Tinnitus

Mit Tinnitus werden in der Medizin störende Ohrgeräusche oder Töne beschrieben, die von den Betroffenen wahrgenommen werden, ohne dass eine akustische Stimulation von außen, also ein tatsächliches Geräusch, vorliegt. Ein Tinnitus ist jedoch keine Krankheit im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr das Symptom einer Erkrankung. Im Rahmen einer Basisdiagnostik gilt es daher zunächst einmal abzuklären, ob und wo belastende Faktoren vorliegen, die für die Ohrgeräusche verantwortlich sind.

Abb. 1: Tinnitus ©psdesign1/Fotolia

Häufigkeit

Etwa fünf bis 15 Prozent der Erwachsenen kennen das Rauschen, Pfeifen und Klingeln im Ohr. Jährlich werden etwa 340.000 Neuerkrankungen gezählt. Schätzungen gehen davon aus, dass rund fünf Prozent unter einem permanenten Tinnitus leiden. In den kommenden Jahren wird das Vorkommen voraussichtlich weiter ansteigen. Ein wesentlicher Grund dafür ist der zunehmende Freizeitlärm.

Ursachen

Von Experten werden rund 800 verschiedene Ursachen für Ohrgeräusche oder Tinnitus diskutiert. Häufige Auslöser sind Lärmschwerhörigkeit, Knall- oder Explosionstrauma, Hörsturz, Kiefergelenksstörungen (CMD = Craniomandibuläre Dysfunktion), internistische oder kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzrhythmusstörungen, Arteriosklerose, Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Stoffwechselerkrankungen. Weiterhin können auch Stress, Medikamente sowie funktionelle Blockierungen der Halswirbelsäule, Verspannungen der Nackenmuskulatur oder eine Atlas-Dysfunktion für einen Tinnitus verantwortlich sein.

Symptome und Verlauf

Vor allem ein chronischer Tinnitus ist für den Betroffenen sehr belastend. Neben den Hauptsymptomen wie Rauschen, Sausen, Brummen oder Klingeln kommt es nicht selten zu weiteren Begleitsymptomen, die massive Auswirkungen auf sämtliche Lebensbereiche haben können. Neben Gereiztheit, Konzentrations- und Schlafstörungen, Schwindel und Kopfschmerzen leiden Tinnitus-Patienten nicht selten auch an Angstzuständen oder Depressionen.

Diagnose

Um der Ursache von Ohrgeräuschen bzw. Tinnitus auf den Grund zu gehen und eine zielgerichtete Therapie einleiten zu können, ist es wichtig, dass Fachärzte verschiedener Disziplinen eng und abgestimmt zusammenarbeiten. Neben dem Orthopäden zählen dazu vor allem HNO-Ärzte, Internisten, Kardiologen und Neurologen, aber auch Kieferorthopäden und Zahnärzte.

Abb. 2: Interdisziplinäre Diagnostik (Quelle: Praxis Dr. Thieme & Kollegen, unter Verwendung von BillionPhotos.com/Fotolia)

Ein möglicher Grund für einen Tinnitus kann in einer Funktionsstörung des ersten Halswirbels, des Atlas, liegen. Eine solche wird in der orthopädischen Praxis diagnostiziert und behandelt. Für eine Atlas-Dysfunktion gibt ganz unterschiedliche Ursachen. Im Rahmen der Diagnose erfolgt zunächst eine ausführliche Anamnese sowie eine körperliche Untersuchung. Zur Vorbereitung der Therapieplanung wird eine spezielle Röntgenaufnahme erstellt, um die individuelle Position des Atlas, die bei jedem Menschen anders ist, zu bestimmen. Im Zuge eines ganzheitlichen Ansatzes können darüber hinaus auch weitere Diagnosemethoden angewendet werden, so beispielsweise die Thermographie und die Elektromyographie (EMG). Mithilfe der EMG wird die Muskulatur gescannt und ausgewertet.

Abb. 3: Atlas-Dysfunktion (Quelle: Sebastian Kaulitzki/Fotolia)

Die Atlasfunktion kann unter anderem durch eine Fehlstatik des Körpers negativ beeinflusst werden. Vor diesem Hintergrund kann weiterhin eine Untersuchung der gesamten Körperstatik angezeigt sein. Mit der 4D-Wirbelsäulenvermessung (siehe auch Wirbelsäulen-Funktionsanalyse), einem absolut röntgenstrahlungsfreien Verfahren, können Beckenschiefstände, Achsabweichungen in allen Ebenen sowie Drehfehlstellungen mit einer Messgenauigkeit von ein bis zwei Zehntelmillimetern ermittelt werden.

Therapie und Nachsorge

Ergibt die Diagnose des Orthopäden, dass ein orthopädisches Problem für den Tinnitus verantwortlich oder mitverantwortlich ist, lässt sich mit einem gezielten Behandlungskonzept oftmals ein guter Therapieerfolg herbeiführen. Liegt eine Funktionsstörung der Wirbelsäule mit sogenannten Blockierungen vor, empfiehlt sich unter anderem die Manualtherapie
(Manuelle Medizin). Dabei werden die Blockaden mit speziellen Handgriffen oder kleinen Drehungen gelöst. So sinkt die Muskelspannung und das Gelenk wird wieder frei.

Hat sich im Rahmen der Diagnose eine Fehlstellung oder Fehlfunktion des Atlas gezeigt, ist die Atlas-Therapie das Mittel der Wahl, um die Beschwerden zu lindern. Die Atlas-Therapie ist ein neurophysiologisches Behandlungskonzept. Sie wirkt sich unter anderem positiv auf das Gleichgewichtssystem, den Muskeltonus, die Wahrnehmung sowie auf vegetative Funktionen aus.

Abb. 4: Atlastherapie (Quelle: Praxis Dr. J. Thieme & Kollegen)

Als erster Halswirbel bildet der Atlas gemeinsam mit der Schädelbasis, dem Axis (zweiter Halswirbel) sowie den umgebenden und mit einer hohen Nervendichte versorgten Muskeln, Kapseln und Bändern, ein eigenständiges System. Dieses Nackenrezeptorenfeld stellt eine Art eigenes Sinnesorgan dar.

Mit ihren Sensoren registrieren und steuern die Nerven die Stellung des Kopfes zum übrigen Körper im Raum, die Stellung der einzelnen Gelenke zueinander sowie den Spannungszustand des gesamten Muskel-, Faszien- und Sehnensystems. Aufgrund ihrer direkten Verbindung zum Gleichgewichtsorgan (Innenohr), Sehorgan (Auge) und bestimmten Hirnzentren sind sie auch für die Steuerung der Grob- und Feinmotorik verantwortlich sowie an der Verarbeitung von Schmerzsignalen beteiligt. Dieses System sendet Informationen an das Gehirn. Diese werden dort zu entsprechenden Reaktionen verarbeitet.

Krankhafte Zustände in Form von Verletzungen, Fehlbelastungen, Bewegungsstörungen oder ähnliche werden als falsche Informationen an das Gehirn weitergegeben. Die Folge ist, dass auch der Körper mit einer falschen Antwort reagiert. Die Atlastherapie verfolgt das Ziel, eine solche fehlerhafte Informationsverarbeitung zu korrigieren. Über diesen Weg kann der krankhafte Zustand verbessert beziehungsweise behoben werden. Damit bestehen auch gute Aussichten, die Schwindelsymptomatik zu mildern oder sogar ganz zu beseitigen.

Literatur und weiterführende Links

Tempelhof, Siegbert: Krankheitsursache Atlaswirbel, München: Arkana Verlag, 2017.

Ärztegesellschaft für Manuelle Kinderbehandlung und Atlastherapie

Deutsche Tinnitus-Liga e.V.

Video: Kopfschmerzen, Schwindel, Tinnitus: Kann der Orthopäde helfen?

FAG: Häufig gestellte Fragen: Tinnitus

Was ist Tinnitus?

Tinnitus ist das Hören von Geräuschen, die nicht aus einer externen Quelle stammen. Betroffene berichten häufig von einem Ohrgeräusch, das als Klingeln, Summen, Pfeifen oder Rauschen beschrieben wird. Tinnitus kann konstant oder intermittierend auftreten und in verschiedenen Lautstärken wahrgenommen werden.

Was sind die Ursachen von Tinnitus?

Die Ursachen für Tinnitus können vielfältig sein. Häufige Auslöser sind Lärmexposition, Alterungsprozesse, Ohrinfektionen, Hörverlust, bestimmte Medikamente und gesundheitliche Probleme wie Bluthochdruck oder Diabetes. In einigen Fällen bleibt die Ursache jedoch unklar.

Wer ist von Tinnitus betroffen?

Tinnitus kann Menschen jeden Alters betreffen, ist jedoch häufiger bei älteren Erwachsenen anzutreffen. Schätzungen zufolge leiden weltweit Millionen von Menschen unter verschiedenen Formen von Tinnitus.

Wie wird Tinnitus diagnostiziert?

Die Diagnose erfolgt in der Regel durch einen HNO-Arzt, der eine gründliche Anamnese erhebt und verschiedene Tests durchführt, um die Hörfähigkeit und mögliche zugrunde liegende Erkrankungen zu überprüfen. Es gibt keinen spezifischen Test für Tinnitus, aber die Untersuchung anderer Faktoren kann helfen, die Ursache zu identifizieren.

Welche Behandlungsoptionen gibt es für Tinnitus?

Die Behandlung von Tinnitus richtet sich nach der Ursache und den individuellen Symptomen. Mögliche Ansätze sind Hörgeräte, Tinnitus-Retraining-Therapie, kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken sowie der Einsatz von Klangtherapie oder Maskern. Manchmal kann auch eine Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung helfen.

Gibt es Möglichkeiten, Tinnitus vorzubeugen?

Ja, einige präventive Maßnahmen können helfen, Tinnitus zu vermeiden. Dazu gehören der Schutz vor lauten Geräuschen (z.B. durch Ohrstöpsel), regelmäßige Höruntersuchungen, ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und ausreichender Bewegung sowie der Verzicht auf Rauchen und übermäßigen Alkohol.

Ist Tinnitus immer ein Zeichen für einen ernsthaften Gesundheitszustand?

Nicht unbedingt. Tinnitus ist häufig ein Symptom, das auf eine Vielzahl von Faktoren hinweisen kann, aber nicht immer mit einer schweren Erkrankung verbunden ist. Dennoch sollte bei neu auftretendem oder sich verschlechterndem Tinnitus ein Arzt konsultiert werden, um mögliche ernsthafte Ursachen auszuschließen.

Wo kann ich weitere Informationen über Tinnitus erhalten?

Weitere Informationen finden Sie bei Fachgesellschaften wie der Deutschen Tinnitus-Liga, HNO-Ärzten oder auf vertrauenswürdigen Gesundheitswebsites. Auch Selbsthilfegruppen können wertvolle Unterstützung bieten.

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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Umstrittene Wirksamkeit
Hinweis: Bei den oben aufgeführten Diagnose- bzw. Behandlungsverfahren kann es sich eventuell um wissenschaftlich umstrittene und derzeit nicht von allen Experten wissenschaftlich anerkannte Methoden handeln. Die Kosten dieser Anwendungen werden von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet.
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