Physikalische Therapie

Unter physikalischer Therapie versteht man eine Behandlung mit Hilfe der in der Natur vorkommenden Energien sowie mit Hilfe von technikgestützten Behandlungsarten. Abzugrenzen sind diese Therapieformen von der Krankengymnastik/Physiotherapie. Die Wirkung beruht auf physikalischen Gesetzen und physiologischen Reaktionen sowie der Adaptation (Anpassung des Organismus an Umweltreize).

Es handelt sich um in der Regel effiziente Behandlungen mit gutem Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil und darüber hinaus jahrhundertelanger Anwendung und Erfahrung.

Einsatzgebiete

Physikalische Therapie als Behandlungsform wird eingesetzt zur Behandlung von Schmerzen und Funktionseinschränkungen im Bereich der Stütz- und der Bewegungsorgane (Arthrosen, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, muskuläre Verspannungen) sowie einiger Hauterkrankungen. Insbesondere im Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Rheumatologie werden häufig Behandlungsmaßnahmen aus dem Bereich der physikalischen Therapie eingesetzt. Die Behandlungen können als Einzeltherapie, aber auch kombiniert verordnet und durchgeführt werden.

Wirkprinzip

Das Spektrum der physikalischen Therapie ist breit, Wirkprinzipien hängen von der jeweils gewählten Therapieform ab. Dabei lassen sich Wirkung und Wirksamkeit der physikalischen Therapie mit dem sogenannten Reiz-Reaktions-Prinzip erklären, den physiologischen Reaktionen des Körpers auf äußere Reize. Dabei finden sich als Reaktionsform auf die Reizung unter anderem direkte Wirkungen, zum Beispiel eine Hautrötung, dann eine Gegenregulation oder Adaptation, zum Beispiel in Form der Verringerung von Schmerzen, oder auch eine langfristige Anpassung und Konditionierung, zum Beispiel durch die Kräftigung der Muskulatur oder die Wiederherstellung des richtigen Muskeltonus (Eigenspannung der Muskeln) bei Verspannungen.

Durchführung

Die physikalische Therapie als Behandlungsform beinhaltet ein umfangreiches Spektrum, unter anderem Mechanotherapie, Thermotherapie, Hydrotherapie, Elektrotherapie, Fototherapie, Balneotherapie, Klimatherapie sowie Aerosol- und Inhalationstherapie. Im Bereich der Orthopädie und Rheumatologie sind es insbesondere die Verfahren der Thermotherapie (Wärme/Kälte), die Massageformen, die Balneotherapie (Bäderbehandlung) und die Elektrotherapie, einschließlich Ultraschall, die häufig zum Einsatz kommen.

Unterschieden werden hier Verfahren mit unmittelbarer Wirkung, zum Beispiel die Schmerzlinderung durch Elektrotherapie, von zeitabhängigen adaptativen Wirkungen, beispielsweise der Ausdauerverbesserung durch Training.

Die therapeutische Reizintensität ist auch abhängig von der körperlichen Konstitution und individuellen Reaktionsweise (Körperbau/Psyche), der vegetativen Ausgangslage (Tagesrhythmus) und ob es sich um einen ruhenden oder voll aktiven Organismus handelt. Zudem wirken sich auch biometeorologische Faktoren (Einfluss von Wetter und Klima auf den Organismus) auf das Behandlungsergebnis aus, ebenso wie die Intervalle zwischen Einzelmaßnahmen und das therapiebedingt geänderte Reaktionsverhalten.

Zugrunde liegt bei einer Verordnung immer eine umfassende Diagnose, bei der die Art und Intensität der Schmerzen/Störung (Aktualitätsdiagnose), die betroffene Körperregion (topische Diagnose) und die grundsätzliche Art der vorliegenden Störung/Erkrankung (Strukturdiagnose) erfasst werden. Hier geht es um die Feststellung des Spannungszustandes der Muskulatur, als auch um die Untersuchung des Gelenkspiels. Die gründliche Erfassung einer zugrundeliegenden Strukturdiagnose ermöglicht eine zielgenaue und individuell angemessene Auswahl der geeigneten Therapieverfahren.

Balneotherapie

Zu den Verfahren der therapeutisch eingesetzten Bäder (Balneotherapie) gehören die ansteigenden Teilbäder, Kneipp-Güsse, Teil- bis Vollgüsse, medizinische Bäder und die Thermalbäder. Bekannt sind darüber hinaus auch die Kneipp-Methoden, bei denen neben dem Einsatz von Heilpflanzen, Hinweisen zur Lebensführung, Gymnastik, Diätetik, insbesondere auch die Wasserbehandlungen im Vordergrund stehen. Zu den speziellen Methoden der heute eingesetzten Therapien unter Einsatz von Wasser gehört die Auftriebstherapie, wie zum Beispiel die Bad Ragazer-Ring-Methode, die Halliwick-Methode sowie die PIPE-Methode (Prone Immersion Physical Exercises).

Thermotherapie

Zu den Formen der Thermotherapie gehört im Bereich der Wärmetherapie (mit jeweils zunehmender Reizintensität) die Wattepackung sowie die Wärmelampe, gefolgt von der Kurz- und Mikrowelle bis hin zur Moorpackung, Heißluft und dem Überwärmungsbad. Bei Wärmebehandlungen gibt es zum einen die sogenannte konduktive Wärmezufuhr in Form von Hydrotherapie oder Heißluft in oberflächlichen Anwendungen, und darüber hinaus die strahlende Wärme, beispielsweise bei Infrarot-Behandlung. Wärme wird häufig mit Heilerden und Schlämmen (Peloiden), Moor, Fango oder Lehm in Form von Bädern und Packungen angewendet. Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sind hier als mögliche Kontraindikation zu berücksichtigen.

Das Überwärmungsbad hat die größte Reizintensität und wird bei chronisch ablaufenden Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises eingesetzt. Gestartet wird mit einer Wassertemperatur von 37°C, die im weiteren Verlauf auf 39°C gesteigert wird, gefolgt von einer Stunde Nachschwitzen und einer Stunde Nachruhe.

Die Kältetherapie (Kryotherapie) stellt einen Wärmeentzug dar, hierbei kommt es zu einer Drosselung der Haut- und Unterhautdurchblutung, wobei nach einer kurzfristigen Behandlung eine vermehrte Blutansammlung aufgrund der Reizung (reaktive Hyperämie) besteht, weshalb in der Regel mit einer Langzeit-Kryotherapie zur Abschwellung und Schmerzlinderung gearbeitet wird. Eingesetzt werden bei der Kältetherapie zum einen tiefgefrorene Frottee-Tücher, Eiswürfel, formbare Packungen, zum Beispiel Kryopac und das Vereisungsspray.

Hydrotherapie

Zu den Verfahren der Hydrotherapie zählen Bäder, Güsse, Packungen, Waschungen und Wickel. Bei der kurmäßigen Anwendung dieser Verfahren kommt es zu einer reflexbedingten Sofortreaktion, der Körper reagiert auf die Wärme- oder Kältereize durch die bestehenden Reflexverbindungen zwischen Haut und inneren Organen und reguliert sich selbst (Änderung der vegetativen Ausgangslage). So wird beispielsweise eine Entspannung der Muskulatur, eine Schmerzlinderung oder Förderung der Durchblutung bewirkt. Mögliche Nebenwirkungen, zum Beispiel eine erhöhte Rechtsherzbelastung, sind zu berücksichtigen.

Massagen

Bei den Massageformen wird unterschieden zwischen Teilmassagen, Lymphdrainagen, Vollmassagen, intensiven Bindegewebsmassagen und Unterwassermassagen (mit jeweils zunehmender Reizintensität). Die Indikation für diese Therapieformen sind lokalisierbare schmerzhafte Tonusänderungen der Muskulatur und ausgedehnte Wassereinlagerungen (Verquellungsbezirke) im Unterhaut-Bindegewebe mit mangelhafter Verschiebbarkeit der Schichten.

Die Wirkung von Massagen erklärt sich zum einen über die Erkennung und Beseitigung von Gewebeveränderungen, zum anderen aber auch über Effekte, die unter dem Oberbegriff „Reflextherapie“ zusammenzufassen sind. Die klassische Massage bezieht Hautrezeptoren mit ein und erzielt ihre Effekte dabei auch über die sogenannten Propriozeptoren (Rezeptoren der Tiefensensibilität). Aktiviert werden dabei die Durchblutung und der Lymphfluss, zudem führt die Therapieform zu einer Entspannung bzw. Tonisierung, je nach Art der Durchführung.

Die Bindegewebsmassage hingegen ist ein Eingriff in das Gesamtsystem der Organe und Gewebe des Körpers, die allesamt zusammenwirken und sich gegenseitig beeinflussen. Sie wird insbesondere bei zonalen Bindegewebsverquellungen mit daraus folgenden Schmerzen und Einschränkungen eingesetzt.

Eine weitere Massageform ist die manuelle Tiefenmassage nach Marnitz. Hierbei werden sogenannte periphere Störfelder oder Schlüsselzonen definiert, Reflexzonen in verschiedenen Körperregionen, die über das Nervensystem miteinander verknüpft sind. Diese werden mit einem von außen nach innen wirkenden Heilreiz behandelt.

Die Unterwasser-Druckstrahlmassage führt zu einer muskulären Entlastung durch Auftrieb, wobei die Massagewirkung des Wasserdruckstrahles tonisierend oder entspannend eingesetzt werden kann. Zudem führt die in der Regel im warmen Wasser durchgeführte Therapieform, die somit auch zur Thermotherapie zu zählen ist, zu einer Wärmeübertragung.

Elektrotherapie

Die Elektrotherapie bietet ein breites Spektrum therapeutischer Möglichkeiten und nutzt dabei verschiedene Stromformen (galvanischer Gleichstrom, nieder- / mittel- oder hochfrequente Reizströme), insbesondere zur Verbesserung der Durchblutung, Stimulation von Nerven, Lähmung oder Abschwächung der Muskelaktivität bis hin zur Schmerztherapie.

Die elektrische Energie hat dabei unterschiedliche Auswirkungen im menschlichen Körper: sie kann die Schmerzfortleitung zum Gehirn hemmen (Verdeckungseffekt), eine Stimulierung schmerzhemmender Endorphine im Thalamus, einem Teil des Zwischenhirns, bewirken, oder auch die Schmerzempfindung verändern, indem sie bei Gleichstromanwendungen die Erregbarkeit des stromdurchflossenen Nervs verringert und damit die Schmerzschwelle erhöht.

Gleichstrom wird eingesetzt zur Durchführung galvanischer Strombehandlungen und der sogenannten Iontophorese, die häufig zur Behandlung bei Arthrosen der großen Gelenke genutzt wird.

Niederfrequente Stromformen finden sich beim sogenannten faradischen Strom, Schwellstrom, TENS, Exponentialstrom, diadynamischen Strom und Ultrareizstrom. Insbesondere TENS ist ein etabliertes Verfahren in der Schmerztherapie und soll eine Überdeckung der aus den Außenbereichen des Körpers in Richtung Rückenmark und Gehirn führenden Schmerzreize bewirken. Exponentialstrom findet Anwendung bei Lähmungen, zum Beispiel bei der sogenannten Fußheberschwäche. Der Schwellstrom wird hingegen eingesetzt zur Stimulierung geschwächter Muskeln, zum Beispiel nachdem einzelne Körperteile infolge einer Operation oder eines Unfalls längere Zeit ruhiggestellt werden mussten.

Die mittelfrequenten und hochfrequenten Ströme werden in der Regel eingesetzt zur Verbesserung der Durchblutung und zur Schmerzlinderung (zum Beispiel Interferenzstrom, Kurz- und Mikrowelle).

Während der Behandlung sollte darauf geachtet werden, dass keine direkte Durchströmung des Herzens erfolgt und dass Elektroden nicht auf offene Wunden oder im Bereich frischer Thrombosen aufgelegt werden. Weiterhin ist Vorsicht geboten beim Einsatz in Bereichen, in denen der Patient an einer gestörten Oberflächensensibilität leidet. Natürlich sollten Elektrotherapieformen auch dann nicht eingesetzt werden, wenn eine persönliche Abneigung gegen Elektrostimulation oder eine sogenannte Elektrophobie besteht. Elektrotherapieverfahren können auch mit Wasserbehandlungen kombiniert werden, als sogenannte hydrogalvanische Anwendungen, zum Beispiel als Stangerbad oder Zwei- bzw. Vierzellenbad.

Ultraschall

Die Ultraschall-Behandlung ist zwar eine auch mit technischen Mitteln erzeugte Therapieform, jedoch keine eigentliche Elektrotherapie. Sie wird gerne in Kombination mit anderen Elektrotherapieformen, zum Beispiel Reizstrom, eingesetzt und ist besonders wirksam bei Reizzuständen und Schmerzen am Übergang zwischen Knochen und Sehnen, beispielsweise am Schulter- und Ellenbogengelenk sowie am Kniegelenk.

Erfolgsaussichten

Eine Behandlung mit den verschiedenen Formen der physikalischen Therapie wird von zahlreichen Leitlinien der Fachgebiete Orthopädie, Unfallchirurgie, physikalische Medizin und Rehabilitation empfohlen. In der Regel werden physikalische Therapiemaßnahmen nicht einzeln eingesetzt, sondern als Teil eines komplexen Behandlungsprogrammes, um so zum Behandlungserfolg beizutragen.

Literatur und weiterführende Links

Drexel / Hildebrandt / Schlegel / Weimann: Physikalische Medizin / Physiologische Grundlagen, Thermo- und Hydrotherapie, Balneologie und Medizinische Klimatologie, Band 1. Hippokrates, 1990.

Drexel / Hildebrandt / Schlegel / Weimann: Physikalische Medizin / Elektro- und Lichttherapie, Band 4. Hippokrates, 1990.

Schön Kliniken: Therapielexikon – Physikalische Therapie

Der Heilmittelkatalog: Maßnahmen der Physikalischen Therapie

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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