Klinik vor Ort - Wenn einem der Stau auf die Nerven geht
Wie nervenzerreißend kann es sein – ein Stau auf der Autobahn, gefühlt geht es nicht mehr voran. Was der Autoverkehr mit dem komplizierten Wort Nervenkompressionssyndrom zu tun hat? Wohl nur nah an der Praxis orientierte Chirurgen finden den richtigen Zusammenhang. Durch bildhafte Erklärungen versteht dann aber auch der Laie, was er hat und warum zum Beispiel seine Finger taub sind.
In dieser Folge von „Klinik vor Ort“ geht es aber auch um das Menü mit Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch der Fußchirurgie, wie es Privatdozent Dr. Matthias Lerch, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie, Hand- und Fußchirurgie sowie Sportmedizin im Krankenhaus, nennt.
Aber zunächst zurück zum nervenaufreibenden Stau – in diesem Fall der im Karpaltunnel. „Immerzu fahren die Autos hierdurch“, erklärt der zertifizierte Handchirurg Dr. Bernd Sauer und zeigt auf das Handgelenk. „Und dann passiert es, es kommt zum Stau – Unfall an einer Stelle. Nichts geht mehr – weder vor oder zurück“. Aber was genau staut sich da im Sehnenfach der Hand? Der Nerv!
In Höhe der Handwurzel verläuft der Mittelarmnerv. Er versorgt den Daumen, den Zeige-, den Mittelfinger und die Hälfte des Ringfingers. Ein weiterer, der Ellennerv, steuert den kleinen Finger und die andere Hälfte des Ringfingers. In der Regel haben die Patienten Beschwerden durch die Einengung des Nervs im Karpaltunnel. Sie klagen über nächtliches Kribbeln in der Hand und den Fingern, Schmerzen und Taubheitsgefühl. Bevor behandelt werden kann, muss natürlich sichergestellt werden, dass auch wirklich die Verengung des Karpaltunnels Auslöser ist. „Eine Nervenmessung und damit eine neurologische Diagnose ist auf jeden Fall notwendig“, erklärt Bernd Sauer, der etwa 200 Mal im Jahr den Karpaltunnel im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Operations-Tisch liegen hat.
Das Problem ist also nicht der Nerv selbst, sondern die Einengung des Tunnels. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Dazu gehört übrigens auch die Schwangerschaft. Aber in der Regel schwillt Gewebe nach der Entbindung wieder ab, sodass die Nerven wieder ungehindert durch den Karpaltunnel „fahren“ können. Verletzungen (Bruch der Speiche) können ebenso Auslöser sein, wie Überlastung, Entzündungen oder chronische Erkrankungen wie Diabetes oder Rheuma. Öfter trifft es übrigens Frauen. Der ambulante operative Eingriff – minimalinvasiv – dauert übrigens nur 15 Minuten. Dabei wird das Dach des Karpalkanals durchtrennt, um so eine Druckentlastung zu schaffen.
Oder, wie es Bernd Sauer erklärt, „wir legen eine dritte Fahrspur, damit der Verkehr wieder fließen kann.“ Die Öffnung wird – wie so oft in der Natur – wieder zusammenwachsen, aber meist so, dass der Nerv nicht mehr behindert wird. Der Eingriff erfolgt unter Vollnarkose. „Örtliche Betäubung lässt das Gewebe anschwellen und ich sehe gern, was ich operiere“, erklärt der zertifizierte Handchirurg miteinem Augenzwinkern.
Ein gutes Auge und nicht weniger Gespür für bildhafte Erklärungen hat Chefarzt PD Dr. Matthias Lerch. Er kennt sich bestens aus, wenn es um den Tarsaltunnel geht, dem „großen“ Bruder des Karpaltunnels. Genau wie an der Hand kann es auch am Fuß zu Kompressionen kommen, also zu Einengungen – betroffen ist dann der Schienbeinnerv. Schmerzen und Taubheit von Zehen, Fußsohle, Ferse und Wade können die Folge sein. „Oft geht dieses Syndrom mit einer Fehlstellung des Fußes einher“, erklärt der Mediziner und zeigt Bilder von ausgeprägten Plattfüßen. Auch Verletzungen können Auslöser sein. Greifen konservative Methoden nicht mehr, kümmert sich Lerch um die Kompression und damit wären wir beim „Menü des Tages“. „Was bringt es mir, wenn ich die Vorspeise esse und dann den Hauptgang weglasse“, sagt der 41-Jährige lachend. Gemeint ist, nur die Verengung im Tarsaltunnel zu beseitigen bringt nichts, wenn er den Auslöser der Beschwerde, wie zum Beispiel den Knick-Senkfuß (Plattfuß), nicht korrigiert. Die Absenkung des Fußlängsgewölbes führt in 50 Prozent der Fälle zum erhöhten Druck auf den Tarsaltunnel. Nun ist die Operation eines Plattfußes eine komplexe Angelegenheit von Eingriffen in die Weichteile und am Knochen.
Die Zugverhältnisse und Weichteilspannungen der Fußwurzel müssen verändert werden. „Von dem Fersenknochen wird ein Stück abgesägt, nach innen versetzt und verschraubt“, erklärt der Chirurg. Die Ferse wird nach innen versetzt, das bringt Entlastung für die Sehne des hinteren Schienbeinmuskels.
Je nach Komplexität dauert der Eingriff zwischen einer und zwei Stunden, so Dr. Lerch. Sechs Wochen muss der Fuß – das Tragen eines Spezialschuhs ist nicht schön, aber unvermeidbar – entlastest werden, bevor er langsam wieder belastet wird.