Nackenschmerzen wirksam bekämpfen – So macht man das am besten

Nach Schmerzen im unteren Rücken ist der Nackenschmerz der meistverbreitete Schmerz. 45,7 % der Menschen in Deutschland berichteten in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal über Nackenschmerzen. Das ist fast jede zweite Person.
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Auf einer Bevölkerung von 85 Millionen sind das fast 40 Millionen Menschen! Ein Grund Nackenschmerzen wirklich ernst zu nehmen.

Der Aufbau und die Funktion der Halswirbelsäule

Um richtig zu verstehen, warum der Nacken mal so richtig schmerzen kann, ist es wichtig zu wissen, wie die Halswirbelsäule aufgebaut ist und wozu sie dient.
Der Nacken ist der obere Teil der Wirbelsäule und besteht aus 7 Wirbeln. Danach kommen die Brust- und Lendenwirbelsäule mit jeweils 12 und 5 Wirbeln.

Wo die Brust- und Lendenwirbelsäule eine tragende und Haltungsfunktion zur Bewältigung hoher Belastungen von Armen und Beinen hat, vereint die Halswirbelsäule die Tragefunktion und die Bewegungsfunktion in einem. Sie trägt den bis zu neun Kilogramm schweren Kopf und lässt ihn in fast allen Richtungen bewegen, wo in erster Linie die Drehbewegungen als die wichtigsten zu nennen sind.

Die unterschiedlichen Halswirbel

Es gibt einige Unterschiede zwischen den Halswirbeln. Die Wirbel im oberen Teil des Halses sind in der Regel kleiner und beweglicher, während die unteren Halswirbel größer sind, um größere Belastungen durch den Nacken und den darüber liegenden Kopf zu bewältigen.

MRT der Halswirbelsäule, © Nevit Dilmen, CC BY-SA 3.0

Das untere Bewegungssegment der Halswirbelsäule verbindet den Nacken mit dem oberen Bewegungssegment der Brustwirbelsäule und sie bilden zusammen das s. g. zerviko-thorakale Gelenk. Dieses Gelenk wird vor allem gekennzeichnet durch den relativ plötzlichen Übergang eines hochbeweglichen Halses in einen fast unflexiblen oberen Rücken. Zudem kehrt die
Rückwärtskrümmung der Halswirbelsäule sich in eine Vorwärtskrümmung der Brustwirbelsäule um. Diese typischen Merkmale des Übergangsbereichs führen zu einer höheren mechanischen Belastung besonders der unteren Bewegungssegmente des Halses und bei einer gleichzeitigen geringeren anatomisch bedingten Belastbarkeit können so leicht Beschwerden entstehen.

Die Wirbelgelenke

Alle Wirbel der Halswirbelsäule sind durch ein Paar von Facetten- oder Wirbelgelenken, eine Bandscheibe und starke, zugfeste Längsbänder verbunden. Der Stand der Gelenkflächen dieser Gelenke bestimmt zusammen mit dem Bau des Wirbel- / Bandscheibensegments und dem komplexen Bewegungsmechanismus die Beweglichkeit der Halswirbelsäule. Ähnlich wie andere große Gelenke sind die Wirbelgelenke mit Knorpel ausgekleidet und mit einer Gelenkflüssigkeit gefüllt. Sie werden zusammengehalten durch eine starke Kapsel und durch starke Bänder. Diese Kapsel und Bänder sind, wie in anderen Gelenkkapseln und Bändern, reichlich versorgt mit Nozizeptoren, sensorische Organe, die Schmerzreize aufnehmen können. Über die Nervenfasern, die mit diesen Rezeptoren verbunden sind, werden die Reize an die Hirnrinde weitergeleitet, wo sie als Schmerz wahrgenommen werden.

Die Wirbelsäule als Verursacher von Schmerzen

Es wird angenommen, dass die Zwischenwirbelkanäle, durch die diese Nervenfasern aus dem Rückenmark austreten und in die Arme, Beine und Facettengelenke ziehen, durch u. a. erkrankte Bandscheiben sich verengen (Stenose) und Nerven einklemmen können, die dann eventuell Schmerzen im Nacken und in den Armen oder Beinen verursachen. Erkrankte Bandscheiben können ebenfalls zu einer übermäßigen Belastung der Facettengelenke führen, was in gleicher Weise zu Nackenschmerzen führen kann, so die verbreitete Ansicht.

Starke Nacken- und Schulterblattmuskeln – gesunder Hals

Es sind die funktionierenden Muskeln, die dem Nacken seine Beweglichkeit, aktive Stabilität und relativ hohe Belastbarkeit verleihen. Man denke nur an Urban- und Street-Tänzer, die oft die erstaunlichsten Kunststücke auf dem Kopf vollführen.

Zum einen sind das die ursprünglichen tiefen Nackenmuskeln, welche die Hauptakteure für die Kopfbewegungen sind. Zweitens gibt es die oberflächlichen Rückenmuskeln, die nur eine begrenzte, zweitrangige, aber dennoch wichtige Funktion für den Nacken haben.

Ihre Hauptfunktion besteht in der stabilisierenden Bewegung des Schulterblatts und der Aufrichtung der Brustwirbelsäule, allerdings in enger Verbindung mit den Bewegungen des Arms sowie mit einer verringerten Rückwärtskrümmung des Halses. Der wichtigste oberflächliche Rückenmuskel, der auch für die Halswirbelsäule wichtig ist, ist der Trapez- oder Kapuzenmuskel. Der untere Teil mit aufsteigenden Fasern und der mittlere Teil mit horizontalen Fasern haben große Bedeutung für die optimale Ausrichtung und damit für die Belastbarkeit der Brust- und Halswirbelsäule. Die Hauptfunktion des oberen Teils mit absteigenden Fasern besteht im Normalfall darin, den Kopf zu drehen und seitwärts zu beugen. Nebenher hebt er die Schultern und (über-) streckt die Halswirbelsäule. Hiermit ist er gerade ein Gegenspieler der anderen Partien desselben Muskels.

Die drei Teile des Kapuzenmuskels, ©Henry Vandyke Carter, Public domain, via Wikimedia Commons, bearbeitet am 20-01.2024 Paul Geraedts

Da die Halswirbelsäule sehr anfällig für gleichzeitige Überstreckung, seitliche Beugung und Drehung ist, ist es wichtig, diese Bewegungen zu vermeiden, indem die Aktivität des oberen Teils des Kapuzenmuskels minimiert und die des mittleren und unteren Teils gefördert wird.

Was sagt die Wissenschaft?

Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die mittleren und unteren Schulterblattmuskeln eng mit dem Schultermuskel, dem Deltamuskel, zusammenarbeiten, denn sie bilden ein Kraftpaar. Und dieses Kraftpaar funktioniert optimal bei einem gesunden Schultergelenk. Eine verringerte Funktion dieses Kraftpaares führt zur erhöhten Belastung des Nackens und kann Schmerzen auslösen, die dann auf ein funktionsschwaches Schultergelenk zurückgeführt werden können.

Aktuelle Studien zeigen, dass ausstrahlenden Schmerzen im Arm nicht zwangsläufig mit einer Fehlfunktion des Nackens verbunden sind. Erkrankte Schultergelenke können nahezu dieselben Symptome hervorrufen.

Bildgebende Untersuchungen können Auffälligkeiten an der Halswirbelsäule zeigen, ohne dass diese mit Symptomen verbunden sein müssen. Andererseits zeigen radiologische Befunde keine positiven Ergebnisse bei Patienten mit Nackenbeschwerden. Motorische Befunderhebung sowohl der Halswirbel- als der Brustwirbelsäule und des Schultergelenks ist daher zu bevorzugen.

Fazit

Die Halswirbelsäule ist besonders anfällig für asymmetrische oder Kräfte senkrecht zur Längsachse. Bewegungen, die solche Kräfte auslösen, sollten man vermeiden. Außerdem sollte die Bewegungstherapie sich nicht nur auf den Nacken beschränken. Die Einbeziehung der Brustwirbelsäule und der Schulter ist wichtig, um Nackenschmerzen nachhaltig zu bekämpfen.

Übungsvideo

In diesem Übungsvideo erfahren Sie, wie Sie relativ einfach, aber effektiv ihren Nackenschmerzen entgegentreten können:

Der Inhalt dieses Beitrags basiert auf dem Inhalt des Buches "Trainingskonzeption für Patienten mit Rückenschmerz - PhysioNovo - Angewandte Rehabilitation und Sporttherapie", erschienen beim Springer Nature Verlag.

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