Das Mikrobiom in der Rheumatologie: Hoffnung oder Hype?

Als Mikrobiom wird die Gesamtheit aller Viren, Bakterien, Pilze und anderer Mikroben bezeichnet, die auf oder in unserem Körper leben – eine Lebensgemeinschaft, deren Einfluss auf die menschliche Gesundheit erst allmählich verstanden wird.
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Besonders das Immunsystem steht in permanenter Wechselwirkung mit den Mikroben, die Haut und Schleimhäute besiedeln. Wie wirkt sich die Zusammensetzung des Mikrobioms auf die Immunfunktion aus, was bedeutet das speziell für rheumatische Erkrankungen und welche Rolle spielt die Ernährung für Krankheitsrisiko und -verlauf?

Entzündlich-rheumatische Erkrankungen und andere Autoimmunerkrankungen sind durch eine Fehlfunktion des Immunsystems gekennzeichnet: Körpereigene Strukturen und Gewebe werden zum Gegenstand des Immunangriffs, Entzündungen bis hin zu Gewebezerstörungen sind die Folge. Die Tatsache, dass die Balance zwischen entzündungsfördernden und entzündungshemmenden Immunzellen auch durch das Mikrobiom beeinflusst wird, hat die mikrobiellen Mitbewohner auch für die Rheumaforschung interessant gemacht. „Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren bereits mehrere krankheitsfördernde Keime entdeckt worden, die Autoimmunität anstoßen oder verschlechtern können“, sagt Professor Dr. med. Martin Kriegel von der Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie des Universitätsklinikums Münster, der selbst auf dem Gebiet forscht und das Seminar der Rheumaakademie leiten wird.

So haben etwa Versuche an Mäusen und an menschlichen Gewebeproben gezeigt, dass die Darmbakterien Prevotella copri und Enterococcus gallinarum die Aktivität entzündungsfördernder TH17-Immunzellen verstärken und die Produktion von Autoantikörpern anstoßen. Auch die Barrierefunktion der Darmschleimhaut, die den übrigen Körper vor Krankheitserregern, Schadstoffen und Allergenen schützt, hängt entscheidend von der Zusammensetzung des Mikrobioms ab.

Wie aber sieht ein gesundes Mikrobiom aus? Die Forschung hierzu steht noch am Anfang, und womöglich gibt es keine einfache und für alle Menschen gültige Antwort auf diese Frage. All-gemein gilt jedoch: Je größer die Artenvielfalt innerhalb des Mikrobioms ist, desto weniger stark können schädliche Keime sich vermehren. „Bei rheumatischen Erkrankungen spielt jedoch auch die genetische Veranlagung eine Rolle“, betont Kriegel. Möglicherweise ließen sich in absehbarer Zeit Subgruppen von Patienten identifizieren, die besonders von der Eliminierung schädlicher Keime profitierten.

Gerade das Darmmikrobiom ist in seiner Zusammensetzung und Vielfalt stark davon abhängig, was wir zu uns nehmen. „Der zunehmende Verzehr verarbeiteter Nahrungsmittel und der Gebrauch von Antibiotika reduzieren die Diversität des Darmmikrobioms deutlich“, sagt Professor Dr. med. Andreas Krause, Chefarzt für Rheumatologie und Klinische Immunologie am Immanuel Krankenhaus Berlin und amtierender Präsident der DGRh. Umgekehrt könne die Ernährung aber auch als Ansatzpunkt dienen, um das Mikrobiom und damit den Verlauf entzündlich-rheumatischer Erkrankungen positiv zu beeinflussen. Bereits seit vielen Jahrzehnten wird etwa das Heilfasten in der Therapie der rheumatoiden Arthritis eingesetzt. Wie Studien belegen, trägt die vorübergehende Begrenzung der Kalorienzufuhr dazu bei, die Krankheits-aktivität zu senken, Schmerzen zu lindern und die Gelenkfunktion zu verbessern. Was dabei im Körper der Patienten abläuft, ist noch nicht bis ins Detail verstanden.

Bekannt ist jedoch, dass der Stoffwechsel sich beim Fasten - ebenso wie bei der ketogenen Diät, bei der nur sehr wenige Kohlenhydrate aufgenommen werden – stark umstellt und sich verstärkt so genannte Ketonkörper bilden. „Diese Ketogenese beeinflusst sowohl das Mikrobiom als auch das Immunsystem günstig“, erläutert Kriegel. So nehme zum Beispiel die Zahl der entzündungsfördernden TH17-Zellen im Darm ab. Welche Fastenmethoden oder Ernährungsweisen für welche Erkrankung bzw. Untergruppen einer Erkrankung am besten geeignet seien und wie nachhaltig sie wirkten, müsse jedoch noch in weiteren Studien untersucht werden.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh)

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