Kreuzbandriss – Kicker leben gefährlich
Ein unkontrolliertes Tackling – und der Stürzende kann sich sein Kreuzband verletzen. Der fatale Bewegungsmechanismus, der zum Riss führt, ist fast immer gleich: Eine Außendrehung des Unterschenkels und das gleichzeitige Aufklappen des Gelenkes an seiner Innenseite führen zu hohen Beschleunigungskräften, denen das ansonsten stabile Band nicht standhalten kann.
Vorderes und hinteres Kreuzband sind zentral im Kniegelenk positioniert. Sie stabilisieren das Gelenk und fast den gesamten Bewegungsablauf beim Laufen, Gehen, Springen. Ist das vordere Kreuzband kaputt, führt dies langfristig zu gravierenden Schädigungen des gesamten Gelenks.
Unmittelbar nach dem Unfall, bei dem das Kreuzband gerissen ist, spürt der Betroffene meist starke Belastungsschmerzen im Gelenk. Rasch bildet sich ein Bluterguss: Es entsteht ein Spannungsgefühl, und er kann nicht mehr auftreten. Diese akuten Beschwerden klingen innerhalb von zehn bis 14 Tagen ab, und das Gelenk lässt sich zunächst wieder normal belasten.
Aber schon bald verspürt der Betroffene ein Unsicherheits- und Instabilitätsgefühl, die Belastbarkeit des Gelenkes lässt auch im Alltag zunehmend nach. Irgendwann kommt es dann durch die anhaltende Instabilität zu Folgeschäden am Meniskus und am Gelenkknorpel.
Bis zu 80 Prozent der Betroffenen erleiden fünf bis zehn Jahre nach ihrem Kreuzbandverlust einen Meniskusriss. Damit wird ein weiterer Stabilisator des Gelenkes verletzt. Diese zunehmende Instabilität mündet später nicht selten in eine Arthrose.
Sport ohne Kreuzband? Schwierig
Weil der vordere Kreuzbandschaden vor allem junge und sportliche Menschen betrifft, haben die Patienten sehr häufig den Wunsch, weiterhin sportlich aktiv zu sein. Prinzipiell ist das bei einer guten Muskelführung des Kniegelenkes auch ohne ein funktionstüchtiges vorderes Kreuzband denkbar. Doch sollte man sich nicht täuschen lassen. Nach aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnissen kann aufgrund der Folgeschäden fünf Jahre nach einer Kreuzbandverletzung tatsächlich nur noch etwa jeder zweite Betroffene seinen Sport uneingeschränkt betreiben.
Somit bestehen eigentlich keine Zweifel daran, dass das vordere Kreuzband operativ stabilisiert werden sollte. Das betrifft übrigens nicht nur die jungen Erwachsenen, sondern auch Kinder und ältere Menschen.
Die modernen arthroskopischen Techniken – also die Operation mittels einer Gelenkspiegelung, bei der durch kleine Hautschnitte operiert wird („Schlüssellochchirurgie“) – haben die ältere Technik, bei der das gesamte Gelenk geöffnet werden muss, vollständig verdrängt.
Auch Techniken, bei denen das zerrissene Kreuzband wieder zusammengenäht wurde, sind heute überholt. Stattdessen wird das verletzte Kreuzband durch eine körpereigene Sehne ersetzt.
Das Wo ist entscheidend
Welche Sehne – bevorzugt werden Patella- und Semitendinosussehne – in welcher Technik eingesetzt wird, ist dabei fast nebensächlich. Wirklich entscheidend für den Patienten und technisch anspruchsvoll für den Orthopäden ist die richtige Platzierung der Ersatzsehne im Kniegelenk: Es muss möglichst genau an der gleichen Stelle wie das ursprüngliche Kreuzband positioniert werden. Denn nur so wird die annähernd volle Belastungsfähigkeit des Kniegelenkes gesichert.
Das Kniegelenk funktioniert allerdings auch nach einer gelungenen Operation nicht mehr so wie früher. Das liegt daran, dass das originale Kreuzband von einer Hülle umgeben ist, die bei einem Riss unwiederbringlich verletzt ist. In dieser Hülle sitzen die Nervenzellen, die für die Gelenkkoordination von großer Bedeutung sind. Glücklicherweise wird der Verlust dieser Nervenzellen im Alltag und im Freizeitsport von den Betroffenen meistens nicht bemerkt.
Der ideale Zeitpunkt für die Ersatzplastik nach einer vorderen Kreuzbandverletzung ist umstritten. Um Komplikationen bei der Operation zu vermeiden, warten viele Operateure ab, bis die schlimmsten Beschwerden im Kniegelenk abgeklungen sind. Als sicherer und komplikationsarmer Zeitraum gilt die vierte bis sechste Woche nach der Verletzung.
Der Eingriff kann aber auch unmittelbar nach der Verletzung vorgenommen werden, wenn im verletzten Gelenk noch nicht der körpereigene Heilungsprozess eingesetzt hat. Auch Begleitverletzungen entscheiden oft über den richtigen Zeitpunkt: Gerade Meniskusverletzungen sind häufig und sollten – soweit technisch möglich – möglichst bald genäht werden.
Die Schwere der Knieverletzung wird auch in der Nachbehandlung deutlich. Dabei gilt die Rehabilitation als wichtigste Maßnahme, um den Erfolg der Operation dauerhaft zu sichern. Die Arbeitsfähigkeit ist zumindest bei einer Bürotätigkeit nach 14 Tagen wiederhergestellt. Die sachgerechte und zeitintensive Rehabilitation dauert wesentlich länger – sie kann durchaus erst nach acht bis zehn Wochen oder sogar noch später abgeschlossen sein.
Und fast immer muss sich daran noch ein weiteres individuelles Aufbautraining anschließen. So ist oft erst nach drei Monaten überhaupt ein leichtes Lauftraining möglich, und die Wiederaufnahme kniebelastender Sportarten ist frühestens nach einem halben Jahr empfehlenswert.
Gute Aussichten
Die Langzeitprognose einer richtig durchgeführten Kreuzbandersatzoperation ist insgesamt gut: Die Stabilität des Gelenkes ist über Jahre gesichert. Allerdings muss der Betroffene auch wissen, dass die Entstehung einer Arthrose im verletzten Gelenk nicht immer verhindert werden kann.
Ihre Entwicklung ist trotz einer gelungenen Operation entscheidend von den vorhandenen Vorschäden oder den begleitenden Meniskusverletzungen abhängig. Aber: Nur ein stabilisiertes Gelenk hat überhaupt eine Chance, davor wirklich geschützt zu sein.