Schwindel

Nach Kopfschmerzen ist Schwindel (lateinisch vertigo) das zweithäufigste Beschwerdebild in der Medizin. Etwa jeder dritte Erwachsene leidet unter Dreh-, Schwank- oder Liftschwindel, Fallneigung, Taumelgefühl, Augenflimmern oder Leere im Kopf. Schwindel ist jedoch keine eigenständige Krankheit, sondern das Symptom einer Erkrankung. Die Ursache zu ermitteln ist die Basis für eine wirksame Therapie.

Häufigkeit

Durchschnittlich mehr als ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung (38 Prozent) leidet in unterschiedlicher Ausprägung an verschiedenen Formen von Schwindel. Frauen sind dabei mit ca. 44 Prozent häufiger betroffen als Männer (32 Prozent). Mit steigendem Alter nimmt die Häufigkeit zu.

Ursachen

Schwindel kann sehr vielfältige Ursachen haben. Einige davon sind nachfolgend aufgelistet:

  • Erkrankungen des Innenohrs
  • Nervenentzündungen
  • Erkrankungen des peripheren Nervensystems (Polyneuropathie)
  • Schlaganfall
  • Erkrankungen der Augen
  • Muskuläre Erkrankungen / Verspannungen
  • Funktionsstörungen der oberen Halswirbelsäule (Atlas-Dysfunktion)
  • Kiefergelenksstörungen (CMD = Craniomandibuläre Dysfunktion)
  • Angststörungen
  • Herzrhythmusstörungen
  • Schilddrüsenerkrankungen
  • Niedriger Blutdruck
  • Durchblutungsstörungen
  • Medikamentennebenwirkungen
  • Seelische Ursachen (somatoformer Schwindel)
Abb. 1: Schwindel (Quelle: Stasique/Fotolia)

Symptome und Verlauf

Die vielfach durch den Schwindel ausgelösten Krankheitsgefühle bedeuten für Betroffene häufig eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität. Dazu gehören unter anderem Herzrasen, Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüche, Kopfschmerzen, Sehstörungen oder Benommenheit, in manchen Fällen begleitet durch Bewusstseinsverlust. Betroffene sind nicht selten so stark beeinträchtigt, dass es zu einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit kommt.

Diagnose

Bei einer Schwindelsymptomatik ist in aller Regel eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Fachärzten unterschiedlicher Fachrichtungen notwendig, um eine korrekte diagnostische Einordnung zu erzielen. Neben dem Orthopäden gehören dazu HNO-Ärzte, Internisten, Neurologen, Augenärzte, Gefäßchirurgen, aber auch Kieferorthopäden und Zahnärzte. Diagnostische Grundlage sollte immer eine ausführliche Anamnese sowie eine klinische (Ganzkörper-)Untersuchung bilden.

Eine mögliche orthopädische Ursache für eine Schwindelsymptomatik kann eine Funktionsstörung des Atlaswirbels (erster Halswirbel) sein. Eine solche Atlas-Dysfunktion kann verschiedene Ursachen haben. Neben einer speziellen Röntgenuntersuchung zur Bestimmung der individuellen Funktion des Atlas können zur Diagnosesicherung im Rahmen eines ganzheitlichen medizinischen Ansatzes unterschiedliche Untersuchungsmethoden zur Anwendung kommen. Zu nennen sind hier unter anderem die Thermographie oder die Elektromyographie (EMG), mit der die Aktivität der Muskulatur gescannt und ausgewertet wird.

Auch eine Fehlstatik des Körpers kann die Atlasfunktion negativ beeinflussen. Daher kann zudem eine Untersuchung der gesamten Körperstatik angezeigt sein. Diese erfolgt mithilfe der 4-D-Wirbelsäulenvermessung (siehe auch Wirbelsäulen-Funktionsanalyse). Mit diesem absolut röntgenstrahlungsfreien Verfahren lassen sich Beckenschiefstände, Achsabweichungen in allen Ebenen oder Drehfehlstellungen mit einer Messgenauigkeit von ein bis zwei Zehntelmillimetern ermitteln.

Abb. 2: 4D-Wirbelsäulenvermessung (Quelle: Diers International GmbH)

Therapie und Nachsorge

Sofern die Diagnose zeigt, dass ein orthopädisches Problem (Mit-)Ursache für den Schwindel ist, kann in vielen Fällen mit einem entsprechenden Behandlungskonzept ein guter Therapieerfolg erzielt werden. Bei Funktionsstörungen der Wirbelsäule, sogenannten Blockierungen, kommt dabei unter anderem die Chirotherapie (Manuelle Medizin) zur Anwendung. Die Blockaden werden durch gezielte Handgriffe oder eine kleine Drehung gelöst. Der Nervenreiz wird für einen kurzen Moment unterbrochen. Die Muskelspannung sinkt, und das Gelenk wird wieder frei.

Bei einer diagnostizierten Fehlstellung oder Fehlfunktion des Atlas ist die Atlas-Therapie ein Mittel der Wahl, um den Beschwerden beizukommen. Als neurophysiologisches Behandlungskonzept hat sie positiven Einfluss unter anderem auf das Gleichgewichtssystem, den Muskeltonus, die Wahrnehmung sowie auf vegetative Funktionen.

Abb. 3: Atlastherapie (Quelle: Praxis Dr. J. Thieme & Kollegen)

Der Atlaswirbel ist der erste Halswirbel. Gemeinsam mit der Schädelbasis, dem zweiten Halswirbel (Axis) und den umgebenden Muskeln, Kapseln und Bändern, die mit einer hohen Nervendichte versorgt sind, bildet er ein eigenständiges System, eine Art Sinnesorgan (Nackenrezeptorenfeld).

Die Nerven registrieren und steuern mit ihren Sensoren die Stellung des Kopfes zum übrigen Körper im Raum, die Stellung der einzelnen Gelenke zueinander sowie den Spannungszustand des gesamten Muskel-, Faszien- und Sehnensystems. Da sie direkte Verbindungen zum Gleichgewichts- und Sehorgan (Innenohr und Auge) sowie zu bestimmten Hirnzentren haben, sind sie zudem für die Steuerung der Grob- und Feinmotorik verantwortlich sowie an der Verarbeitung von Schmerzsignalen beteiligt. Dieses System sendet Informationen an das Gehirn, die dort zu entsprechenden Reaktionen verarbeitet werden.

Krankhafte Zustände (zum Beispiel Verletzungen, Fehlbelastungen, Bewegungsstörungen) werden als falsche Informationen an das Gehirn weitergegeben mit der Folge, dass auch der Körper mit einer falschen Antwort reagiert. Ziel der Atlastherapie ist es, diese fehlerhafte Informationsverarbeitung zu korrigieren und den krankhaften Zustand zu verbessern oder zu beheben.

Literatur und weiterführende Links

Tempelhof, Siegbert: Krankheitsursache Atlaswirbel, München: Arkana Verlag, 2017.

Ärztegesellschaft für Manuelle Kinderbehandlung und Atlastherapie

Video: Kopfschmerzen, Schwindel, Tinnitus: Kann der Orthopäde helfen?

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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