Klinik vor Ort: Radiusköpfchen – das Wagenrad im Ellenbogen

In der Serie "Klinik vor Ort" berichtet die Redakteurin Inga Mennen M. A. in Zusammenarbeit mit dem Chirurgen Dr. Bernd Sauer aus dem Krankenhaus Wittmund. Bei Trümmerbrüchen hilft oft nur noch die Endoprothese – Ersetzt werden kann auch das gesamte Gelenk.
Neben dem Radiusköpfchen, werden im Krankenhaus Wittmund auch gekoppelte Endoprothesen in den Ellenbogen eingesetzt. ©Inga Mennen M.

Es ist erstaunlich, was sich heutzutage im menschlichen Körper alles ersetzen lässt. Hüft-Endoprothesen oder die künstlichen Kniegelenke sind Butter und Brot für die Krankenhäuser, die es können. Verhältnismäßig jung ist die Forschung im Bezug auf den Ersatz im Ellenbogengelenk. Im Krankenhaus Wittmund wird die Endoprothese nicht oft – aber sie wird eingesetzt. Dabei unterscheiden die Ärzte zwischen der Radiusköpfchenprothese und der gekoppelten Endoprothese.

Ellenbogen wird nicht so stark beansprucht

Ist bei der Hüfte meist die Arthrose der Grund, auf ein künstliches Gelenk zurückzugreifen, so ist das beim Ellenbogen eher selten der Fall. Denn dieses Gelenk wird nicht so sehr belastet wie andere im Körper – außer man stützt sich ständig auf der Tischplatte ab und legt dabei den Kopf in die Hände. „Vielmehr sind es Verletzungen – Knochenbrüche – die einen Ersatz notwendig machen“, erklärt der Chirurg Dr. Bernd Sauer. Seit zehn Jahren bietet die Wittmunder Klinik diese Operationen an. Etwa 30 Radiusköpfchenprothesen werden in der Harlestadt pro Jahr eingesetzt. „Und wir operieren die meisten gekoppelten Endoprothesen im Ellenbogen im Raum Ostfriesland“, sagt der ehemalige Chefarzt Sauer nicht ohne Stolz. Zehn von diesen künstlichen Gelenken werden im Jahr in Wittmund eingesetzt.

Das Ellenbogengelenk verbindet beide Unterarmknochen, die Elle (Ulna) und Speiche (Radius), mit dem Oberarmknochen. Für das Strecken und Beugen ist das Scharniergelenk zwischen Elle und Oberarmknochen zuständig. Mit dem Kugelgelenk wird gestreckt oder gebeugt, es sorgt auch für zusätzliche Drehbewegungen des Unterarmes. Das Radioulnargelenk ermöglicht das Wenden und Drehen von Hand und Unterarm. Eine Gelenkkapsel umschließt alle drei Teilgelenke. Der Gelenkknorpel schützt die Knochen vor Abrieb – den kennen die aufmerksamen Leser schon, denn ist der verschlissen, spricht man von der Arthrose. Zwei sogenannte Kollateralbänder dienen an den Seiten des Ellenbogens zur Stärkung und Führung. Weiterhin gehört zum Bandapparat das Ringband. Es zählt zur Gelenkkapsel und umgibt den Speichenkopf. Dieser Blick in den Aufbau macht deutlich, wie anspruchsvoll ein Ellenbogen aufgebaut ist und dementsprechend ist auch eine Operation nicht einfach.

Wenn das Rad in „1000 Teile zerbricht“

Das Radiusköpfchen – es sieht aus wie ein kleines Wagenrad – sitzt am Ende der Speiche kurz vor dem Oberarmknochen. „Stürzen Menschen auf den halb gebeugten Arm, kommt es oft zu Brüchen dieses Köpfchens – nicht selten einhergehend mit weiteren Knochenverletzungen im Ellenbogen“, erklärt Dr. Bernd Sauer aus seiner langjährigen Praxis. Wenn es nicht in „1000 Teile“ zerspringt, kann es operativ verschraubt werden und wird so abheilen. Ist das aber nicht möglich, wird es ersetzt durch eine Endoprothese.

Die metallische Prothese soll den Radiuskopf so gut wie möglich ersetzen. Dafür wird der zerstörte „Wagen“-Knochen an der Speiche entfernt. Dort wird das künstliche Gelenk eingesetzt und in der Regel zementiert. Auf den Schaft wird dann das neue „Wagenrad“ gesetzt. Etwa eine Stunde dauert es, das Radiusköpfchen zu ersetzen, der Schnitt ist nur fünf Zentimeter lang. „Der Patient bleibt fünf Tage stationär bei uns“, erklärt Bernd Sauer. Nach einer kurzen Gipsruhigstellung, kann der Operierte den Arm schnell wieder beugen und strecken – wie bei allen Endoprothesen gibt es aber noch eine Zeit der Nachbehandlung mit Physiotherapie.

Was sich oft alles recht einfach anhört, wenn der Chirurg von den Eingriffen erzählt, stellt sich in der Praxis natürlich als kompliziert dar. Ellenbogen aufschneiden, Knochen teilweise entfernen und durch eine Endoprothese ersetzen, so ist es bei weitem nicht. Denn Sehnen, Nerven und Muskeln umschließen die Gelenke und dürfen bei den Eingriffen nicht verletzt werden. Deshalb wird zum Gelenkersatz auch immer erst gegriffen, wenn konservative Maßnahmen keine Aussicht auf Erfolg mehr versprechen.

Prothesen-Teile durch Scharnier verbunden

In Wittmund kann neben dem Radiusköpfchen auch das gesamte Scharnier des Ellenbogens künstlich ersetzt werden. Eine gekoppelte Ellenbogenprothese ist durch ein Scharniergelenk miteinander verbunden. Ein Teil wird im Oberarmknochen (Humerus) befestigt, der andere entsprechend in der Elle (Ulna). Die Ellenbogenprothese bietet mehr Stabilität, da der Koppelungsmechanismus die stabilisierende Funktion des Bandapparats übernimmt. Etwa 90 Minuten dauert der Eingriff, der unter Vollnarkose vorgenommen wird und einen fünftägigen stationären Aufenthalt nach sich zieht. „Etwa zehn Jahre sind diese künstlichen Gelenke im Ellenbogen haltbar“, erklärt Bernd Sauer.

Zwar gehen die Forschungen in der Medizin, auch bei den künstlichen Gelenken immer weiter, aber mit der gekoppelten Prothese ist es nicht mehr möglich, Lasten mit mehr als fünf Kilo zu heben – die Prothese könnte sonst versagen. Übrigens, eine Kiste Bier wiegt 17 Kilogramm. Ein Vorschlaghammer kann es auch auf zehn Kilogramm Gewicht bringen. Und sich mit dem auf die Hand zu schlagen, kann böse Verletzungen nach sich ziehen. Damit wären wir beim Thema der nächsten Woche.

So manche für den Laien schreckliche Schnitte, Quetschungen und Brüche hat Dr. Bernd Sauer in seiner Laufbahn gesehen. Einen Überblick über Handverletzungen gibt es in der nächsten Folge „Klinik vor Ort“.

Ärzte auf Orthinform in Ihrer Umgebung

Passende Lexikonartikel

Fehler: Ihr Standort konnte nicht ermittelt werden.

Leider konnten wir mit Hilfe des Browsers Ihren ungefähren Standort nicht ermitteln, weitere Informationen erhalten sie auf der Seite aktueller Standort.