Technisch-ergonomische Anforderungen an den Homeoffice-Arbeitsplatz
Im Unternehmen ist der Arbeitgeber für die Verhältnisprävention verantwortlich und muss das Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitszeitgesetz und die Arbeitsstättenverordnung einhalten. Die bis 2016 separat geltende Bildschirmarbeitsverordnung ist in die Arbeitsstättenverordnung eingeflossen. Die Ausstattung des Arbeitsplatzes und die Tätigkeiten müssen den gesundheitlichen Erfordernissen entsprechen. Zusätzlich dazu sind ergonomische und orthopädische Anforderungen abzudecken, einschließlich Verhaltensmaßnahmen.
Aufgrund der Covid-Pandemie musste die Büroarbeit in Unternehmen eingeschränkt werden. Oft statteten Firmen ihre Mitarbeiter lediglich mit einem Laptop aus und die tägliche Arbeit musste ohne weitere Vorkehrungen von zu Hause erledigt werden. Arbeitnehmer waren in der Regel nicht darauf eingerichtet, mehrere Tage die Woche ganztägig zu Hause zu arbeiten. Ein entsprechender Bildschirmarbeitsplatz, der Büro-Standards erfüllt, stand in der Regel nicht zur Verfügung. Mit dem Laptop wurde behelfsmäßig im Wohnzimmer oder in der Küche gearbeitet, ohne geeigneten Bildschirm für ganztägige Tätigkeit, ohne ausreichende Beleuchtung und ohne ergonomische Ausrichtung. In der orthopädischen Sprechstunde war ein rapider Anstieg von Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden auch mit radikulärer Ausstrahlung in die Extremitäten, zu verzeichnen – selbst bei jüngeren ArbeitnehmerInnen.
Auch in der postpandemischen Phase ist die Arbeitswelt nicht in den Status zurückgekehrt. Durch die Pandemie wurde auch einiges „gelernt“, z. B. dass Homeoffice in vielen Bereichen möglich ist. Auch wenn es keine Verpflichtung zum Homeoffice mehr gibt, so ist diese Arbeitsweise doch in vielen Firmen fester Bestandteil geworden. Für die Ausstattung spielt es auch eine Rolle, wie oft Homeoffice genutzt wird, z. B. max. einen Tag pro Woche oder öfter. Die Mitarbeiter nutzen gerne die Vorteile, wie Flexibilität und stärkere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Einsparung von Wegezeiten und damit verbundenen Kosten. Studien belegen eine erhöhte Produktivität durch engagierte und zufriedene Mitarbeiter. Daher sind etliche Firmen bereit, Mittel für den Homeoffice-Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Bislang gibt es allerdings keine arbeitsgesetzlichen Vorgaben für die Ausstattung des Arbeitsplatzes im Homeoffice.
Da somit ein Großteil der Beschäftigten mobil oder im Homeoffice arbeitet, wird zunehmend der Umfang von Büroflächen in der Dienststätte hinterfragt. Firmen und spezielle Dienstleister bieten deshalb Desksharing an oder Coworking Spaces werden eingerichtet.
Für eine Bildschirmtätigkeit außerhalb des Büros bedarf es Unterstützungsangeboten, um Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu verdeutlichen, wie die Arbeit gesund und sicher gestaltet werden kann und Gefährdungen zu reduzieren sind. Der Privatbereich entzieht sich zu recht der Kontrolle. Aber es besteht sehr wohl die Verpflichtung einer Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung für den Arbeitsplatz im Homeoffice.
Beim Bürodrehstuhl kann es nicht um ein besonders luxuriöses Möbel mit Lederbezug und Kopflehne gehen, sondern es geht um die Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte. Zur Ergonomie gehört die korrekte Einstellung des Bürodrehstuhls. Hierzu ist das 3-Ebenen-Konzept zu berücksichtigen:
- Ebene: Beide Füße/Schuhe liegen spannungsfrei auf dem Boden auf.
- Ebene: Die Höhe der Sitzfläche ist so gewählt, dass die Oberschenkel etwa parallel zur Bodenfläche ausgerichtet sind und auf jeden Fall ein „nach vorne Rutschen“ auf der Sitzfläche vermieden wird. Ober- und Unterschenkel sind etwa in einer 90 Grad-Stellung. Zwischen Kniekehle und Vorderkante der Sitzfläche ist eine Handbreit Platz, so dass die Kniekehle auch bei Bewegungen nicht an den Vorderrand des Sitzkissens stößt.
- Die Ebene ist die Tischfläche. Armauflagen am Bürodrehstuhls sind wünschenswert. Diese sollten so eingestellt werden, dass die Unterarme mit einer leichten Senkung der Hände nach unten mit den Finger ohne Haltekraft der Unterarme die Tastatur bedienen können. Das Handgelenk ist quasi leicht nach oben gekippt sein. Dies entspricht einer spannungsfreien Einstellung der Hand. Auf keinen Fall dürfen Unterarm oder Hand und Finger nach vorne angehoben sein. Dies führt zu einer vermehrten Spannung der Strecksehnen von Hand und Fingern und kann Ursache für ein Repetitive Strain Injury (RSI) sein. Die Armlehnen sind also nicht so eingestellt, dass der Stuhl in diesem Zustand mühelos unter den Tisch geschoben werden kann, sondern sie sind als Verlängerung der Tischplatte einzustellen, möglichst geringfügig oberhalb der Tischfläche.
In den 70iger Jahren ist über Autositze, insbesondere für sportliche Fahrweisen, eine sogenannte Lordosestütze oder Lendenwulst eingeführt worden. Abgesehen davon, dass ein Autositz gänzlich andere Aufgaben hat als ein Bürodrehstuhl, ist eine solche Wulstung, die das Becken in Vorneigung und die Lendenwirbelsäule in ein vermehrtes Hohlkreuz bringt, orthopädisch-ergonomisch schädlich. Dies lässt sich leicht an Hand der anatomischen Einstellung der Wirbelsäule bei Lordose und Entlordosierung verdeutlichen. Bei Beckenvorneigung mit Hohlkreuzbildung der Lendenwirbelsäule werden die kleinen Wirbelgelenke aufeinandergepresst, die Nervenwurzellöcher sind verkleinert, was weniger Platz für die abgehenden Nervenwurzeln bedeutet. Außerdem kommt der Hinterrand der Bandscheibe unter vermehrten Druck, was zu einer Wulstbildung der Bandscheibe zum Spinalkanal führen kann.
Bei Entlordosierung sind die Facetten ohne Druck, die Wurzellöcher vergrößert und der hintere Bandscheibenabschnitt ohne Druck, also mit mehr Platz im Spinalkanal. Anstelle einer Lordosenstütze ist es sinnvoll, den Thoraxbereich abzufangen, also für eine Gewichtsauflage des Oberkörpers zu sorgen, was mit einer Thoraxstütze in guter Weise umgesetzt werden kann. Die Pads sind so ausgearbeitet, dass sie im unteren Bereich des Brustkorbes anliegen. Diese Pads sind entsprechend der Körpergröße der Stuhlnutzer in der Höhe verstellbar.
Diese Thoraxstützen sind die Voraussetzung für eine bessere Einstellung der Lendenwirbelsäule und eine wesentlich angenehmere Situation beim Sitzen mit Kontakt zur Rückenlehne.
Für den Büroarbeitsplatz gibt es eine Reihe bewährter BG-licher Vorgaben, die auch bei einem Mischarbeitsplatz mit Bildschirmtätigkeit und Papier- und Bleistifttätigkeit umgesetzt sein sollten. Dazu gehören auch die Vorgaben zur Beleuchtung und die Vermeidung von Reflektion.
Der Bildschirm sollte so eingerichtet sein, dass er bei Arbeit mit der Tastatur im Geradeaus-Blick ist und der Kopf für den Blick zum Bildschirm nicht seitlich verdreht werden muss. Für eine gute Position der Halswirbelsäule sollte der Oberrand des Bildschirmes bei üblicher Größe des Bildschirms etwas tiefer als die Augen sein, so dass der Kopf leicht nach vorne geneigt wird. Dies führt zu einer Entlordosierung der Halswirbelsäule, die denselben Effekt wie an der Lendenwirbelsäule hat. Zu hochstehende Bildschirme führen zu einer „Kopf-in-Nacken-Stellung“ also der Hyperlordose der Halswirbelsäule und kann Ursache für vermehrte Schmerzen und Anspannungen im Schulter-Nacken-Bereich sein, bis hin zu radikulären Problemen. Ebenso sollte eine seitliche Verdrehung des Oberkörpers vermieden werden.
Zwischen der Tastatur und der vorderen Tischkante ist ein Abstand von 10 bis 15 cm zur Ablage der Handballen zu gewährleisten. Damit wird vermieden, dass man sich nach vorn über den Tisch neigen vermieden. Aus der Sitzposition heraus muss im Greifraum der Arme alles Wichtige auf der Tischfläche erreicht werden können.
Bei einer geraden Tischplatte muss sich der Nutzer weiter nach vorne neigen, um einen guten Blickwinkel auf Unterlagen auf der Tischoberfläche zu haben. Bei einer leichten Schräge (16 Grad) der Tischfläche ist der Blick auf die Unterlagen wesentlich günstiger, so dass sich der Nutzer nicht weit nach vorne beugen muss, sondern mit leichter Neigung des Kopfes gut arbeiten kann. Deswegen sollten Tischflächen möglichst nicht nur höhenverstellbar, sondern auch für die sitzende Position neigbar sein.
Die Höhenverstellung des Tisches soll ein Arbeiten im Stehen erlauben. Alternativ kann ebenso ein Stehpult genutzt werden und auch hier gilt wiederum, dass die Tischfläche in der Höhe variabel einzustellen ist und gegebenenfalls zu neigen ist. Wichtig ist, dass ein Fuß – analog zur Thekenhaltung – höher gestellt werden kann, weil auch dies der Entlastung der Lendenwirbelsäule dient.
Ergonomische Tastaturen und Mäuse sind zu empfehlen. Die Maus ist nah am Körper und in entspannter Körper- und Armhaltung zu bedienen. Am Bildschirmarbeitsplatz darf keine Gleitsichtbrille getragen werden, da der Kopf für den Blick durch den unteren Brillenanteil vermehrt in den Nacken gelegt werden muss. Eine Bildschirmbrille ist bei Alterssichtigkeit zwingend erforderlich.
Auch die Arbeitsumgebung, wie zum Beispiel Beleuchtung und Raumklima, spielt im Homeoffice eine Rolle. Der Arbeitsplatz muss ausreichend hell sein. Man sollte auch mal aus dem Fenster schauen und einen Blick in die Ferne werfen, um damit die Augen zu entspannen. Es müssen geeignete Sonnenschutzvorrichtungen vorhanden sein, um Blendung und Spiegelung auf dem Bildschirm und anderen Oberflächen zu vermeiden. Idealerweise beträgt die Lufttemperatur 20 bis 22 Grad Celsius. Der Arbeitsraum ist regelmäßig zu lüften.
Zusammenfassen ist zu sagen, dass Homeoffice-Arbeitsplätze fester Bestandteil in unser Arbeitswelt sind. Es bedarf entsprechende Regelungen, die auch für den häuslichen Bereich eine entsprechende Verhältnisprävention gewährleisten und orthopädisch-ergonomische Gesichtspunkte berücksichtigen. Außerdem ist die Sicherheits- und Gesundheitskompetenz der Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden zu fördern. Beschäftigte wie Vorgesetzte müssen nunmehr selbst Sicherheits- und Gesundheitsrisiken einschätzen können und in der Lage sein, Gestaltungsmaßnahmen zu erkennen und umzusetzen. Aufgrund der Zusammenarbeit auf Distanz gewinnt das Einrichten des Arbeitsplatzes im Homeoffice, das eigene Verhalten sowie das Selbstmanagement an Bedeutung. Dazu zählen auch das Einhalten von Pausen und das Einplanen von Bewegung.
Hilfe dazu bietet die Broschüre „Check-up Homeoffice“ (DGUV, IAG 2022).