Jeder Mensch hat mehr Bakterien als Gehirn

Was es aber gibt, sind welche, die multiresistent sind. „Aber jeden kann man bekämpfen – einige eben leichter bei anderen wird es schwieriger“, ergänzt Dr. Hagen Behnke, Chefarzt der Anästhesie im Krankenhaus Wittmund. Und er fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Jeder Mensch hat mehr Bakterien in und auf seinem Körper als Gehirn.“ Will sagen – im Schnitt tragen wir 2,5 Kilogramm Bakterien mit uns herum (das Gehirn wiegt 1,5 Kilogramm).
Bakterien sind nicht unsere Feinde
Und es ist nun einmal so, dass wir ohne Bakterien nicht leben könnten – denn sie sind nicht unser Feind, jedenfalls nicht immer. „Schlimm wird es, wenn sie im Körper wandern, zum Beispiel die Darmbakterien in die Lunge“, erklärt der Mediziner. Dann gibt es ein Problem. Und es gibt Medikamente, die eben nicht nur den Keim zu Leibe rücken, der gerade für eine Entzündung zuständig ist, sondern auch Bakterien beeinflussen, die wir brauchen. So ist es zum Beispiel, wenn man ein Antibiotikum aufgrund einer Infektion verabreicht bekommt. Ein Beispiel: Das Medikament ist gegen die Entzündung im Zahn, die Folge aber sind Durchfälle, weil eben das Antibiotikum auch die Darmbakterien angegriffen hat. „Wenn das der Fall ist und die Durchfälle immer schlimmer werden, muss man den Arzt aufsuchen“, rät Birgit Schneverding.
Als Hygienefachkraft ist die 46-Jährige, die seit 2016 im Krankenhaus Wittmund angestellt ist, für alle Bereiche im Zusammenhang mit der Hygiene zuständig. Zusammen mit ihrer Kollegin Josefine Schoon besichtigt sie Stationen und pflegerische, diagnostische, therapeutischen und versorgungstechnische Bereiche, überwacht Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen und wirkt bei der Aufsicht über der Sterilisationsabteilung, der Bettenzentrale sowie der Krankenhausgebäudereinigung mit – um nur einige Beispiele zu nennen.

Dass dieses Management in Wittmund gut funktioniert, wurde jetzt auch erneut mit einem Siegel ausgezeichnet. Hier setzen die Siegel und das vielfältige Netzwerk des EurHealth-1 Health-Projektes an. Sie bündeln die Expertise unterschiedlicher medizinischer Einrichtungen und des öffentlichen Gesundheitsdiensts, wodurch zielgerichtete Qualitätsstandards vor Ort etabliert werden können, erläutert Dr. Matthias Pulz, ehemaliger Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts.
Preis der Nebenwirkungen ist hoch
Teilnehmende Institutionen – wie das Krankenhaus Wittmund – müssen, abgestimmt auf die medizinische Ausrichtung, bestimmte Vorgaben erfüllen, um Qualitätspunkte und somit die Hygienesiegel zu erhalten. Schwerpunkte der Qualitätssiegel sind seit 2018 die Bekämpfung multiresistenter Erreger (MRE) und die Mitgestaltung regionaler und überregionaler MRE-Netzwerke. Zentral ist für die teilnehmenden Institutionen darüber hinaus, den Einsatz von Antibiotika zu optimieren. Das erklärt Behnke noch einmal: „Wenn ich einen multiresistenten Keim habe, kann ich ihn bekämpfen, aber der Preis der Nebenwirkungen wird hoch sein.“
Deshalb gilt es für die Behandelnden zu wissen, mit welchen Keim sie es zu tun haben und welche Arzneimittel helfen können. Eine langfristige Lösung zur Bekämpfung multiresistenter Keime ist nur zu erreichen, wenn viele Akteure gut vernetzt zusammenarbeiten, sagt Prof. Dr. Alex Friedrich, Gesamtprojektleiter des EurHealth-1 Health. Derzeit tragen insgesamt mehr als 100 Institutionen das Siegel, das für zwei bis drei Jahre gültig ist und verlängert werden kann, sofern die Auflagen fortlaufend erfüllt werden.

Der Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) wird am häufigsten von Mensch zu Mensch übertragen, allerdings nur bei engem Kontakt. Dies erfolgt meistens über die Hände. Außerdem ist eine Ansteckung über den Kontakt mit kontaminierten Gegenständen möglich (Türklinken, Treppengeländer, Handtücher). Das Bakterium haben viele Menschen in ihren Schleimhäuten, ohne es zu wissen. Eine Infektion tritt dann auf, wenn der Keim beispielsweise durch eine Operation oder eine offene Wunde in den Organismus gerät. Bakterien gibt es seit zirka 3,5 Milliarden Jahren, Menschen seit 300 000 Jahren. „Wir fürchten sie, aber wir brauchen sie – daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Händewaschen ist aber ein gute Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander“, betont Dr. Hagen Behnke.