Unspezifischer Rückenschmerz

Unspezifische Rückenschmerzen sind solche Rückenschmerzen, bei denen keine eindeutigen Hinweise auf eine spezifische Ursache gefunden worden sind. Sie sind häufig von begrenzter Dauer und klingen von allein wieder ab. Demgegenüber finden sich bei spezifischen Rückenschmerzen Ursachen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Schmerzen verantwortlich sind und die gezielt behandelt werden können, wie zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall oder eine Fraktur.

Häufigkeit

Rückenschmerzen gehören in den Industrieländern zu den häufigsten Beschwerden der Bevölkerung. In Deutschland leiden etwa 85 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben an therapiebedürftigen Rückenschmerzen. Rückenschmerzen sind die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und die zweithäufigste Ursache für eine vorzeitige Berentung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Ursachen

Das Besondere an unspezifischen Rückenschmerzen ist die Tatsache, dass eben keine mit großer Wahrscheinlichkeit für die Schmerzen verantwortliche Ursache gefunden werden kann.

Basierend auf dem heute weltweit akzeptierten Konzept des sogenannten bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells spielen sowohl biologische (das heißt körperliche) als auch psychologische und soziale Faktoren eine entscheidende Rolle dabei, ob ein Mensch unspezifische Rückenschmerzen entwickelt, ob diese Beschwerden chronisch werden, wie diese behandelt werden sollen und wie die Prognose ist.

Symptome und Verlauf

Der Verlauf unspezifischer Rückenschmerzen kann je nach Einzelfall sehr unterschiedlich sein. Demzufolge ist eine individuelle Betreuung der Patienten sinnvoll und notwendig.

Die Schmerzen können akut auftreten und nach kurzem Verlauf spontan oder auch therapiert vollständig verschwinden. Von akuten Schmerzen spricht man bei einer Dauer von weniger als sechs Wochen. Akute Rückenschmerzen werden umgangssprachlich auch als „Hexenschuss“ bezeichnet. Rückenschmerz-Episoden zwischen sechs und zwölf Wochen werden als subakut bezeichnet. Dauern die Schmerzen zwölf Wochen und mehr an, spricht man von chronischen Schmerzen. Dabei kann das Ausmaß der Schmerzen schwankend sein. Von wiederkehrenden (rezidivierenden) Schmerzen spricht man dann, wenn nach einer Schmerz-Episode ein mindestens sechsmonatiges schmerzfreies Intervall vorhanden war und die Schmerzen danach erneut auftreten.

Ob ein Schmerz chronisch geworden ist, geht allerdings weit darüber hinaus, dass dieser mehr als zwölf Wochen besteht. Der Prozess der Schmerz-Chronifizierung ist ein sehr komplexes Geschehen, welches von zahlreichen Faktoren abhängig ist (bio-psycho-soziales Modell). Die Schmerz-Chronifizierung wird häufig mit der Ausbildung eines „Schmerzgedächtnisses“ in Verbindung gebracht.

Diagnose

Die Unterscheidung zwischen unspezifischen und spezifischen Rückenschmerzen ist häufig nicht einfach. Deshalb ist eine gründliche Untersuchung und weitere Beobachtung des Schmerzpatienten besonders wichtig, um spezifische Ursachen soweit möglich auszuschließen.

Abb. 1: Körperliche Untersuchung einer Patientin bei Rückenschmerzen (Quelle: glisic_albina/Fotolia)

Finden sich bei Patienten mit Rückenschmerzen beim ersten Arztbesuch durch die Anamnese und die körperliche Untersuchung keine Hinweise auf gefährliche Verläufe oder andere ernstzunehmende Erkrankungen, welche eine Therapie erforderlich machen würden, so sollen entsprechend aktueller Leitlinien vorerst keine weiteren diagnostischen Maßnahmen durchgeführt werden.

Psychosoziale und arbeitsplatzbezogene Faktoren

Psychosoziale und arbeitsplatzbezogene Risikofaktoren sollten von Beginn der Rückenschmerzen an berücksichtigt werden. Bestehen die Schmerzen länger als vier Wochen, ohne das eine leitliniengerechte Therapie Erfolg zeigt, sollten diese psychosozialen Faktoren mit einem standardisierten Screening-Instrument erfasst werden, um weitere Hinweise auf mögliche Schmerzursachen zu erhalten.

Bildgebung

Bestehen bei akuten und wiederkehrenden Rückenschmerzen keine Hinweise auf gefährliche Verläufe oder andere ernstzunehmende Erkrankungen anhand der Anamnese und der körperlichen Untersuchung sollte zunächst keine bildgebende Diagnostik durchgeführt werden. Bestehen nach vier bis sechs Wochen anhaltende aktivitätseinschränkende oder zunehmende Rückenschmerzen trotz leitliniengerechter Therapie, sollte überprüft werden, ob eine Bildgebung sinnvoll ist, um weitere Hinweise auf mögliche Schmerzursachen zu erhalten.

Hinzuziehen weiterer Experten

In bestimmten Fällen kann es sinnvoll sein, Mediziner anderer Fachgebiete hinzuzuziehen, um den Ursachen anhaltender Rückenschmerzen auf den Grund gehen zu können. Eine Bewertung, Beratung und Behandlung durch mehrere Fachdisziplinen, wie Orthopädie, Schmerzmedizin, Anästhesie, Psychologie und Physiotherapie (multidisziplinär), sollte erfolgen, wenn:

  • nach sechs Wochen Schmerzdauer, alltagsrelevanten Aktivitätseinschränkungen und unbefriedigendem Behandlungserfolg trotz leitliniengerechter Therapie zudem psychosoziale oder arbeitsplatzbezogene Risikofaktoren für eine Chronifizierung vorliegen,
  • nach zwölf Wochen Schmerzdauer alltagsrelevante Aktivitätseinschränkungen mit unbefriedigendem Therapieerfolg trotz leitliniengerechter Therapie vorliegen,
  • bei chronischen unspezifischen Rückenschmerzen eine erneute Verschlechterung aufgetreten ist, die nicht auf eine Behandlung reagiert.

Falls allerdings Warnhinweise auf gefährliche Erkrankungen, sogenannte „red flags“, vorliegen, sollte je nach Verdachtsdiagnose und Dringlichkeit eine weitere Diagnostik erfolgen. Diese besteht zum Beispiel aus einer Bildgebung oder Laboruntersuchung.

Therapie und Nachsorge

Für den gesamten Behandlungsprozess sollte ein Arzt als „Lotse“ die Fäden in der Hand halten und sämtliche Behandlungsschritte koordinieren. Akute unspezifische Rückenschmerzen klingen häufig ohne Therapie von allein wieder ab und verschwinden bei vielen Patienten relativ rasch wieder nach einigen Tagen bzw. Wochen.

Die Ziele der Behandlung unspezifischer Rückenschmerzen sind vielfältig. Neben der für die Patienten im Vordergrund stehenden Reduktion der Schmerzen, sollen sie auch die Grundlagen der Schmerzentstehung bei sich verstehen lernen. Dazu ist das Verständnis des bio-psycho-sozialen Konzeptes wesentlich. Wichtig ist auch, zu verstehen, dass keine gefährlichen spezifischen Erkrankungen den Schmerzen zugrunde liegen. Die Patienten lernen, individuell für sich Faktoren zu identifizieren, die den Schmerz positiv aber auch negativ beeinflussen. An diesen Faktoren setzen dann die verschiedenen Therapien an. Ein wesentliches Therapieziel ist die Vermeidung einer Chronifizierung.

Weiterhin aktiv am Leben teilnehmen

Die Patienten sollten ihr Leben möglichst aktiv weiterführen und wenn möglich auch am Arbeitsleben weiter teilnehmen. Hat man Rückenschmerzpatienten früher als Teil der Therapie häufig bewusst für eine gewisse Zeit aus dem Arbeitsprozess herausgenommen, zum Teil mit Bettruhe behandelt und Aktivität sowie Bewegung vermieden, so haben wissenschaftliche Studien mittlerweile gezeigt, dass der Erhalt von körperlicher Aktivität und Bewegung sehr wichtig ist. Von Bettruhe wird bei unspezifischen Rückenschmerzen mittlerweile abgeraten.

Abb. 2: Ein aktiver Lebensstil und regelmäßige Bewegung sind wichtig für Rückenschmerzpatienten. Von Bettruhe und dem Vermeiden von Bewegung raten Experten bei unspezifischen Rückenschmerzen mittlerweile ab. (Quelle: F8studio/Fotolia)

Schmerzlindernde und aktivierende Maßnahmen

Meistens bessern sich akute unspezifische Rückenschmerzen von alleine und benötigen keine oder nur sehr wenige Therapien. Schmerzlindernde Medikamente können die Behandlung unspezifischer Rückenschmerzen unterstützen. Dabei sollte für jeden individuellen Patienten das am besten passende Medikament ausgewählt werden und dieses so kurz und in so geringer Dosierung wie möglich angewendet werden. Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) sind die am ehesten empfohlenen Schmerzmittel, Paracetamol wird nicht empfohlen. Opioide können unter gewissen Umständen sinnvoll sein, eine Opioidtherapie ist allerdings leitliniengerecht durchzuführen und entsprechend zu kontrollieren.

Alles, was Passivität fördert (zum Beispiel Massagen, Wärmeanwendungen oder Akupunkter), soll nur in Verbindung mit aktivierenden Maßnahmen eingesetzt werden, nicht als passive Einzeltherapie. Bewegungstherapien kombiniert mit Informationen über die Erkrankung und verhaltenstherapeutischen Maßnahmen können bei akuten und sollten bei länger andauernden Rückenschmerzen eingesetzt werden. Entspannungsverfahren (zum Beispiel Progressive Muskelrelaxation) sind vor allem bei chronischen Schmerzen begleitend sinnvoll.

Multimodale Schmerztherapie

Chronische Schmerzpatienten sollten multidisziplinär von Ärzten verschiedener Fachrichtungen und mit einer Multimodalen Schmerztherapie behandelt werden. Diese Multimodale Schmerztherapie beinhaltet eine intensive Kombination schmerztherapeutischer und orthopädischer Behandlungen mit Bewegungstherapien, aktivierender Physiotherapie, begleitenden passiven Maßnahmen der physikalischen Therapie und psychologischen Behandlungen inklusive verhaltenstherapeutischer Ansätze.

Spezifische invasive oder gar operative Therapien sind bei unspezifischem Rückenschmerz nicht sinnvoll.

Vorbeugung

Zur Prävention von unspezifischen Rückenschmerzen wird vor allem körperliche Bewegung empfohlen. Diese kann sich nach den individuellen Vorlieben des Einzelnen richten. Auch das Verstehen der Ursachen unspezifischer Rückenschmerzen basierend auf dem bio-psycho-sozialen Konzept kann hilfreich sein. Zudem sind Maßnahmen am Arbeitsplatz, zum Beispiel die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes, Verhaltensprävention und die Förderung der Arbeitsplatzzufriedenheit sinnvoll.

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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Umstrittene Wirksamkeit
Hinweis: Bei den oben aufgeführten Diagnose- bzw. Behandlungsverfahren kann es sich eventuell um wissenschaftlich umstrittene und derzeit nicht von allen Experten wissenschaftlich anerkannte Methoden handeln. Die Kosten dieser Anwendungen werden von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet.
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