Rehabilitation in Orthopädie und Unfallchirurgie
Die Rehabilitation als dritte Säule des Gesundheitssystems gewinnt immer mehr an Bedeutung. Durch die immer älter werdende Bevölkerung erleben viele Betroffene Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen und Probleme am Bewegungsapparat. Auch nach Operationen oder Unfällen unterstützen Rehamaßnahmen die Reintegration in den Alltag. Ziele der Rehabilitation sind der Erhalt von Mobilität und Selbstständigkeit.
Rehabilitation ist die wichtige dritte Säule des Gesundheitssystems (nach Prävention – der Vorsorge – und Kuration – der Behandlung von Erkrankungen und Verletzungen) und hat das Ziel, den Betroffenen möglichst weitgehend wieder in die Selbstständigkeit, sowohl im privaten, als auch beruflichen Bereich, einzugliedern.
Rehabilitare = wiederherstellen, wieder befähigen
Wirkprinzip
Sie arbeitet dabei nach dem Prinzip der Behandlung von Funktionsstörungen. Hiermit ist gemeint, dass nicht allein die eigentliche Diagnose wesentlich ist, sondern vielmehr die umfassende Behandlung von Funktionsstörungen im Vordergrund steht, die den Betroffenen im Alltag, Beruf und privaten Umfeld einschränken. Diese sogenannten Teilhabestörungen gilt es zu beheben. Dabei spielen persönliche, individuelle Faktoren, aber auch die Situation des Umfeldes des Betroffenen eine wesentliche Rolle (beispielsweise die Unterstützung durch Angehörige, die Wohnlage, die Mobilität des Patienten). Der Patient muss somit „ganzheitlich“ betreut werden. Die orthopädische Rehabilitation stellt weiterhin einen der größten Bereiche im Spektrum aller Rehabilitationsmaßnahmen dar.
Einsatzgebiete
Rehabilitationsmaßnahmen haben in der Orthopädie und Unfallchirurgie im Wesentlichen zwei Einsatzbereiche: sogenannte Anschluss-Rehabilitationsmaßnahmen (AR oder AHB) nach vorhergehenden Akutbehandlungen (meist Operationen) oder sogenannte allgemeine Heilverfahren (ehemals Kur), die insbesondere bei chronischen Erkrankungen von besonderem Wert sind.
Kostenträger derartiger Maßnahmen sind bei erwerbstätigen Patienten in der Regel die Renten- oder Unfallversicherung, bei nicht mehr Erwerbstätigen die Krankenversicherung. Bei einer Rehabilitation der Renten- oder Unfallversicherung ist das Ziel die Reintegration an den Arbeitsplatz. Dies gelingt in etwa bei 70 bis 80 Prozent der Betroffenen. Bei der Krankenversicherung steht eine Verminderung pflegerischen Aufwandes oder eine Reduktion weiterer ambulanter Behandlungen im Vordergrund. Eingeleitet wird eine Rehabilitationsmaßnahme durch einen Antrag des behandelnden Arztes.
Rehabilitationsmaßnahmen können ambulant oder (häufiger) stationär durchgeführt werden. Dies ist abhängig von der individuellen Situation und dem Gesundheitszustand des Betroffenen. Wesentliche Indikationen sind:
- Degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates (zum Beispiel Wirbelsäulenschmerzen, degenerative Veränderungen der großen Gelenke),
- Chronische Schmerzzustände am Bewegungsapparat (zum Beispiel chronischer Rückenschmerz, CRPS, Neuropathien, Fibromyalgie)
- Operationen und Unfälle (oft Endoprothesen, Osteosynthesen, Amputationen, Lähmungen, Tumorerkrankungen)
- Stoffwechselerkrankungen mit Beteiligung des Bewegungssystems (entzündlich-rheumatische Erkrankungen, Diabetes mellitus, Osteoporose, etc.)
Durchführung
In der Rehabilitation wird in einem multidisziplinären, interdisziplinär zusammenarbeitenden Team multimodal, das heißt mit verschiedenen Therapieansätzen, behandelt. Ein derartiger Ansatz hat große Vorteile in der Behandlung länger bestehender, chronischer Beschwerden oder bei höherem Betreuungsbedarf nach operativen Eingriffen oder Unfällen.
Voraussetzungen für eine Rehabilitation
Voraussetzungen für die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen sind ein Rehabilitationsbedarf, eine ausreichende Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Rehabilitationsprognose.
Bedarf liegt dann vor, wenn die alltagsrelevante Beeinträchtigung nicht nur vorübergehend besteht, eine Beeinträchtigung der Teilhabe des Patienten im Alltag vorliegt und ein über die dekorative Versorgung hinausgehender, mehrdimensionaler und interdisziplinärer Ansatz erforderlich ist.
Rehabilitationsfähigkeit liegt dann vor, wenn der Betroffene aufgrund seiner körperlichen und psychischen Verfassung die für die Durchführung einer medizinischen Rehabilitation notwendige Belastbarkeit, Motivation oder Motivierbarkeit besitzt. In den letzten Jahren hat sich die Leistungsfähigkeit von Rehabilitationseinrichtungen massiv an das Leistungsspektrum der kurativen Einrichtungen angepasst, sodass auch früh nach Operationen und Unfällen die Patienten hervorragend betreut werden können.
Aufnahme in die Rehaeinrichtung
Bei Aufnahme in der Rehabilitationseinrichtung werden zunächst in der ärztlichen Aufnahme-Untersuchung die Vorunterlagen gesichtet. Es schließt sich eine ausführliche Patientenbefragung (Anamnese) mit zusätzlichem Fokus auf einer detaillierten Schmerzanamnese, einer beruflichen und sozialen Anamnese, aber auch eine Beleuchtung des psychischen Zustandes und des privaten Umfeldes an. Neben der körperlichen Leistungsfähigkeit ist eine Einschätzung der psychischen, sozialen, geistigen Fähigkeiten wichtig. Mit dem Arzt werden dann einvernehmlich Rehabilitationsziele vereinbart und die Behandlung abgesprochen. Der Arzt koordiniert im weiteren Verlauf die Behandlungsaufgaben im Team.
Nach operativen Eingriffen wird bedingt durch die immer frühzeitigeren Verlegungen aus den Akutkliniken in der Rehabilitation eine immer intensivere Betreuung erforderlich. Hierzu zählen neben der Schmerztherapie und der Mobilisierung auch eine gekonnte Behandlung im Wundmanagement.
Rehamaßnahmen in der Orthopädie und Unfallchirurgie
Klassische Behandlungsansätze orthopädischer Rehabilitation sind Bewegungstherapie (Krankengymnastik, Sporttherapie, Ergotherapie), Physikalische Therapie (Massagen, Wärme- und Kälteanwendungen, Elektrotherapie, Hydrotherapie, Ultraschall etc.). Begleitet wird dies durch eine ärztliche Schmerzbehandlung (Medikamente, Injektionstherapien, manuelle Therapie, Akupunktur), sowie Maßnahmen aus dem Bereich der technischen Orthopädie (Prothesen, Orthesen, Schuhzurichtungen, Einlagen).
Begleitet wird dies durch eine psychologische Betreuung und Interventionen. Nach großen Eingriffen und Unfällen können dies beispielsweise posttraumatische Belastungsstörungen sein, bei chronischen Schmerzen am Bewegungsapparat kann eine sekundäre psychische Beeinträchtigung (oft depressive Verstimmung) vorliegen oder es kann sogar eine primäre psychosomatische oder psychische Erkrankung vorliegen, die sich durch Beschwerden am Skelettsystem äußert. Dies ist nicht selten. Bei chronischen Rückenschmerzen geht man davon aus, dass deutlich mehr als 50 Prozent der Patienten einer Behandlung aus diesem Bereich bedürfen.
Ein weiterer wichtiger Behandlungsansatz ist eine detaillierte Sozialberatung mit Einleitung begleitender Maßnahmen. Hier können unterstützende Maßnahmen im heimischen Bereich oder berufliche Rehabilitationsmaßnahmen bereits angebahnt werden. Eine zunehmend bedeutsamere Rolle spielt dabei die medizinisch beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR), bei der die Patienten nach medizinischer Rehabilitation oder parallel dazu bereits mit einem arbeitsplatznahen Training auf die Reintegration an den Arbeitsplatz vorbereitet werden können.
Bedeutung der Rehabilitation
Die Bedeutung orthopädisch-unfallchirurgischer Rehabilitation wird aufgrund der sich verändernden demographischen Entwicklung weiter zunehmen. Wollen wir alle einen aktiven dritten Lebensabschnitt erleben, so kommt der dafür erforderlichen Mobilität eine immer wichtigere Rolle zu. Im Rahmen des Alterungsprozesses sind Kraftminderungen und koordinative Störungen wesentliche Ursachen für Stürze, dadurch bedingte Erkrankungen und Verletzungen und letztendlich den Verlust von Mobilität und Selbstständigkeit. Schmerzen aufgrund degenerativer, verschleißbedingter Veränderungen führen ebenfalls häufig zu einem Verlust an Lebensqualität und Selbstständigkeit. Die orthopädisch-unfallchirurgische Rehabilitation hat in dieser Hinsicht eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe.