Wirbelsäulenfunktionsanalyse

Die Wirbelsäulenfunktionsanalyse ist ein strahlenfreies Messverfahren. Die Untersuchungen werden im Stehen und im Gehen durchgeführt. Die Messergebnisse stellen die Funktionsfähigkeit der Wirbelsäule dar und dienen als Grundlage für Therapien, beispielsweise bei Rückenschmerzen.

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Einsatzgebiete

Technische Grundlage für die Wirbelsäulenfunktionsanalyse ist ein optisches und strahlenfreies Messverfahren. Die Methode ist nebenwirkungsfrei und eignet sich somit ohne Einschränkung für alle Patienten, bei denen eine dreidimensionale Vermessung des menschlichen Körpers und der Wirbelsäule diagnostische Informationen zur verbesserten Planung und Durchführung von Behandlungen liefern kann. Weil das Verfahren strahlenfrei arbeitet, kann es bei Verlaufskontrollen beliebig oft eingesetzt werden [1].

Das Anwendungsspektrum umfasst viele Gebiete wie unter anderem:

Häufige Diagnose Rückenschmerz

Rückenschmerzen sind weltweit eine der Hauptursachen für körperliche Funktionseinschränkungen und einen Verlust an Lebensqualität. Mit einer Häufigkeit zwischen 30 und 60 Prozent innerhalb der Bevölkerung haben sie eine große Bedeutung für den Einzelnen und die Gesellschaft [3].

Erkrankungen der Wirbelsäule kommen bereits im Kindes- und Jugendalter vor und mit zunehmendem Alter können durch degenerative Veränderungen vielfältige Behandlungen notwendig werden. Allein in Deutschland hat die Anzahl der Wirbelsäulenoperationen von 2006 bis 2011 um 136 Prozent zugenommen, von circa 97.000 auf etwa 229.000 Eingriffe [4].

Angesichts der demographischen Entwicklung und dem zunehmenden Mangel an Bewegung wird die Anzahl und Bedeutung von Rückenleiden in den nächsten Jahren weiter steigen.

Ursachen und Risikofaktoren

Beschwerden am Rücken entstehen durch unterschiedliche Ursachen. Dabei kann es sich um Reaktionen durch ungleiche und sich ständig wiederholende Bewegungsabläufe (zum Beispiel Hinken, einseitige Bewegungen in der Arbeitswelt), um Erschlaffung der Muskeln und dem damit verbundenen Verlust von Stützfunktionen (Muskelschwund, Muskelentzündungen, usw.), um Überlastung (zum Beispiel durch schweres Heben), durch Spontanereignisse (wie Stürze, Unfälle), durch langes Verweilen in unnatürlichen Körperhaltungen (zum Beispiel am Computer) oder durch degenerative Veränderungen (Verschleiß, Osteoporose, usw.) handeln.

Im Alter nimmt das Risiko für Stürze zu, da sich die menschliche Koordinationsfähigkeit verringert [5]. Bei Jugendlichen ist die Gefahr für spätere Wirbelsäulenerkrankungen besonders hoch aufgrund zunehmender mangelnder Bewegung und vielfachem stundenlangen Sitzen, zum Beispiel vor einem Computer, Laptop oder Smartphone [6].

Als Schutzmechanismus blockiert der menschliche Körper bei Beschwerden häufig die Bewegungsabläufe, um größere Schmerzen zu vermeiden. Man spricht dabei von einer sogenannten Schonhaltung.

Symptome und Verlauf

Wirbelsäulenerkrankungen können in unterschiedlicher Form auftreten. Man sollte aber bei Rückenleiden auch immer den gesamten Bewegungsapparat berücksichtigen. Vielfach liegt bei Rückenschmerzen die primäre Ursache außerhalb der Wirbelsäule. So verursachen längerfristige

Fuß-, Knie- und Hüftprobleme oft Schmerzen im Rückenbereich, bedingt durch ungleichmäßige Bewegungen über einen langen Zeitraum. Schmerzen an der Hals- und Brustwirbelsäule sind häufig die Folgen von langem Sitzen vor dem Computer [7]. Aber auch Knochen-, Muskel- und degenerative Erkrankungen, einschließlich der Extremitäten, können die Ursache von Wirbelsäulenbeschwerden sein.

Bei größeren Wirbelsäulendeformitäten (Rückenbuckel/Rundrücken, Skoliose) treten in der Regel erst Schmerzen auf, wenn die Funktionsfähigkeit beim Gehen oder Laufen gestört ist und der Körper eine Schonhaltung eingenommen hat oder bereits ein Verschleiß eingetreten ist.

Der zunehmende Bewegungsmangel in der Gesellschaft führt auch dazu, dass die Bandscheiben zwischen den Wirbelkörpern weniger bewegt werden, was zu einer Mangeldurchblutung und somit Mangelversorgung führt. Dadurch verlieren die Bandscheiben ihre Elastizität und es kommt häufig zu schmerzhaften Bandscheibenvorfällen [8].

Bei auftretenden Rückenleiden bestehen meistens bereits über längere Zeit Beschwerden am Bewegungsapparat, die aber von vielen Betroffenen ignoriert werden, weil „es ja noch nicht genügend weh tut“.

Durchführung

Andere bildgebende Verfahren

Die Untersuchung der Wirbelsäule erfolgte bisher überwiegend mittels Röntgenaufnahmen oder Computertomographie (CT). Bei beiden Untersuchungsverfahren handelt es sich um statische Messmethoden, die aber keine Informationen über die Funktionsfähigkeit und Beweglichkeit einer Wirbelsäule liefern. Beim Röntgen werden, egal ob die Aufnahmen im Stehen oder Liegen angefertigt werden, nur zweidimensionale Bilder erzeugt, die keinerlei Informationen über eine 3D-Struktur liefern. Bei einem CT werden Aufnahmen nur im Liegen durchgeführt und sind somit für die Beurteilung von Wirbelsäulenfunktionen nicht zu benutzen.

Bei beiden Untersuchungsverfahren fehlen Informationen zur Haltung eines Menschen in normaler aufrechter Position und in der Bewegung. Röntgen und CT sind aber unersetzbar, sofern die Morphologie (Darstellung der Knochenstruktur, Frakturen, usw.) für die Diagnose von Wichtigkeit ist.

Wirbelsäulenfunktionsanalyse

Die Wirbelsäulenfunktionsdiagnostik erfolgt heute überwiegend mittels der optischen 3D/4D-Wirbelsäulenanalyse. Das System vermisst dreidimensional den menschlichen Rücken und kann daraus die Form, Position und Funktionsfähigkeit der Wirbelsäule und die Haltung des Patienten erfassen. Mit dem Verfahren ist eine 3D-Darstellung des gesamten menschlichen Oberkörpers und der Wirbelsäule möglich. Abweichungen der Messergebnisse von Normalwerten werden erfasst und Veränderungen über die Zeit (Verlaufsmessungen) sind aufgrund der strahlenfreien Methode jederzeit möglich [9].

Abb. 1: 3D-Wirbelsäulenmodell (Quelle: DIERS International GmbH)
Abb. 2: Fallbeispiel: Beinlängenausgleich (vorher-nachher) (Quelle: DIERS International GmbH)

Neben statischen Analysen lässt sich das Verfahren insbesondere auch beim Gehen und Laufen einsetzen (4D). Die Beweglichkeit des Rückens, der Wirbelsäule und jedes einzelnen Wirbelkörpers wird dabei erfasst. Bei Kenntnis der patienten-individuellen Funktion der Wirbelsäule und unter Einbeziehung der Beine und Füße in einen Untersuchungsvorgang lässt sich eine umfassende Diagnose des menschlichen Bewegungsapparates durchführen, die als Grundlage für gezielte Therapiemaßnahmen dient.

Abb.3: Dynamische Wirbelsäulenvermessung (Quelle: DIERS International GmbH)
Abb. 4: Ganzheitliche Bewegungsanalyse (Wirbelsäulen- / Beinachsen- / Fußdruckvermessung) (Quelle: DIERS International GmbH)

Die Methode der Wirbelsäulenfunktionsanalyse nimmt einen wichtigen Platz in der medizinischen Diagnostik ein, da keine alternativen Untersuchungsmethoden die Haltung des Menschen und die Funktionsfähigkeit der Wirbelsäule – von der Erstuntersuchung über Verlaufskontrollen bis hin zur Dokumentation von Therapieergebnissen – objektiv darstellen können.

Technisches Verfahren

Das Verfahren der optischen dreidimensionalen Wirbelsäulenvermessung basiert auf der Methode der Triangulation (Dreiecksberechnung). Methodisch wird dabei ein Messobjekt (ein Messpunkt) von mindestens zwei Kameras unter bekannten Winkeln aufgenommen. Die Position des Messobjektes kann damit dreidimensional berechnet werden. Ersetzt man eine Kamera durch die Projektion eines Lichtstrahls, so erhält man die gleichen Informationen und erzielt das selbe Messergebnis [10].

Bei der Verwendung eines ganzen Bündels an Lichtstrahlen kann man gleichzeitig eine gesamte Oberfläche zeitgleich vermessen. Diese Technik wird bei der Wirbelsäulenfunktionsanalyse eingesetzt. Bei Berücksichtigung der klinischen Aspekte ist eine Aufnahmezeit von höchstens

50 Millisekunden bei Aufnahmen im Stehen zu empfehlen, um Bewegungsunschärfen – aufgrund von Haltungsschwankungen während der Aufnahme – zu vermeiden. Bei Untersuchungen im Gehen oder Laufen reduziert sich die Aufnahmezeit für ein Bild auf wenige Millisekunden.

Durchführung der Vermessung

Der Patient steht bei der Durchführung einer Aufnahme in einem definierten Abstand vor dem Untersuchungsgerät. Bei dynamischen Untersuchungen geht oder läuft er auf einem Laufband.

Um die gesamten Körperfunktionen von Kopf bis Fuß zu vermessen sind neben der Wirbelsäulenfunktionsanalyse Kameras zur Erfassung der Beinachsen und eine Fußdruckmessplatte, die in das Laufband eingebaut ist, notwendig. Mit diesem Komplettsystem lassen sich zeitgleich alle Bewegungen des Körpers vermessen und Funktionsstörungen analysieren [11].

Abb. 5: Links: Wirbelsäulen-Funktionsanalyse (Aufnahmesituation), Rechts: Streifenprojektion, Oberflächenkrümmung, Höhenkarte, 3D-Wirbelsäulenmodell (v.l.n.r.) (Quelle: DIERS International GmbH)
Abb. 6: Ganzheitliche Bewegungsanalyse (Quelle: DIERS International GmbH)

Erfolgsaussichten

Eine sorgfältige Patientenbefragung (Anamnese) und Diagnose sind stets die Grundlage für eine erfolgreiche Behandlung von Erkrankungen. Je mehr Informationen einem Arzt oder Therapeuten zur Planung und Durchführung von Therapien bei Erkrankungen des Skeletts (Wirbelsäule, Becken, Gelenke, Beine, Füße) zur Verfügung stehen, desto besser kann er sich auf die individuelle Situation des Patienten einstellen. Wenn ein Patient während einer Therapie kooperativ ist, dann resultiert daraus in der Regel ein gutes Therapieergebnis.

Von weiterer Bedeutung bei der Ganzkörper- und Wirbelsäulenfunktionsanalyse ist die Möglichkeit, dass bei genauer Kenntnis von Fehlfunktionen des menschlichen Skelettsystems vorbeugende Maßnahmen möglich sind und sich somit ein Beitrag zur Vorbeugung von Erkrankungen ergibt.

Gerade bei Rückenbeschwerden kann eine eingehende Wirbelsäulenfunktionsdiagnostik Aufschluss über die Beweglichkeit der gesamten Wirbelsäule, aber auch über jeden einzelnen Wirbelkörper geben. Bei Einbeziehung der Beine und Füße in die Vermessung (Ganzkörper-Untersuchung) wird der Arzt in die Lage versetzt, besser die Ursachen der Rückenschmerzen zu analysieren und zu verstehen. Auf der Grundlage dieser Diagnose können gezielte Therapiemaßnahmen verordnet werden (Physiotherapie, Massagen, Sport, gezieltes Fitnesstraining, Ernährung, usw.).

Der Patient kann und sollte außerdem viel für sich selbst tun, um nicht wieder in alte und schmerzhafte Verhaltens- bzw. Bewegungsmuster zurückzufallen. Das fällt vielen sehr schwer, denn wenn die Schmerzen erst einmal wieder weg sind, dann erlischt oft auch die Energie für ein regelmäßiges und vorbeugendes Training.

Aber jeder sollte stets daran denken: Bewegung ist die beste Medizin!

Es ist jedoch zu empfehlen, dass Anleitungen für ein persönliches Gesundheitstraining möglichst unter ärztlicher oder sonstiger fachkundiger Beratung vorzunehmen sind, um unnötige gesundheitliche Risiken zu vermeiden.

Literatur und weiterführende Links

Liljenqvist, U. / Halm, H. / Hierholzer, E. / Drerup, B. / Weiland, M.: Die dreidimensionale Oberflächenvermessung von Wirbelsäulendeformitäten anhand der Videorasterstereographie. Zeitschrift für Orthopädie und ihre Grenzgebiete, 1998, 136(01), 57-64.

Betsch, M.: Rasterstereografie – Eine strahlungsfreie Alternative für Patienten mit Wirbelsäulendeformitäten. Management & Krankenhaus (4) 2014, Suppl. Ortho + Trauma, 4-6.

Raspe, H.: Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Rückenschmerzen. Robert Koch-Institut, 2012.

Rosenthal: Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen hat sich rasant entwickelt. Aerzteblatt.de, 2013. www.aerzteblatt.de/nachrichten/56566/Behandlung-von-Wirbelsaeulenerkrankungen-hat-sich-rasant-entwickelt (Abgerufen am 19.10.2017).

Runge, M.: Diagnosing fall risk in the elderly. Therapeutische Umschau, 2002, 59(7), 351-358.

Kamtsiuris, P. / Lange, M. / Rosario, A. S.: Der Kinder-und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS): Stichprobendesign, response und nonresponse-analyse. Bundesgesundheitsblatt- Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 2007, 50(5-6), 547-556.

Hartmann, B. / Spallek, M.: Arbeitsbezogene Muskel-Skelett-Erkrankungen. Eine Gegenstandsbestimmung. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed, 2009, (8): 423–436.

Albrecht, H.: Medizinische Schmerzdiagnostik zwischen Mythos und Realität – Chronische Rückenschmerzen als Krankheit des aufrechten Gangs. Complementary Medicine Research, 2001, 8(5), 288-294.

Asamoah, V. / Mellerowicz, H. / Venus, J. / Klöckner, C.: Oberflächenvermessung des Rückens. Der Orthopäde, 2000, 29(6), 480-489.

Frobin, W. / Hierholzer, E.: Automatic measurement of body surfaces using rasterstereography. II: Analysis of the rasterstereographic line pattern and three-dimensional surface reconstruction. Photogrammetric engineering and remote sensing, 1983, 49(10), 1443-1452.

Diers, H.: Optische Wirbelsäulen- und Haltungsverbesserung. Stand der Technik-formetric 4D. Orthopädie-Technik, 2008, 2, 110-113.

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
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