Schmerzfreie Hüfte: Aufbau des Hüftgelenks

In der Serie "Schmerzfreie Hüfte" zeigt Ihnen Prof. Dr. med. Hanno Steckel (Orthopäde und Unfallchirurg) Optionen und Therapien auf, die auch bei bereits geschädigtem Hüftgelenk Lebensqualität und Schmerzfreiheit bringen können. Sie bekommen auch wertvolle Informationen zur konservativen und operativen Behandlung eines Hüftgelenks.
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Von den etwa hundert Gelenken in unserem Körper ist das Hüftgelenk nach dem Kniegelenk das zweitgrößte Gelenk und unglaublich vielseitig. Der Mensch besitzt verschiedene Gelenkformen, je nachdem welche Funktion im Vordergrund steht. Während das Kniegelenk zum Beispiel ein Scharniergelenk ist und nur Beugung und Streckung zulässt, ist das Hüftgelenk ein Kugelgelenk.

Als Kugelgelenk hat die Hüfte drei Freiheitsgrade, sodass Bewegungen in allen drei Ebenen des Raumes möglich sind. Im Hüftgelenk kann somit gebeugt und gestreckt, herangeführt und abgespreizt sowie nach innen und außen gedreht werden. Damit ist das Hüftgelenk eines unserer beweglichsten Gelenke.

Bewegungsgrade des Hüft gelenks:

  • Beugung: 120–140°
  • Streckung: 10–20°
  • Heranführen: 20–40°
  • Abspreizen: 40–60°
  • Innendrehen: 30–50°
  • Außendrehen: 40–60°

Knochen

Im Hüftgelenk ist der Oberschenkelknochenkopf mit dem Becken gelenkig verbunden. Der Oberschenkelknochen gehört zu den langen Röhrenknochen und geht an seinem oberen Ende in den Schenkelhals über. Den Abschluss bildet der kugelförmige Hüftkopf, der eine Größe von circa 5 Zentimetern hat. Die Hüftgelenkpfanne des Beckens, ein platter Knochen, wird von Sitz-, Scham- und Darmbein zusammen gebildet. Das Gewebe unserer Knochen besteht aus lebenden Knochenzellen, Salzen und Fasern. Das Zusammenspiel von Salzen und Fasern kann man mit dem Wirkprinzip von Stahlbeton vergleichen.

Während der Beton für die Druckfestigkeit verantwortlich ist, braucht es den Stahl, um auch eine Zugfestigkeit zu erreichen. Ähnlich ist es beim Knochen. Mit Kalziumphosphat und den bindegewebigen Kollagenfasern vereinen die Knochen auf geniale Weise Festigkeit und Elastizität. Fehlen diese Salze, wie bei der Osteoporose im Alter, wird der Knochen weich und brüchig. Das Gewicht unserer Knochen macht übrigens 10–15 % des Körpergewichts aus.

Knorpel und Kapseln

Hüftkopf und Hüftpfanne sind die Gelenkpartner, die mit Knorpel überzogen und von einer Gelenkkapsel umgeben sind. Diese Kapsel ist von Gefäßen und Nerven durchzogen und verantwortlich für die Produktion der Gelenkflüssigkeit. Sie sorgt dafür, dass Gelenkkopf und Gelenkpfanne nicht bei jeder Bewegung aufeinander schaben, sondern aufeinander gleiten. Wegen der vielen Nerven in der Gelenkkapsel wäre auch jede Bewegung unangenehm. Erst die gelartige Gelenkflüssigkeit, die unter anderem aus Hyaluronsäure besteht, sorgt für den reibungsarmen Ablauf einer Bewegung im Gelenk. Wie eine Art Dichtungsring liegt der Gelenkpfanne zudem eine Gelenklippe auf, die für einen besseren Kontakt im Gelenk sorgt.

Das Knorpelgewebe ist ein Stützgewebe, bestehend aus Knorpelzellen, Fasern und wasserbindenden Substanzen wie den Glykoproteinen, die man mit einer Schicht aus Styroporkugeln vergleichen könnte. Knorpel reagiert elastisch auf Druck und Biegung. Für das Bewegungssystem wichtig sind sogenannte hyaline Knorpel und Faserknorpel. Der hyaline Knorpel besteht zu 70 % aus Wasser, sieht milchig-glasig aus, ist sehr zellreich, enorm druckelastisch und dient daher in den Gelenken als eine Art Polster. Er ist aus verschiedenen Schichten aufgebaut: Die oberste Schicht hat parallel zur Oberfl äche ausgerichtete Kollagenfasern, die für Glätte und problemloses Gleiten sorgen. In der tieferen Knorpelschicht sind die Kollagenfasern senkrecht zur Oberfläche ausgerichtet und die kugeligen Knorpelzellen liegen säulenartig übereinander.

Da das Knorpelgewebe selbst frei von Gefäßen und Nerven ist, werden seine Zellen über die Gelenkflüssigkeit ernährt. Knorpel ist eine geniale Gleitpaarung für die Gelenke. Es gibt allerdings einen Haken: Knorpel wächst nicht nach, sodass jeder Mensch mit seinem ganz persönlichen Knorpelvorrat leben muss. Das macht den Knorpel so kostbar, weshalb er auch als "Gold der Gelenke" bezeichnet wird. Geht der Knorpel kaputt, droht eine schmerzhafte Arthrose.

Bänder

Die Bänder wiederum helfen uns dabei, die Gelenke bei einer Bewegung zu stabilisieren. Sie sind einerseits Verbindungsstränge zwischen zwei Knochen und andererseits schützen sie die Gelenke vor übermäßiger Beweglichkeit. Sie bestehen aus straffem, wenig elastischem Bindegewebe, weshalb sie bei Überbeanspruchung auch reißen können.

Die drei wichtigsten Bänder des Hüftgelenks sind:

  • Darmbeinschenkelband (Ligamentum iliofemorale)
  • Sitzbeinschenkelband (Ligamentum ischiofemorale)
  • Schambeinschenkelband (Ligamentum pubofemorale)

Durch die Evolution und die Entwicklung des aufrechten Ganges hat sich die Belastung des Hüftgelenks stark geändert. Verteilte sich das Körpergewicht bei unseren Affen-Vorfahren noch auf alle vier Extremitäten, müssen nun Hüft- und Kniegelenk das ganze Körpergewicht tragen. Das Julius-Wolff-Institut der Charité fand heraus, dass beim Gehen die Kräfte, die auf Hüfte und Knie einwirken, ungefähr das 2,5-fache des Körpergewichtes betragen; beim Joggen ist es ein Vielfaches. Daher verwundert es wenig, dass Knie- und Hüftgelenke die am meisten beanspruchten Gelenke des Menschen sind und auch am anfälligsten für Verschleiß.

Muskulatur

Das stützende Gerüst aus Knochen bildet den passiven Teil, während die Muskulatur den aktiven Teil des Gelenks bildet, ohne den keine Bewegung stattfinden könnte. Von den grob 600 Muskeln, die uns bewegen, sind je nach anatomischer Zählweise, ungefähr 20 verschiedene Muskeln für das Hüftgelenk verantwortlich. Diese werden in Beuger, Strecker, Adduktoren, Abduktoren, Einwärtsund Auswärtsdreher unterteilt. Die Muskeln sorgen durch das Wechselspiel von Verkürzung und Erschlaffung für die Bewegung. Jeder Muskel besteht aus einem speziellen Gewebe, den Muskelzellen. Es handelt sich dabei um längliche dünne Strukturen, die mehrere Zentimeter lang sein können. Bei den Muskeln unseres Bewegungssystems werden diese Zellen auch Muskelfasern genannt. Mehrere Muskelfasern bilden ein Muskelfaserbündel, mehrere solcher Bündel bilden einen Muskel. Die Skelettmuskeln setzen über Sehnen an den Knochen an, dazwischen liegt der sogenannte Muskelbauch. Das charakteristische Merkmal der Skelettmuskulatur ist ihre Querstreifung.

Betrachtet man die Muskulatur unter einem Mikroskop, so sieht man zunächst nur die länglichen Muskelzellen. Bei einer weiteren Vergrößerung erkennt man, dass diese aus Tausenden von Strukturen bestehen, den Myofibrillen. Diese fadenartigen Gebilde sind dafür verantwortlich, dass sich die Muskulatur zusammenziehen kann. Zoomt man jetzt noch näher heran, so sieht man, dass diese Myofibrillen eine Querstreifung haben: Helle und dunkle Streifen wechseln sich ab. Es handelt sich dabei um verschiedene Eiweißstrukturen: die dünnen Aktinfilamente und die dicken Myosinfilamente. Zieht sich der Muskel zusammen, so gleiten diese Filamente ineinander, die Verschiebung führt zu einer Verkürzung des Muskels, er wird angespannt und kann seine Kraft entfalten.

Unsere Muskeln mögen es ausgewogen: Eine Mischung aus Dehnungs-, Kraft- und Ausdauertraining sorgt für eine gut ausgebildete Muskulatur und damit für ein Funktionieren unseres Bewegungssystems. Und darüber hinaus sind Muskeln teuer im Unterhalt; werden sie nicht beansprucht, so bilden sie sich ganz schnell zurück, da der Körper so Energie spart.

Muskeln beeinflussen unseren Zucker- und Fettstoffwechsel positiv. Sie haben einen hohen Grundumsatz, weshalb auch in Ruhe vom Körper viel Energie verbrannt wird. Sie sind ein Stoffwechsel-Turbo und sorgen ganz nebenbei dafür, dass das Stück Kuchen am Nachmittag nicht weiter ins Gewicht fällt". Eine gute Muskulatur schützt im Alter auch nicht nur vor Osteoporose, sondern ist quasi unsere Unfallversicherung. Sie garantiert uns Mobilität, Gleichgewicht, Haltung und Selbstständigkeit im Alter und bewahrt uns vor Stürzen. Muskeln sind der Grundbaustein für Fitness im Alter.

In dem Buch "Schmerzfreie Hüfte" von Prof. Dr. med. Hanno Steckel finden Sie weitere Informationen und Alternativen zur Hüftgelenks-OP sowie ein wertvolles Übungsprogramm.

Informationen zum Buch

Schmerzfreie Hüfte, ISBN 9783432115238; 19,99 EUR (D), 20,60 EUR (A); 164 S., 85 Abb., Broschiert (KB); Text: Prof. Dr. Hanno Steckel

Die nächsten Teile der Serie:

  • Erkrankung des Hüftgelenks
  • Untersuchung des Hüftgelenks
  • Übungsprogramm Hüfte
  • Konservative Therapie
  • Operationen

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