Klinik vor Ort - Die Mäusehüfte passt in jede Hosentasche

In der Serie "Klinik vor Ort" berichtet die Redakteurin Inga Mennen M. A. in Zusammenarbeit mit dem Chirurgen Dr. Bernd Sauer aus dem Krankenhaus Wittmund. Sie gibt einen interessanten Einblick in das zertifizierte Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung. Heute: Die Daumensattelgelenksprothese
Der Stift der Prothese, auch Mäusehüfte genannt, wird in den Mittelhandknochen des Daumens gesetzt. Die verschiedenen Größen können der jeweiligen Hand angepasst werden. ©Inga Mennen M. A.

„Haben Sie an die Mäusehüfte gedacht?“ Chefarzt Dr. Bernd Sauer lächelt wissend. Aus seiner rechten Kitteltasche ragt die Nachbildung eines Handskeletts, aus der linken zieht er ein kleines Gläschen hervor. „Da ist sie“, sagt der Chirurg, der von 2008 bis 2021 Chefarzt der Orthopädie und der Unfallchirurgie im Wittmunder Krankenhaus war.

Die Daumensattelgelenksprothese ist so klein, dass sie in jede Hosentasche und nicht zuletzt auch in jede Hand passt. Sie einzusetzen ist also nichts für Grobmotoriker, sondern für Menschen mit dem Hang zum Filigranen, wenngleich es bei der Operation auch nicht ohne Säge und kleinem Hammer funktioniert. Aber von vorn: Wann kommt die Daumensattelgelenksprothese zum Einsatz?

Winzig klein ist die Gelenksprothese, die aber nach dem Einsetzen eine große Wirkung hat. Auch in Wittmund werden diese Operationen durchgeführt. ©Inga Mennen M. A.

Oft klagen die Patienten über Schmerzen im Daumengelenk, berichtet Dr. Sauer. Grund dafür ist die sogenannte Rhizarthrose. Der Knorpel um die Knochen löst sich auf oder hat sich schon aufgelöst. Das kann altersbedingt oder auch durch einen Unfall passieren. Fakt ist, die Knochen reiben ohne den sie schützenden Knorpel aneinander. Die Folge ist Abrieb, der zu den Schmerzen führt. Die Patienten können mit dem Daumen nicht mehr fest zugreifen, keine Flaschen öffnen und ihn nicht mehr so bewegen, wie es ein gesunder Mensch kennt.

„Es gibt vier Stadien“, erklärt der Mediziner. Eine Operation erfolgt erst in Stadium drei oder vier – erst, wenn andere Behandlungsmöglichkeiten wie Medikamente, Ruhigstellen oder Bewegungsübungen keinen Erfolg und damit keine Linderung mehr versprechen. Es gibt aber keine Methode, um den Knorpel wieder herzustellen, das gilt für alle 140 echten Gelenke im Körper eines Menschen. Weg ist weg, das ist nun einmal so.

Die Verschleißerkrankung des Daumensattelgelenkes trifft meist die älteren Patienten, davon mehr Frauen als Männer. Ob das mit dem Handarbeiten zusammenhängt, ist nicht erwiesen, vielmehr geht die Medizin davon aus, dass hormonelle Prozesse an der Entstehung der Erkrankung beteiligt sind. Etwa zehnmal im Jahr werden im Wittmunder Krankenhaus sogenannte Mäusehüften eingesetzt.

Ein Röntgenbild von der Arthrose im Daumensattelgelenk. ©Inga Mennen M. A.

Es müssen aber bestimmte Voraussetzungen sein, die eine Operation möglich machen. „Ist der Knorpel schon länger in Mitleidenschaft gezogen und reiben lange Zeit die Knochen aneinander, wird sich der Knochen verdichten, das erschwert das Einsetzen des Stiftes in den Mittelhandknochen des Daumens“, erklärt der Handchirurg Dr. Bernd Sauer. Er weiß aus seiner langjährigen Erfahrung, dass die Ostfriesen dazu neigen eher später als früh zum Arzt zu gehen. Dabei wird auch die Daumensattelgelenksporthese von der Krankenkasse bezahlt. Die unblutige Operation („man kann die Blutzufuhr in der Hand gut kontrollieren“) dauert etwa eine Stunde. Zunächst wird ein Teil des Mittelhandknochens entfernt, bevor er Stift eingesetzt wird, an dem das wirklich winzig kleine Kugelgelenk befestigt ist. Auf der gegenüberliegenden Seite, dem Vieleckbein, das übrigens in der Form einem Sattel gleicht, wird die kleine Pfanne, in der sich das Kugelgelenk dann bewegt, eingefräst. Das hört sich alles schmerzhaft an, aber das Gute, so Dr. Sauer: Knochenmark hat keine Schmerzrezeptoren.

Nach der Operation bleibt der Patient in der Regel noch drei Tage auf Station. Vier Wochen wird ihn eine Gipsschiene begleiten, die ihm aber ermöglicht, den Daumen schon wieder leicht zu bewegen. Eine Methode, die in Wittmund noch häufiger angewendet wird und die vor der Entwicklung der Mäusehüfte stand, ist die nach Epping. Ungefähr 50 Mal stellt das Team in der Klinik mit dieser Operationsweise die schmerzfreie Beweglichkeit des Daumensattelgelenkes wieder her. Diese OP wird angewendet, wenn das Gelenk so weit zerstört ist, dass sich die Prothese nicht mehr verankern lässt. Dabei wird das Vieleckbein gänzlich entfernt – die Knochen können nicht mehr aufeinander reiben. Um aber die nötige Beweglichkeit und Stabilität herzustellen, wird bei Epping der Mittelhandknochen des Daumens durch eine Sehnenschlinge befestigt.

Der Weg zur Heilung bei dieser Operationsmethode ist länger und braucht mehr Geduld, denn die Griffkraft verbessert sich nach einigen Monaten, bleibt allerdings im Vergleich zur gesunden Hand vermindert. „Aber vielen Menschen kann man auch mit dieser Methode sehr gut helfen“, sagt Dr. Sauer, während er das Mäusehüftgelenk wieder im Gläschen verschwinden lässt.

In der nächsten Folge wird der Mediziner die Prothese übrigens nicht aus der Kitteltasche zaubern – dann geht es um die Hüfte.

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