Ach du dickes Knie!

Rehabilitation sei nicht nur auf körperliche Wiederherstellung ausgerichtet, sondern auch darauf, dass der Patient seine persönliche Würde wiedererlangen und seinen Platz in der Gesellschaft wieder einnehmen kann. So schrieb es im Jahr 1844 schon Hofrat und Professor Franz Josef von Buß. Und so ist es heute immer noch.
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Endlich Sommer! Der nicht enden wollende Winter und der verregnete Frühling stecken Ihnen noch in den Knochen. Sie sind noch nicht besonders fit, wollen sich aber endlich wieder bewegen, Ihren Herzschlag und den Wind im Haar spüren. Völlig untrainiert schnallen Sie sich Ihre Inlineskates an und rollen los.

Plötzlich: ein Stein auf dem Asphalt. Sie weichen aus, kriegen die Kurve nicht, rudern mit den Armen – und stürzen. Dummerweise verdrehen sich ihre Beine in- und umeinander. Es knirscht im Knie und sticht, dann schwillt es an.

„Ein Kreuzbandriss“ stellt der Arzt im Krankenhaus fest. „Das muss operiert werden.“ Vielen Ihrer Leidensgenossen geht es wenige Wochen nach der Operation wieder gut. Sie jedoch behalten ein instabiles Gefühl im Kniegelenk, obwohl Ihnen der Physiotherapeut bescheinigt, dass Ihre Muskulatur wieder in Ordnung ist.

Nun verordnet Ihnen Ihr Orthopäde eine Rehabilitation. Sie haben Glück, der Kostenträger bewilligt die „Reha-Maßnahme“, wie es im Fachjargon heißt. Was erwartet Sie, was kommt auf Sie zu, was unterscheidet die Reha von der Krankengymnastik?

Behandlungsschema aufstellen

Nach den formalen Vorbereitungen, bei denen Sie vielleicht auch schon ein Therapieschema bekommen haben, erfolgt in der Reha-Einrichtung zunächst die ärztliche Aufnahmeuntersuchung. Dabei können und sollten Sie Ihrem Arzt noch einmal ganz genau Ihre Probleme, Ihre Unsicherheit, vielleicht auch Ihre mangelnde Ausdauer schildern.

Ihr Arzt wird nicht nur das betroffene Knie, sondern auch Hüfte und Wirbelsäule sowie Fuß und das nicht verletzte Knie gründlich untersuchen. Wundern Sie sich nicht, wenn er dabei auch Fehlhaltungen der Wirbelsäule oder des Hüftgelenkes feststellt – diese können sich herausbilden, wenn Sie das schmerzende Knie falsch belasten oder ständig zu schonen versuchen.

Aus dem Gesamtbild, das der Arzt bei dieser Untersuchung gewinnt, leitet er die Richtlinien und Schwerpunkte für Ihre Behandlung ab.

Neue Beweglichkeit lernen

Eine Reha-Einrichtung hat verschiedene Abteilungen, in denen Orthopäden mit Ergotherapeuten, Krankengymnasten, Trainingstherapeuten und Psychologen Hand in Hand arbeiten. In der Krankengymnastik finden meist Einzelbehandlungen statt, mit denen die Gelenkbeweglichkeit verbessert wird.

Dazu gehört auch, dass Sie selbst aktiv verlorengegangene Beweglichkeit wieder erlernen. Bestimmte Massagetechniken an den Bändern lindern die Schmerzen, so dass Sie dem Knie mehr Belastung zutrauen (Meistens kann ein Patient nach einer Operation mehr, als er sich zutraut!).

Wie bereits erwähnt: Nach mehreren Wochen, in denen Sie aufgrund Ihrer Schmerzen das verletzte Knie nicht richtig belastet haben, kann sich eine Fehlhaltung der Wirbelsäule entwickelt haben.

Durch winzige Verschiebungen zwischen den Wirbeln, so genannten Blockierungen, entstehen Fehlfunktionen, die auch die muskuläre Steuerung der knieführenden Muskulatur beeinflussen – ein Teufelskreis, der nicht nur am Knie, sondern auch an der Wirbelsäule gelöst werden muss.

So genannte manualmedizinische Techniken, auch Chirotherapie genannt, können die Blockierungen lösen, und Sie können sich wieder auf Ihr Kniegelenk konzentrieren.

Feinmotorik schulen

Die Trainingstherapie baut auf den krankengymnastischen Übungen auf. Sie trainieren Kraft und Ausdauer - zwar unter „Aufsicht“ aber doch in eigener Verantwortung. „Das habe ich vorher auch schon getan“ - mögen Sie einwenden. Haben Sie dabei auch an die Koordination gedacht?

Das hochkomplizierte Zusammenspiel von Beuge- und Streckmuskulatur steuern Sie zum einen kraft Ihres Willens. Gleichzeitig unterliegt es einer unwillkürlichen Feinsteuerung, die automatisch abläuft. So werden beispielsweise kleine Unebenheiten im Untergrund in Sekundenbruchteilen durch entsprechende Gegenregulation ausgeglichen.

Damit das funktioniert, sitzen in den Muskeln und Sehnen kleine Dehnungsrezeptoren, vergleichbar den Thermostaten einer Heizung, die die Raumtemperatur regulieren. Ein Teil dieser Rezeptoren sitzt in den Kreuzbändern. Ihres ist aber leider kaputt! Bei der Operation wurde es durch anderes Sehnenmaterial ersetzt. Andere Nervenstrukturen müssen die unbewusste Feinregulation also neu lernen.

Viele Übungen in der Trainingstherapie zielen darauf ab, etwa das Stehen auf einer „Wackelplattform“. Eine ambulante Krankengymnastik ist meistens nicht ausreichend – niemand kann in zwei 20Minütigen Übungseinheiten pro Woche seine Feinmotorik auf Vordermann bringen.

Wieder alltagsfit werden

Was müssen Sie tun, damit Sie ihren Beruf wieder aufnehmen können? In der Ergotherapie werden berufliche Situationen, beispielsweise das Stehen auf einer Leiter und gleichzeitiges Heben oder Überkopfarbeiten, „nachgestellt“ und mit Ihnen geübt. Der Ergotherapeut prüft, was für Funktionen Sie in Ihrem Beruf und Alltag beherrschen müssen, und übt diese mit Ihnen ein.

Es kann Ihnen tatsächlich passieren, dass Sie drei Monate nach Ihrem Unfall noch immer nicht wieder körperlich fit sind. Das ist bei Kreuzbandverletzungen zwar die Ausnahme – eine ausgesprochene Seltenheit ist es dennoch nicht.

Es ist durchaus möglich, dass die Fehlentwicklungen der Feinsteuerung nicht nur auf der körperlichen, sondern auch auf der psychischen Ebene Spuren hinterlassen haben. Wenn man lange genug ein Bein entlastet, setzt man diese Schonung früher oder später automatisch fort, egal ob die Entlastung oder einseitige Belastung noch notwendig ist oder nicht.

So wird aus der ehedem sinnvollen Entlastung eine Fehlbelastung. Um diese abstellen zu können, muss man sie sich zunächst bewusst machen – das nennt man mentales Training. Deshalb sind in einer Reha-Einrichtung auch Psychotherapeuten tätig.

Gespräche als Teil der Reha

Um Ihren Beruf wieder aufnehmen zu können, müssen Sie entsprechend leistungsfähig sein. Für jemanden, der im Büro arbeitet, ist dies wahrscheinlich eher der Fall als für einen Zimmermann, der Dachstühle zusammenbaut.

Ihr Arzt bespricht mit Ihnen, wann Ihr Knie wieder zuverlässig funktioniert. Bei schlechten Ergebnissen nach Operation und Rehabilitation kann es auch sein, dass Sie nicht in ihren alten Beruf zurückkönnen.

Schon in der Reha werden Ärzte, Sozialarbeiter und Reha-Berater der Rentenversicherung mit Ihnen über das weitere Vorgehen sprechen, damit möglichst zeitnah entsprechende berufsfördernde Maßnahmen eingeleitet werden können.

Alles zusammen ist Rehabilitation – nicht bei jeder Kreuzbandverletzung, aber doch in vielen Fällen eine sinnvolle, notwendige und letztlich kostengünstige Ergänzung zur ambulanten Physiotherapie.

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