Haltungsschäden schon im Kindesalter vermeiden

Immer mehr Kinder quälen sich mit schwerwiegenden Rückenproblemen. Das Kreuz mit dem Kreuz hört im Erwachsenenalter nicht etwa auf. In der Regel verschärft es sich sogar. Das muss nicht sein. Kinder verfügen über einen natürlichen Bewegungsdrang, der dazu genutzt werden kann, ihre Rückenmuskulatur zu stärken. Rücken gerechtes Verhalten kann gelernt werden.
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Jedes zweite Schulkind hat eine Haltungsschwäche. Fast die Hälfte der Teenager leidet an Wirbelsäulenbeschwerden. Im Laufe der vergangenen 30 Jahre hat sich die Zahl der Kinder mit Haltungsschäden verdoppelt.

Das Kreuz mit dem Kreuz hört im Erwachsenenalter nicht etwa auf; in der Regel verschärft es sich sogar. Funktionsstörungen der Wirbelsäule beeinflussen das gesamte tägliche Leben. Oft sind sie mit quälenden Schmerzen verbunden. Wie kann dem vorgebeugt werden?

Die Form der Wirbelsäule sowie die Bänder und Muskeln, die sie stabilisieren, bilden sich in der Kindheit und Jugend heraus. Ein Baby kommt mit einem Rundrücken zur Welt. Gegen Ende des ersten Lebensjahres streckt sich die Wirbelsäule, ungefähr im Alter von drei Jahren bilden sich die Bögen der Wirbelsäule heraus. Erst wenn die Wirbelsäule ihre endgültige Form hat, kann sie voll belastet werden.

Eine große Rolle bei der Stabilisierung der Wirbelsäule spielt die Rücken- und Bauchmuskulatur. Als haltungsschwach werden Kinder bezeichnet, deren Rumpfmuskulatur nicht stark genug ist, um Abweichungen ihrer Wirbelsäule von der normalen Haltung auszugleichen – dann kommt es zu einem Hohlkreuz oder zu einem gekrümmten Oberkörper.

Wachstumsbedingte Formfehler wie Seitverkrümmungen (Skoliosen) oder wachstumsbedingte Fehlkrümmungen (zum Beispiel der fixierte Hohlrundrücken) müssen davon abgegrenzt und anders behandelt werden.

Die Form der Wirbelsäule kann nur während des Wachstums beeinflusst werden. Es ist daher sehr wichtig, eventuelle Störungen so früh wie möglich zu erkennen.

Rückenschule für Kinder

Rücken schädigendes Verhalten ist keinem Kind in die Wiege gelegt, sondern wird im Laufe des Heranwachsens erlernt. Deshalb ist es wichtig, Kinder so früh wie möglich zu Rücken gerechtem Bewegen, Halten, Tragen, Heben und Sitzen anzuhalten. Im Kleinkindalter kann dafür der starke Bewegungs- und Spieldrang der Kinder genutzt werden. Bewegung zur Musik, Ausdauer fördernde Bewegung oder kleine Fußspiele machen den Kindern Spaß und können dazu beitragen, dass sich ein Rücken freundliches Verhalten automatisiert. Auch Wahrnehmungs- und Gleichgewichtsübungen sowie Entspannungstechniken sollten den Kindern nahe gebracht werden.

Für das Vorschulalter empfehlen sich Geh-, Laufschul- sowie Gleichgewichtsspiele. Entspannung können die Kinder bei Musik oder in Rollenspielen erlernen. Kommen sie in die Schule, wird ihr Bewegungsdrang erheblich beschnitten. Das Sitzen nimmt mehr und mehr Platz im Alltag ein. Die Kinder müssen ihren Schulranzen tragen und ihren Eltern im Alltag zur Hand gehen, müssen also lasttragende Bewegungsabläufe und statische Belastungen im Sitzen lernen. Da sie über einen natürlichen Wissensdurst verfügen und den Drang haben, das Gelernte in die Tat umzusetzen, ist es nicht schwierig, ihnen Informationen zu Wirbelsäule, Bewegung, korrektem Sitzen und richtigem Tragen zu vermitteln.

Die Kinder werden heutzutage ziemlich früh unter großen Leistungsdruck gesetzt. Das geht nicht spurlos an ihnen vorüber: In den vergangenen Jahren ist ein starker Anstieg psycho-somatischer Rückenerkrankungen bei Heranwachsenden zu verzeichnen. Es ist daher enorm wichtig, dass schon Grundschüler Entspannungstechniken erlernen, etwa die progressive Relaxation nach Jacobsen, Biofeedback, oder Partnermassage mit dem Igelball. Eltern und Lehrer sollten in diese Übungen aktiv miteinbezogen werden. Auch die ergonomische Gestaltung des Schulplatzes sowie des Arbeitstisches zu Hause sollten nicht außer Acht gelassen werden.

Die Pubertät ist eine Zeit grundlegender Veränderungen. Die Heranwachsenden schießen oft ganz plötzlich in die Höhe; Körpergestalt und Proportionen wandeln sich sehr stark, die Hebelverhältnisse verändern sich völlig. Die Umstrukturierung der Psyche bringt weitere Probleme mit sich.

Die Stunden, die im Sitzen verbracht werden, nehmen in diesem Lebensabschnitt häufig zu, andererseits auch körperliche und Rücken belastende Aktivitäten. Die jungen Menschen planen ihre berufliche Zukunft und versuchen, ihren Platz in der Welt zu finden. In diesem Prozess der Selbstfindung treten vermehrt psychologische Konfliktsituationen auf, Aufbau- und Entwicklungsstörungen der Wirbelsäule nehmen zu.

Ziel der Rückenschule in diesem Alter ist es, erlernte Mechanismen zu automatisieren und zu intensivieren. Wer in dieser Phase nicht das physiologische und dynamische Sitzen erlernt, wird auch später nicht korrekt sitzen. Zunehmende Bedeutung gewinnt der Umgang mit Lasten. Heben und Bewegen von Lasten in Rücken gerechter Position sowie die Nutzung von Hilfsmitteln sollten bis zum Ende der Pubertät automatisiert sein.

Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU e.V.) erweitert seine Aktion Orthofit um Übungen für einen starken Rücken im Schulkindalter. Ziel ist die aktive Prävention von Haltungsschäden. Online-Videos für ein Trainings- und Präventionsprogramm sind abrufbar unter: www.aktion-orthofit.de/sonderaktionen/rueckenfit.

So untersucht der Orthopäde Ihr Kind

Kinder und Jugendliche wachsen sehr schnell. Vorsorgeuntersuchungen sind unabdingbar, um eventuelle Störungen frühzeitig zu erkennen und behandeln zu können. Kinder und Jugendliche, die Leistungssport treiben und dadurch ihre Haltungs- und Bewegungsorgane überdurchschnittlich beanspruchen, sollten regelmäßig von einem Sportorthopäden durchgecheckt werden. Gleiches gilt, wenn in der Familie schon einmal Haltungsfehler aufgetreten sind.

Bei einer Vorsorgeuntersuchung überprüft der Orthopäde Form und Beweglichkeit sowohl der gesamten Wirbelsäule als auch der einzelnen Wirbel. Außerdem untersucht er, wie stark die stabilisierende Muskulatur ausgebildet ist. Das Fundament, auf dem die Wirbelsäule ruht, sind die Füße, die Beine und das Becken – deshalb gehört eine Überprüfung der Fußstellung und der Belastungen während des Bewegungsablaufes ebenso zu einer sportorthopädischen Untersuchung wie eine Beinachsen- und eventuell auch eine Beinlängendifferenzbestimmung. Muskelsteuerung und Wahrnehmung werden ebenso getestet.

Bei nicht eindeutigen Befunden im Bereich der Füße, bei Störungen des Aufbaus oder der Bewegungsabfolge können moderne, Computer gestützte Messverfahren oder Videoanalysen aufschlussreich sein. So kann beispielsweise eine Mess-Sensorfolie in den Schuh eingelegt werden, die permanent die Kraftübertragung beim Laufen misst. Die dabei ermittelten Daten werden an einen Computer überspielt. Dieser kann in der Bewegungsabfolge des Gehens alle auftretenden Störungen erkennen.

Bei statischen Auffälligkeiten empfiehlt es sich, mittels optischer Messsysteme (so genannte 3D-Wirbelsäulenanalyse) Wirbelsäulenform und –statik zu vermessen. Der Orthopäde kann so den Behandlungsverlauf kontrollieren und die weitere Therapie an die bereits erzielten Behandlungsergebnisse anpassen.

Besteht der Verdacht, dass die knöcherne Struktur des Wirbels gestört ist, wird der behandelnde Arzt zu weitergehenden bildgebenden Verfahren greifen, um zu einer zweifelsfreien Diagnose zu gelangen – können doch solche Schädigungen zu dauerhaften, krankhaften Verformungen führen. Das kann eine digitale Röntgenuntersuchung sein, bei komplexeren Schädigungen sind kernspintomographische Schichtuntersuchungen notwendig.

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