarischen Speisen, auch wenn sie viele Purine enthalten
- Oliven- und Rapsöl sowie Nüsse und magere Milchprodukte
- Vitamin C
- Viel Wasser trinken, außerdem viel Bewegung an der frischen Luft
Vermieden werden sollten:
- Alkohol: Für Männer scheinen 1/4 Liter und für Frauen 1/8 Liter Wein am Tag nicht mit einem vermehrten Auftreten von Gicht einherzugehen. Die gleiche Menge an Alkohol in anderer Form, wie zum Beispiel Bier und „Hochprozentigem“ aber sehr wohl.
- Gesüßte Getränke, Fruchtsäfte, Cola
- Fruchtzucker(fructose)reiche Nahrungsmittel wie Äpfel und Orangen
- Fettes Essen, zum Beispiel tierische Fette, die häufig in Wurstwaren und fettem Fleisch vorkommen
- Innereien, Muscheln und Krebse
- Rauchen
Literatur und weiterführende Links
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin: Leitlinie „Akute Gicht in der hausärztlichen Versorgung“ und Patientenleitlinie „Gicht“
Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie: S2e-Leitlinie Gichtarthritis
Deutsche Gicht-Liga: Informationen zur Ernährung
Deutsche Rheuma-Liga: Weiterführende Informationen für Gichtpatienten
FAQ - Häufig gestellte Fragen: Gicht
Was ist Gicht?
Gicht ist eine schmerzhafte Form der Arthritis, die durch eine Störung des Harnsäurestoffwechsels im Körper verursacht wird. Es tritt auf, wenn sich Harnsäurekristalle in den Gelenken ansammeln und Entzündungen und Schwellungen verursachen.
Was sind die Symptome von Gicht?
Die Symptome von Gicht können plötzlich auftreten und umfassen starke Schmerzen, Schwellungen, Rötungen und Hitze in den betroffenen Gelenken. Typischerweise betrifft Gicht häufig das große Zehengelenk, kann aber auch andere Gelenke wie Knie, Knöchel, Handgelenke und Ellenbogen betreffen.
Was verursacht Gicht?
Gicht wird durch eine Ansammlung von Harnsäure im Körper verursacht. Harnsäure entsteht, wenn der Körper Purine abbaut, eine Substanz, die in bestimmten Lebensmitteln wie Innereien, Meeresfrüchten, rotem Fleisch und alkoholischen Getränken vorkommt. Wenn der Körper zu viel Harnsäure produziert oder nicht genug davon ausscheidet, können sich Harnsäurekristalle bilden und zu Gicht führen.
Wer ist gefährdet, Gicht zu entwickeln?
Menschen, die übergewichtig sind, eine familiäre Veranlagung haben, eine schlechte Ernährung haben (reich an Purinen), Alkoholmissbrauch betreiben oder bestimmte Medikamente einnehmen, haben ein höheres Risiko, Gicht zu entwickeln. Männer sind auch häufiger betroffen als Frauen.
Wie wird Gicht diagnostiziert?
Um Gicht zu diagnostizieren, wird in der Regel eine körperliche Untersuchung durchgeführt, bei der der Arzt die betroffenen Gelenke untersucht und nach Anzeichen von Entzündungen sucht. Zusätzlich können Bluttests durchgeführt werden, um den Harnsäurespiegel im Blut zu überprüfen, sowie bildgebende Verfahren wie Röntgen oder Ultraschall, um nach Harnsäurekristallen in den Gelenken zu suchen.
Wie wird Gicht behandelt?
Die Behandlung von Gicht zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, Entzündungen zu reduzieren und zukünftige Gichtanfälle zu verhindern. Dies kann die Verwendung von entzündungshemmenden Medikamenten, Schmerzmitteln und speziellen Gicht-Medikamenten umfassen. Darüber hinaus können Lebensstiländerungen wie eine purinarme Diät, Gewichtsabnahme und Reduzierung des Alkoholkonsums helfen.
Kann Gicht verhindert werden?
Obwohl es keine absolute Möglichkeit gibt, Gicht zu verhindern, gibt es bestimmte Maßnahmen, die helfen können, das Risiko von Gichtanfällen zu verringern. Dazu gehören die Aufrechterhaltung eines gesunden Körpergewichts, die Vermeidung von purinreichen Lebensmitteln, die Begrenzung des Alkoholkonsums und die ausreichende Flüssigkeitszufuhr, um die Harnsäureausscheidung zu unterstützen.
Ist Gicht heilbar?
Gicht ist nicht heilbar, kann aber mit der richtigen Behandlung und Lebensstiländerungen gut kontrolliert werden. Es ist wichtig, dass Menschen mit Gicht ihre Medikamente einnehmen, eine gesunde Ernährung einhalten und ihren Lebensstil anpassen, um das Risiko von Gichtanfällen zu reduzieren und langfristige Schäden an den Gelenken zu verhindern.