Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)

Eine Funktionsstörung des Kiefergelenks oder craniomandibuläre Dysfunktion (CMD, Cranio = Kopf / Schädel, Mandibula = Unterkiefer, Dysfunktion = Fehlfunktion) ist eine sehr komplexe Erkrankung, die den gesamten Körper betreffen kann. Die Ursache liegt in einer Fehlfunktion des Kausystems. Stimmt die Bisslage nicht, passen also Ober- und Unterkiefer nicht perfekt zusammen, hat dies sehr häufig gravierende Auswirkungen auf die Körperstatik und das vegetative Nervensystem.

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Die CMD ist eine Erkrankung mit weitreichenden Folgen. Probleme können vom Kopf abwärts bis in die Beine auftreten. Vor allem chronische Kopfschmerzen, Migräne, Nacken- und Rückenschmerzen, Tinnitus sowie Schwindel können auf eine nicht erkannte CMD hindeuten.

Häufigkeit

Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens 20 Prozent der Bevölkerung von behandlungsbedürftigen CMD-Symptomen betroffen sind. Nicht selten haben Patienten eine lange Leidensgeschichte mit wahren Arzt-Odysseen hinter sich, bei denen zwar die Symptome, nicht aber die eigentliche Ursache der Erkrankung behandelt werden. Eine CMD-Problematik zu erkennen erfordert zum einen ein umfangreiches spezifisches Fachwissen, zum anderen einen ganzheitlichen medizinischen Ansatz in einem interdisziplinären Expertennetzwerk.

Ursachen

Unsere Kau- und Schulter- / Nackenmuskulatur sind durch muskuläre Verkettungen und Nervenverschaltungen eng miteinander gekoppelt und beeinflussen sich gegenseitig. Beim Kauen wird daher nicht nur der Kiefer bewegt, sondern auch Kopf, Hals, Rücken und sogar Arme und Beine. Der Kauapparat gehört zu den sensibelsten Systemen des Körpers. Schon ein Haar mit einem Durchmesser von einem hundertstel Millimeter zwischen den Zähnen wird als deutliche Beeinträchtigung wahrgenommen.

Liegt keine Störung vor, haben die Zähne in 24 Stunden nur etwa 30 Minuten direkten Kontakt. So hat die Muskulatur viel Zeit, sich zu erholen. Werden diese Pausen allerdings durch permanente Muskelanspannungen eingeschränkt, kann das Folgen haben, die sich oftmals in Körperregionen bemerkbar machen, die weit vom Kiefergelenk entfernt liegen.

Eine CMD wird in aller Regel nicht durch einen einzelnen, sondern durch mehrere Faktoren ausgelöst, die das Kausystem unterschiedlich stark belasten. Medizinisch spricht man hier von einem multifaktoriellen Geschehen. Die Belastungen können dabei in auf- sowie in absteigender Richtung auftreten.

So können Störungen der Rücken- und Nackenmuskulatur Fehlstellungen des Kiefergelenks verursachen (aufsteigende Belastung). Häufige Auslöser sind dabei angeborene oder erworbene Haltungsschwächen wie Beckenschiefstand oder Bandscheibenprobleme. Eine nicht korrekte Körperstatik führt dazu, dass sich auch das Bewegungsmuster beim Kauen verändert. Folge ist eine Fehlbelastung des Kiefergelenks.

Umgekehrt kann sich eine Erkrankung des Kauorgans aber auch auf den übrigen Organismus auswirken (absteigende Belastung). Störungen der Kiefermuskulatur können zu einer Veränderung der angrenzenden Hals- und Nackenmuskeln führen. Betroffene Patienten leiden dann vielfach an chronischen Rücken- oder Nackenschmerzen.

Symptome und Verlauf

Neben den bereits erwähnten Symptomen Kopfschmerzen, Migräne, Rücken- und Nackenschmerzen, Schwindel und Tinnitus sind auch Bandscheibenbeschwerden, Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose), Blockaden bzw. Verspannungen im Bereich der Nacken-, Schulter und Rückenmuskulatur, Schmerzen in den Beinen oder Kniegelenken sowie ein Beckenschiefstand häufige Begleitsymptome einer CMD. Auch Konzentrationsstörungen oder Befindlichkeitsstörungen können ihre Ursache in einer Kiefergelenksstörung haben.

Ohne gezielte Diagnose, die Aufschluss darüber gibt, ob tatschlich eine Kiefergelenkstörung vorliegt und für die Probleme verantwortlich ist, ist nur eine symptombezogene Behandlung möglich, nicht aber eine dauerhafte Linderung der Beschwerden.

Diagnose

Aufgrund der Komplexität der Erkrankung ist hier ein interdisziplinäres Vorgehen notwendig, bei dem auf diese Erkrankung spezialisierte Kieferorthopäden oder Zahnärzte eng mit Orthopäden und bei Bedarf auch mit Ärzten und Therapeuten anderer Fachrichtungen zusammenarbeiten.

Bei CMD-Patienten bilden der Atlas und die Körperstatik den Schlüssel zum Erfolg. Der Atlas ist der erste und damit schädelnächste Wirbel, der den Kopf trägt. Bei einer geraden Wirbelsäule wird das Gewicht gleichmäßig auf beide Körperhälften verteilt.

Ein verschobener Atlaswirbel bedeutet zum einen eine schiefe Auflagefläche für den Schädel, der dann nicht mehr genau senkrecht über der Halswirbelsäule liegt. Zum anderen bewirkt er eine Veränderung des Rezeptorenfeldes der kurzen Nackenmuskulatur.

In diesen Muskeln sind zahlreiche Rezeptoren enthalten, weshalb Störungen hier maximale Auswirkungen zeigen. Von daher sollte die Überprüfung und Behandlung der Wirbelsäule bei CMD-Patienten immer den ersten Schritt darstellen.

Abb. 1: Eine craniomandibuläre Dysfunktion hängt häufig mit der Wirbelsäule und hier insbesondere mit dem ersten Wirbel, dem Atlaswirbel zusammen. (Quelle: decade3d/Fotolia)

Im Rahmen der orthopädischen Diagnostik werden mögliche Störungen in der Körperstatik ermittelt sowie im Rahmen einer Bewegungs- und Haltungsanalyse muskuläre Dysbalancen untersucht.

In aller Regel wird dabei unter anderem auch eine 4D-Wirbelsäulenvermessung (siehe auch Wirbelsäulen-Funktionsanalyse) durchgeführt. Mithilfe dieses absolut röntgenstrahlungsfreien Verfahrens lassen sich die Zusammenhänge der Körperstatik schnell und exakt analysieren. Mit einem Lichtstrahl wird ein Raster auf den Rücken des Patienten projiziert und mit einer computergesteuerten Kamera vermessen. Aus dem Bild errechnet das System anatomische Fixpunkte und leitet aus diesen Daten die Wirbelsäulenstellung ab. Mit der Methode lassen sich Beckenschiefstände, Achsabweichungen in allen Ebenen oder Drehfehlstellungen mit einer Messgenauigkeit von ein bis zwei Zehntelmillimeter ermitteln.

Abb. 2: 4D-Wirbelsäulenvermessung (Quelle: Diers International GmbH)

Therapie und Nachsorge

Zur Beseitigung der ursächlichen und begleitenden Fehlfunktionen des Bewegungssystems können verschiedene Verfahren zum Einsatz kommen. Bewährt hat sich hier neben anderen manualmedizischen Verfahren unter anderem die Atlastherapie. Dabei handelt es sich um eine Reflextherapie, die auf minimalen Impulsen beruht. Sie gilt als Konzept der ganzheitlichen Behandlung des Bewegungsapparates.

Zum Einsatz kommen dabei keine Medikamente oder Geräte, sondern ausschließlich die Hände des Behandlers. Ziel ist es, die fehlerhafte Informationsverarbeitung der Nerven, welche für die Fehlfunktion verantwortlich ist, zu korrigieren und den krankhaften Zustand so zu verbessern oder zu beheben. Außerdem sollen vorhandene Blockierungen gelöst und über diesen Weg die Körperstatik optimiert werden, um so die Voraussetzung für eine erfolgreiche CMD-Therapie zu schaffen.

Abb. 3: Atlastherapie (Quelle: Praxis Dr. J. Thieme & Kollegen)

Aufgabe des im Bereich der CMD-Therapie erfahrenen Kieferorthopäden oder Zahnarztes ist es anschießend, den zu der neuen symmetrischen Körperstatik passenden Biss zu finden und gemeinsam mit dem Orthopäden sowie unter Umständen weiteren ärztlichen Kollegen oder Therapeuten Körper- und Bissstatik zu vereinen. Welche zahnmedizinischen Maßnahmen hier im Einzelnen notwendig sind, obliegt der Entscheidung der jeweiligen Experten.

Literatur und weiterführende Links

Christiansen, Gerd: Das Kiefergelenk-Buch: Ein Patientenratgeber und Leitfaden für Mediziner und Zahnmediziner. Ingolstadt: Verlag CMD Compact, 2016.

Tempelhof, Siegbert: Krankheitsursache Atlaswirbel. München: Arkana Verlag, 2017.

Ärztegesellschaft für Manuelle Kinderbehandlung und Atlastherapie

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)

Was ist Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)?

CMD beschreibt eine komplexe Störung im Zusammenspiel der Zähne von Ober- und Unterkiefer, die zu einer Vielzahl von Beschwerden führen kann. Der Begriff leitet sich von Cranium (Schädel) und Mandibula (Unterkiefer) ab und bezieht sich auf das Missverhältnis derselben zueinander.

Was sind die Ursachen von CMD?

Die Ursachen von CMD sind vielfältig und umfassen zahnmedizinische, orthopädische, hormonelle, neurologische und psychische Faktoren. Häufige Auslöser sind Zahnfehlstellungen, Stress, Bruxismus (Zähneknirschen), Fehlhaltungen und Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule.

Welche Symptome treten bei CMD auf?

CMD kann eine Vielzahl von Symptomen verursachen, darunter:

  • Schmerzen in den Kaumuskeln oder Kiefergelenken
  • Zahnschmerzen
  • Bewegungseinschränkungen des Unterkiefers
  • Knacken oder Reiben im Kiefergelenk
  • Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen, Tinnitus, Schwindelgefühl
  • Verspannungen und Schmerzen in Nacken, Schultern oder im Rücken
  • Beeinträchtigungen von Hör-, Seh- und Stimmvermögen

Wie wird CMD diagnostiziert?

Die Diagnose von CMD basiert auf einer Funktionsanalyse, die die Lagebeziehung zwischen dem Kiefer und Schädel, die Stellung der Zähne sowie die Bewegungsabläufe in den Kiefergelenken detailliert bewertet. Typische Anzeichen sind eingeschränkte Mundöffnung, Kiefergeräusche und verspannte Kaumuskulatur. In einigen Fällen kann auch eine Magnetresonanztomografie (MRT) notwendig sein.

Wie wird CMD behandelt?

Die Behandlung von CMD ist oft interdisziplinär und umfasst:

  • Zahnärztliche Maßnahmen wie die Anfertigung einer speziellen Aufbissschiene
  • Physiotherapie und Osteopathie zur Verbesserung der Wirkung zahnärztlicher Maßnahmen
  • Stressmanagement und psychotherapeutische Unterstützung
  • Alternative Behandlungsmethoden wie Akupunktur und homöopathische Bruxismus-Therapie
  • In schweren Fällen kann auch eine Operation notwendig sein

Was können Patienten selbst tun?

Patienten können durch gezielte Entspannung des Kiefers, insbesondere in Stresssituationen, sowie durch Entspannungstechniken, Ausdauersport und eine ausgewogene Work-Life-Balance zur Linderung der Symptome beitragen. Auch das Vermeiden von Risikofaktoren wie Zähneknirschen und das Einhalten einer guten Zahnhygiene sind wichtig.

Warum ist eine frühzeitige Behandlung wichtig?

Eine frühzeitige Behandlung kann die Symptome lindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Insbesondere bei Tinnitus kann sich dieser bei frühzeitiger Behandlung manchmal verbessern.

Hinweise für Patienten

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Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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Umstrittene Wirksamkeit
Hinweis: Bei den oben aufgeführten Diagnose- bzw. Behandlungsverfahren kann es sich eventuell um wissenschaftlich umstrittene und derzeit nicht von allen Experten wissenschaftlich anerkannte Methoden handeln. Die Kosten dieser Anwendungen werden von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet.
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