Tarsaltunnelsyndrom

Das Tarsaltunnelsyndrom ist ein eher seltenes Einklemmungsyndrom des Schienbeinnervs am Innenknöchel. Typische Symptome sind stechende und vor allem brennende Schmerzen am Innenknöchel mit Ausstrahlung in die Wade, die Ferse und den Fuß, teils auch Sensibilitätsstörungen, verminderte Schweißsekretion und Muskelschwächen.

Anatomie

Die sensible und motorische Versorgung des Unterschenkels und des Fußes erfolgen über den Ischiasnerv (Nervus ischiadicus), welcher sich in Höhe des Beckens oder spätestens in Höhe des Oberschenkels in seine beiden Hauptäste Wadenbeinnerv (Nervus peronaeus communis) und Schienbeinnerv (Nervus tibialis) aufteilt. Der Wadenbeinnerv verläuft auf der Außenseite und teilt sich dort weiter auf, der Schienbeinnerv läuft entlang der Kniekehle in die Wade und dann später zum Innenknöchel. Hier verläuft er an der Hinterkante des Innenknöchels und tritt in den sogenannten Tarsaltunnel ein, eine knöcherne Rinne am Innenknöchel.

Diese Rinne wird auf der Innenseite von oben nach unten vom Innenknöchelanteil des Schienbeines, vom Sprungbein und vom Fersenbein gebildet und nach außen von einer festeren Bindegewebsgrenzschicht, dem Ligamentum laciniatum bedeckt. In dieser Rinne verlaufen neben diesem Nerv drei Sehnen der langen Großzehen- und Zehenbeuger und der hintere Schienbeinmuskel (Mm. flexor hallucis longus, flexor digitorum longus, tibialis posterior), die hintere Schienbeinarterie (A. tibialis posterior) und die hintere Schienbeinvene (V. tibialis posterior). Vom Schienbeinnerv geht im Tarsaltunnel noch ein Hauptnerv für das Fersenbein ab, dann teilt sich der Nerv im Tarsaltunnel in einen äußeren und einen inneren Fußast auf (Rr. plantaris lateralis / medialis) mit motorischen und sensiblen Anteilen.

Symptome und Verlauf

Typisch sind belastungsabhängige Schmerzen, zum Teil mit brennendem Charakter (neuropathischer Schmerz), in Höhe des Innenknöchels mit Ausstrahlung in den Fuß und auch in die Wade. Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen löst ein Klopfen im Nervenverlauf einen elektrisierenden Schmerz aus (Hoffmann-Tinel-Zeichen), das Anheben des Fußes insgesamt oder auch nur des Fußaußenrandes können die Beschwerden verstärken. In milderen Formen kann es nur zu einer Sensibilitätsstörung kommen, häufig kommen aber auch Schmerzen hinzu. Später können auch Muskelabschwächungen (motorische Störungen) oder sogenannte trophische Störungen wie eine verminderte Schweißsekretion auftreten.

Ursachen

Ausgelöst wird das Tarsaltunnelsyndrom meist durch mechanische Kompressionen (Einklemmungserscheinungen) oder auch funktionelle Überlastungen sowie durch Nervenerkrankungen, entzündliche oder selten auch tumoröse Veränderungen. Konkrete Beispiele sind:

  • knöcherne Veränderungen nach Brüchen am Innenknöchel, Sprungbein und Fersenbein
  • Bandverletzungen am Innenband und inneren Kapselbandapparat
  • Verletzungen der im Tarsaltunnel befindlichen Strukturen
  • funktionelle Überlastungen zum Beispiel beim Joggen (sogenannter Joggerfuß)
  • funktionelle Überlastungen zum Beispiel bei starkem Knickfuß
  • entzündliche Reaktionen bei rheumatoider Arthritis
  • entzündliche Reaktionen des Kapselbandapparates bei Sprunggelenksarthrosen
  • Raumforderungen durch zusätzliche Gefäßbündel, Ganglien oder Tumoren der Nerven
  • Raumforderungen durch Verdickung der angrenzenden Muskeln und Sehnen
  • entzündliche Reaktionen der Nerven bei Diabetes mellitus, Gicht, Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose), Fettstoffwechselstörungen und anderen Ursachen
  • als Folge einer Komplikation bei einer medizinischen Behandlung, vor allem nach operativen Eingriffen
  • postoperative Folgen durch Schwellungen, Narben etc.
  • anlagebedingt (etwa 20 Prozent der Fälle)

Diagnose

Neben der Erhebung der Anamnese und der klinischen Untersuchung sind Röntgenaufnahmen des Sprunggelenkes und eventuell auch eine Ultraschalluntersuchung sowie MRT-Aufnahmen sinnvoll, um mechanische Veränderungen der Knochen bzw. Veränderungen im Bereich der Weichteile zu erfassen. In unklaren Fällen kann auch eine elektrophysiologische Untersuchung zur Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit weitere Klarheit schaffen. Oft ist auch eine diagnostische Injektion eines Lokalanästhetikums hilfreich: bringt diese für eine gewisse Zeit eine Beschwerdelinderung, ist zumindest der Ort der Schädigung meist gut abgegrenzt.

Differenzialdiagnosen

Das Leitsymptom der Missempfindungen (neuropathischer Schmerz) und/oder Sensibilitätsstörungen, stechende (nozizeptive) Schmerzen und motorische Schwächen finden sich auch bei einer Vielzahl anderer Erkrankungen. Dazu gehören zum Beispiel (diabetischen) Polyneuropathien, Durchblutungsstörungensowie höher gelegenen Schädigungen der Nervenbahn zum Beispiel weiter oben am Unterschenkel, im Lenden- und Kreuzbereich oder in Höhe der Wirbelsäule bei Bandscheibenschäden (Bandscheibenvorfall), Lumbale Spinalkanalstenose, aber auch bei einem Fersensporn (Plantarsehnenfasciitis), bei einer Achillodynie (Schmerzsyndrom der Achillessehne) sowie einer weiteren Anzahl von Erkrankungen. Eine weitere wichtige Differenzialdiagnose ist eine Variante des Tarsaltunnelsyndroms, das Morton-Neurom, ein Engpasssyndrom der dort verlaufenden Nerven weiter unten am Fuß.

Therapie

Konservative Therapie

Soweit möglich und bekannt, sollte man die Ursache(n) behandeln. Mögliche konservative Therapieformen sind Sprunggelenksbandagen, Einlagen, Injektionen mit Lokalanästhetika (gegebenenfalls mit Corticosteroidzusatz), entzündungshemmende und schmerzhemmende Maßnahmen der physikalischen Therapie (Elektrotherapie, Ultraschall, pulsierende Magnetfeldtherapie und Varianten, Kälte- oder Wärmeanwendungen) oder Akupunktur.

Experimentell kann nach Fehlschlag aller anderen Verfahren auch eine Injektion mit Botulinumtoxin zur Behandlung der neuropathischen Schmerzkomponente erfolgen. Ruhigstellungen sind meist nur bei akuter starker Schmerzhaftigkeit und nur kurzfristig sinnvoll.

Operative Therapie

Bleiben konservative Maßnahmen erfolglos, kann eine operative Dekompression des Nervs, gegebenenfalls in Kombination mit operativer Beseitigung weiterer Ursachen angebracht sein. Dies sollte allerdings nur dann erfolgen, wenn eine klare mechanische Ursache nachgewiesen werden konnte. Früher wurden diese Operationen in der Regel offen durchgeführt, mittlerweile wird wegen der potenziell geringeren Schädigung die endoskopische Variante in der Regel bevorzugt.

Bei operativen Verfahren besteht jedoch auch die Gefahr, dass die Symptomatik hinterher nicht besser oder sogar schlechter wird, zum Beispiel durch postoperative Entzündungen, Nervenverletzungen oder überschießende Narbenbildung.

Die genannten Verfahren werden vor allem auf Basis des orthopädischen Erfahrungsschatzes eingesetzt. Hochwertige wissenschaftliche beweisende Studien hierfür sind nicht hinreichend bekannt. Die vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse sind sowohl für konservative als auch für operative Maßnahmen eher ernüchternd.

Literatur und weiterführende Links

Antoniadis, G. / Scheglmann, K.: Hinteres Tarsaltunnelsyndrom. Dtsch Arztebl 2008; 105(45): 776–81. https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=62258 (Abruf 28.12.2017).

Assmus, H. / Antoniadis, G. (Hrsg): Nervenkompressionssyndrome. Berlin: Springer, 3. Auflage, 2014.

Kursscript IGOST-Kurse „Botulinumtoxin in O & U“

Engelhardt Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie: Ligamentum laciniatum. http://www.lexikon-orthopaedie.com/pdx.pl?dv=0&id=01713 (Abruf 28.12.2017).

Hinweise für Patienten

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