Künstliches Kniegelenk: So viel wie nötig – so wenig wie möglich
Voraussetzung sind intakt erhalten gebliebene Kreuzbänder sowie eine Beschränkung des Knorpelschadens ausschließlich auf einen Abschnitt des Kniegelenks. Durch den Erhalt des vorderen Kreuzbandes nehmen die Patienten das Kunstgelenk natürlicher wahr und können im Alltag und Sport aktiver sein. Zudem ist der Eingriff kleiner und die Rehabilitation kürzer.
Im Kniegelenk trifft das untere Ende des Oberschenkelknochens mit seinen zwei Gleitrollen, den Kondylen, auf das obere Plateau des Schienbeinkopfes. Dieser hat korrespondierende Ausbuchtungen zu den Kondylen. Es besteht auch noch ein Gelenk zwischen der Kniescheibe und dem Oberschenkelknochen. Alle Gelenkpartner sind mit einer Knorpelschicht überzogen.
Auch eine sehr schmerzhafte Arthrose, die starke Bewegungseinschränkungen zur Folge hat, kann nur einen umschriebenen Gelenkabschnitt betreffen. Der Rest des Gelenks ist dabei möglicherweise noch intakt. „Häufig ist dies der innere Knieanteil zwischen Ober- und Unterschenkelknochen“, erläutert Priv.-Doz. Dr. Stephan Kirschner, Vizepräsident der AE und Direktor der Klinik für Orthopädie in den ViDia Kliniken, Karlsruhe. „Ist dies der Fall, kann auch nur ein Teilgelenk implantiert werden“, so Kirschner. Dies wird umgangssprachlich als mediale Schlittenprothese bezeichnet. „Dabei werden nur die wirklich von der Arthrose betroffenen Gelenkabschnitte ausgetauscht. Der Großteil des Kniegelenkes wie die andere Kondyle, die Kniescheibe und die Kniebänder bleiben“.
Laut Leitlinien müssen jedoch vorher alle konservativen Möglichkeiten der Behandlung wie Physiotherapie, Gelenk-Injektionen, Akupunktur und Schmerzmittel ausgeschöpft worden sein. Zudem besteht auch die Möglichkeit, durch eine sogenannte Umstellungsosteotomie zunächst die Achse des betroffenen Kniegelenks so zu korrigieren, dass das von Arthrose betroffene Areal entlastet wird. „Diese Option, O- und X-Beine operativ zu begradigen und so Zeit bis zu einer Totalprothese zu gewinnen, kann für jüngere und sportlich aktive Patienten in Frage kommen“, so Kirschner.
Im Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) sind für das Jahr 2019 insgesamt 124.677 Knieprothesenimplantationen registriert. 86,3 Prozent der dort dokumentierten Patienten erhielten eine Totalendoprothese und 13,5 Prozent mit eine Schlittenprothese. Jüngere Patienten bis 54 Jahre wurden eher mit einer Teilprothese versorgt: dies betraf 23,5 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer. Patienten mit Umstellungsoperationen sind im EPRD nicht enthalten.
Der Orthopäde und Unfallchirurg kommentiert: „Patienten bekommen bis heute überwiegend eine Totalendoprothese -, gleichgültig, wie viele Abschnitte ihres Knies tatsächlich von Arthrose betroffen sind oder welche Achsstellung das betroffene Bein hat“.
Wichtigstes Gegenargument der Teilprothetik sei die bis heute – zumindest im Durchschnitt - kürzere Haltbarkeit im Vergleich beider Verfahren im Vergleich zur totalen Knieendoprothese, so der Orthopäde und Unfallchirurg. Gegen eine Umstellungsoperation können eine eingeschränkte Beweglichkeit und die geringere Schmerzverbesserung im Vergleich zu einer Endoprothese sprechen. Für beide Fälle gilt: „Aufgrund der im Gelenk möglicherweise weiter fortschreitenden Arthrose kann sowohl bei der Schlittenprothese wie auch nach einer Umstellung eine Folgeoperation erforderlich werden“.
Kirschner fasst zusammen: „Sofern nur eine umschriebene Arthrose mit erhaltenen Kreuzbändern vorliegt, ist aufgrund der günstigen klinischen Ergebnisse der Teilgelenkersatz zu empfehlen. Bei hohen sportlichen Ansprüchen und einer Achsabweichung ist eine Umstellungsoperation zu diskutieren. Wenn alle Gelenkabschnitte betroffen sind, stellt die Totalendoprothese eine bewährte Versorgungsmöglichkeit dar“. Patienten sollten sich jedoch vor einem Eingriff informieren: „Oft werden in spezialisierten Kliniken alle drei Versorgungsmöglichkeiten (Umstellung, Schlitten und Totalendoprothese) in großen Fallzahlen und mit viel Erfahrung durchgeführt. Dann kann die für den Patienten individuell am besten passende Versorgung gemeinsam ausgewählt werden.“
Quelle: Die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e.V.