Amputationen vermeiden - Füße von Diabetikern benötigen viel Pflege
Dabei können sich kleine Verletzungen schnell zu großen Wunden mit starken Entzündungen ausdehnen, die unbehandelt zu langen Krankheitsverläufen mit operativen Eingriffen bis hin zur Amputation führen können. „Die Früherkennung von Auffälligkeiten ist entscheidend für eine gute Heilung. Diabetiker sollten kleinste Hautrisse, Verletzungen und Druckstellen am Fuß daher frühzeitig einem Spezialisten vorstellen“, sagt Prof. Dr. Carsten Perka, stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU).
Die DGOU gibt Tipps, wie sich Komplikationen vermeiden lassen: Die konsequente Selbstuntersuchung, richtiges Schuhwerk mit einer geeigneten Fußbettung sowie täglich gewaschene und gecremte Füße gehören dazu. Bei Diabetikern kommt es infolge langjähriger veränderter Stoffwechsellagen, bedingt durch den erhöhten Blutzuckerspiegel, zu Veränderungen des Fußes: betroffen sind Nerven, Blutgefäße, Muskeln, Bänder und Knochen. Die Füße werden schnell trocken und rissig und sind damit anfällig für Verletzungen. Die Wundheilung ist aufgrund von Durchblutungsstörungen gestört.
Zudem kommt es aufgrund von Nervenschädigungen (Polyneuropathie) zum Verlust der Schmerzempfindlichkeit: Beispielsweise wird ein schmerzendes Steinchen im Schuh nicht wahrgenommen und kann den Fuß wund scheuern. „Die fehlende Hautempfindlichkeit muss daher durch einen Kontrollblick ausgeglichen werden“, sagt Dr. Jörn Dohle, Leiter der DGOU-Sektion Deutsche Assoziation für Fuß und Sprunggelenk (D.A.F.).
Findet sich eine kleine Verletzung oder eine beginnende Entzündung am Fuß, sollte diese umgehend behandelt werden. „Leichte Defekte können sich schnell zu chronischen Wunden entwickeln, wenn sie nicht frühzeitig behandelt werden“, warnt D.A.F.-Expertin Dr. Tanja Kostuj. So entstünden Geschwüre, bei denen sich das umliegende Gewebe entzündet und abstirbt. In der Folge drohten nicht selten die Amputation von Zehen, eines Fußes oder eines ganzen Beines. Im Frühstadium ließen sich diese Wunden jedoch noch gut behandeln.
Eine weitere Komplikation des diabetischen Fußes ist der sogenannte Charcotfuß: Durch Nerven- und Durchblutungsstörungen verlieren die Fußknochen an Stabilität und können schon bei normaler Belastung einbrechen und die gesamte Fußstatik zerstören. Das klinische Bild gleicht anfangs einer Entzündung. Unbehandelt kommt es zur Verformung des Fußes, die wiederum zu massiven Druckstellen und Geschwüren mit bakteriellen Entzündungen führt.
Viele Patienten mit einem diabetischen Fußsyndrom gehen jedoch erst zum Arzt, wenn sie ernsthafte Beschwerden haben und werden dann häufig zu spät zum Spezialisten überwiesen. In Deutschland gibt es jährlich ca. 19.000 Amputationen des Ober- und Unterschenkels (Majoramputationen) und 44.0000 Amputationen des Fußes – in 43 Prozent der Fälle sind Durchblutungsstörungen die Ursache dafür, in 39 Prozent der Fälle Diabetes mellitus*.
Auf die schwerwiegenden Folgen einer Amputation macht Prof. Dr. Bernhard Greitemann, Vorsitzender der DGOU-Sektion Vereinigung Technische Orthopädie (VTO), aufmerksam: „Patienten haben nach einer Amputation ein Leben lang Rehabilitationsbedarf – das Gehen mit einer Prothese muss neu gelernt werden.“
Präventionsmaßnahmen und die frühzeitige Diagnostik bzw. Therapie sind entscheidend für den Erhalt der Füße bei Diabetikern. Orthopäden und Unfallchirurgen raten daher zu folgenden Maßnahmen:
- Selbstuntersuchung: Diabetiker oder deren Angehörige sollten die Füße täglich nach Verletzungen, Druckstellen und Nagelveränderungen absuchen. Bei Schäden sollte unmittelbar ärztlicher Rat eingeholt werden, um das Ausbreiten von Entzündungen zu verhindern.
- Fußpflege: Die Füße sollten täglich gewaschen und eingecremt werden. Auch die Pflege der Zehennägel gehört dazu, ggf. durch einen Fachmann. Der Strumpfwechsel und die Desinfektion der Schuhe von innen sollten täglich durchgeführt werden.
- Schuhwerk: Diabetiker sollten nicht zu enges oder scheuerndes Schuhwerk tragen, damit es nicht zu Druckstellen oder Geschwüren kommt. Der Schuh sollte an den Zehen groß genug sein und keine innen liegenden Nähte haben. Vorteilhaft ist ein weiches, atmungsaktives Leder sowie keine oder eine weiche Vorderkappe. Bestehen bereits Nervenschäden (Polyneuropathie) oder Fußfehlstellungen sollte auf eine geeignete individuelle diabetikergerechte Weichbettung des Fußes geachtet werden.
- Schuhwechsel: Diabetiker sollten zur Verminderung von Druckstellen öfter mal die Schuhe wechseln.
- Sofort zum Arzt: Jede Schwellung am Fuß, kleinste Schäden an der Haut oder ein Pilzbefall sollten ärztlich untersucht werden.
- Fußschutz: Barfußlaufen sollte wegen der Verletzungsgefahr ganz vermieden werden, insbesondere wenn bereits eine Nervenschädigung (Polyneuropathie) festgestellt wurde, d.h. der Schmerzreiz als natürlicher Schutz vor tiefergreifenden Verletzungen ausfällt.
- Vorstellung in einer „Diabetischen Fußambulanz“: Bei bereits offenen und entzündeten Stellen am Fuß bzw. ausgeprägtem diabetischem Fußsyndrom sollte zügig eine Wundsanierung erfolgen, um einer Amputation entgegenzuwirken. Die Wundsanierung ist sehr anspruchsvoll und erfordert daher eine konzentrierte Zusammenarbeit mit Spezialisten verschiedener Fachgebiete. Dazu zählen: Diabetologen für die Optimierung der Blutzuckereinstellung, Radiologen für die Gefäßdiagnostik, Gefäßchirurgen für die Behandlung der Durchblutungsstörungen, Fußchirurgen für die operative Therapie, Neurologen sowie Orthopädieschuhtechniker zur Kontrolle der Schuhzurichtungen bzw. Orthesenversorgung. Diese Expertenteams sind regional unterschiedlich organisiert und etabliert.
*Quelle: Statistisches Bundesamt 2016
Erschienen: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) e.V.