Hexenschuss, akute Lumbago

Unter dem Begriff Hexenschuss oder akute Lumbago versteht man ein oft blitzartig einsetzendes Schmerzereignis an der Lendenwirbelsäule. Der Schmerz ist häufig so stark, dass die Patienten bewegungsunfähig sind.

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Hinter diesem Symptom können sich eine Vielzahl von auslösenden Ursachen verbergen. In den meisten Fällen können diese Ursachen durch den behandelnden Arzt mittels Befragung und Untersuchung eingeschätzt werden und einfache Therapiemaßnahmen reichen aus. Eine bildgebende Diagnostik oder therapeutische Maßnahmen wie Injektionen werden nur eingesetzt werden, wenn dem Kreuzschmerz spezifische Ursachen, wie Bandscheibenvorfälle zugrunde liegen.

Akut einsetzende Schmerzen werden im Bereich der Lendenwirbelsäule oder des Beckenfugen (SIG Gelenke), manchmal einseitig, bisweilen in der Mitte der Wirbelsäule lokalisiert. Die Schmerzen können in das Gesäß bisweilen auch in ein Bein ausstrahlen.

Bis zu 85 Prozent der Bevölkerung werden irgendwann zumindest einmal im Leben von der „Hexe“ erwischt. Das haben Umfragen in Deutschland ergeben. Immerhin erleiden fast 3 Prozent der Bevölkerung einen akuten Kreuzschmerz im Jahr. Es handelt sich also um eine echte „Volkskrankheit“. Die Häufigkeit hat aber in den letzten Jahren nicht zugenommen.

Betroffen sind vorwiegend Menschen im Alter zwischen 30 bis 50 Jahren oder jünger. Bei der älteren Bevölkerung nehmen die akuten Ereignisse ab, obwohl sie zunehmend häufig an Rücken- oder Kreuzschmerzen leiden.

Ursachen

Dem Symptom „Hexenschuss“ können naturgemäß eine Vielzahl von Ursachen zugrunde liegen. Zumindest eines können wir heutzutage als Ursache ausschließen, das ist der Fluch der Hexe – das vermutete man im Mittelalter als Auslöser, wenn es einem ins Kreuz gefahren war.

Heutzutage teilen die Ärzte die Ursachen bei Kreuzschmerzen in zwei Kategorien ein: Die sogenannten spezifischen Kreuzschmerzen, bei denen sich der Schmerz einer genauen organischen Ursache zuordnen lässt, z.B. die Nervenkompression durch eine geplatzte Bandscheibe und sogenannten nicht spezifischen Ursachen, bei denen die Schmerzen z.B. durch ein blockiertes Wirbelgelenk verursacht werden. Man geht davon aus, dass die überwiegende Anzahl von akuten Lumbalgien durch diese Funktionsstörungen bedingt sind und damit die meisten Ursachen im Bereich der Rückenmuskulatur liegen.

Für diese häufigen Blockaden lässt sich meistens kein konkretes auslösendes Ereignis anschuldigen, die Betroffenen berichten über alle möglichen und "unmöglichen" Körperhaltungen oder Bewegungen, die einen Hexenschuss nach sich gezogen haben. Es ist wohl so, dass oft viele kleine Schieflagen und Belastungen des Rückgrats sich summieren, bis das Symptom "akute Lumbago" auftritt.

Bei diesen nichtspezifischen Ursachen sprechen die Ärzte von segmentalen Dysfunktionen („Blockierungen“), einem Iliosakralgelenk-Syndrom, einer veränderte Wirbelsäulenstatik (zum Beispiel Hyperlordose, Steilstellung der Lendenwirbelsäule), Bindegewebsveränderungen (zum Beispiel Verquellungen, Faszien-Hypomobilität) und systemischen Probleme wie Koordinationsstörungen, Insuffizienz der Tiefenstabilität oder konstante Hypermobilität als Ursache.

All diese Einordnungen werden anhand von klinischen Untersuchungen getroffen und sind nicht oder nur unzureichend durch bildgebende Verfahren nachweisbar.

Auf der anderen Seite finden sich in der Bildgebung oft detailliert nachzuweisenden degenerativen Veränderungen, die Anlass für akute Schmerzen sein können, aber nicht müssen. Sie erlangen oft erst durch eine Entzündung Krankheitswert, wie zum Beispiel die aktivierte Spondylarthrose oder das Facettensyndrom der Wirbelgelenke. Ähnliches gilt für die Spinalkanalstenose, die in den Befunden der kernspintomographischen Untersuchung beim älteren Patienten häufig beschrieben wird, jedoch nur bei einigen Patienten zu entsprechenden Symptomen führt.

Symptome und Verlauf

Der Schmerz beim Hexenschuss sitzt meist auf einer Körperseite, zwischen Gesäß und Lende. Manchmal wird er auch er auch mittig wahrgenommen. Er wird im Allgemeinen als unerträglich bohrend, ziehend oder stechend empfunden. Die Diagnose von krampfartigen oder wellenförmigen Schmerzen spricht dagegen eher für eine Kolik, die z.B. durch eine Harnleiterstein bedingt sein kann.

Im Falle eines Hexenschusses können sich die Betroffenen wegen der Schmerzen nur mehr schlecht als recht bewegen und nehmen eine Schonhaltung ein, etwa leicht nach vorne gebeugt. Sich stärker vorbeugen oder aufrichten ist kaum noch möglich.

Gegen diese Diagnose eines einfachen Hexenschusses spricht, wenn dem Ereignis ein Unfall vorausgegangen ist, wenn ein Tumorleiden vorliegt oder wenn zusätzliche Symptome wie Fieber vorliegen.

Auch Symptome wie ein Taubheitsgefühl in den Beinen, Kraftlosigkeiten, Blasenschwäche und der Verlust von Stuhlgang erfordern eine umgehende ärztliche Abklärung. Oft gelingt es schließlich, sich rücklings oder auf die Seite zu legen und die Beine anzuwinkeln (in Rückenlage: Stufenlagerung), kann dies etwas Linderung bringen. Grob gesagt, sollten bei einem unkomplizierten akuten Kreuzschmerz keine weiteren Beeinträchtigungen außer Schmerzen vorliegen. Bis der Schmerz wieder weg ist, kann es durchaus ein paar Tage dauern, allerdings ist die Selbstheilungstendenz beim Hexenschuss, unterstützt durch einfache Therapiemaßnahmen, hoch.

Die gute Nachricht: Die Schmerzen verleiden einem zwar die nächsten Tage, aber chronisch werden sie nur in den wenigsten Fällen. Bei den allerwenigsten Patienten mit Rückenschmerzen sind operative Maßnahmen notwendig.

Diagnostik

Wer wegen eines Hexenschusses den Arzt konsultiert, dem wird dieser meistens schon anhand der auf bestimmte Fragen hin geschilderten Beschwerden und einer körperlichen Untersuchung die Diagnose "Hexenschuss" sagen können.

Insbesondere die genaue Auskunft beim Arzt liefert diesem die entscheidenden Hinweise zur Einschätzung des Rückenschmerzgeschehens. Die körperliche Untersuchung prüft u.a. den Ort des Schmerzgeschehens, den Tonus der Muskulatur, die Prüfung der Hüftgelenke, Nervendehnungstests und so weiter. In der überwiegenden Zahl der Fälle erübrigen sich weitere Diagnosemaßnahmen zunächst einmal.

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Vermutet der Arzt aber aufgrund der Untersuchung und Befragung eine spezifische Ursache für den akuten Kreuzschmerz oder halten die Schmerzen länger als vier Wochen an, dann wird er häufig weiterführende Diagnoseschritte einleiten, zum Beispiel Röntgen-Aufnahmen, eventuell eine Kernspintomografie oder ein anderes bildgebendes Verfahren, eine neurologische Untersuchung, vielleicht Labortests.

Gegebenenfalls überweist der erstbehandelnde Arzt den Patienten zur genauen Diagnose und Therapie umgehend in eine Klinik oder zeitnah an einen speziellen Facharzt.

Therapie und Nachsorge

Beim Kreuzschmerz ist der Einsatz von Therapiemaßnahmen zurückhaltend und orientiert sich am Schmerz und dem aktuellen Funktionsstatus des Patienten. Kurzfristig kann ein einfaches Schmerzmittel wie ein nicht steroidales Antirheumatikum (NSAR) für Linderung sorgen. Anzuraten ist die niedrigste wirksame Dosierung. Paracetamol wird dabei nicht mehr als Schmerzmittel der ersten Wahl empfohlen. Die Gabe von Schmerzmitteln sollte am besten als Tablette erfolgen, nicht als Spritze in das Gesäß.

Wie gesagt: Normalerweise ist der Spuk bald wieder von selbst vorbei.

Wärmeanwendungen am Kreuz können die Durchblutung verbessern und möglicherweise zur Schmerzlinderung beitragen. Sinnvoll sein dürfte das aber nur in dem Maße, wie ein Betroffener gleichzeitig für leichte Bewegung sorgt. Schonende Bewegung führt nachweislich zur schnelleren Genesung.

Wichtig: Gehen ist besser als langes Sitzen oder Stehen. Liegen oder Laufen heißt die Devise.

Beim Liegen sollte die Stufenlagerung probiert werden, in dem man auf einer Matte liegend, das Kreuz durch ein zusammengerolltes Handtuch unterstützt und die Beine auf ein Polster, Petziball, Wäschekorb oder ähnliches ablegt. Manchen hilft auch die sogenannte Embryonalhaltung in der Seitlage. Wenn die Schmerzen vorbei sind, können Sie nach und nach ein paar sanfte Übungen machen, um den Rücken zu stärken.

Die Verordnung von Physiotherapie (Krankengymnastik) ist beim akuten Kreuzschmerz normalerweise nicht notwendig.

Liegt dem akuten Schmerzgeschehen ein Bandscheibenvorfall zugrunde, kann der Orthopäde oft mit einer gezielten Spritze die Schmerzen lindern.

Eine Operation kann in 1-2 Prozent der Fälle unumgänglich sein, insbesondere wenn ein dauerhafter Nervenschaden droht.

Literatur

1. Akuter lumbaler Rückenschmerz - Diagnostik, Differenzialdiagnostik und Therapie; Acute lumbar back pain—investigation, differential diagnosis and treatment;

Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 223-34; DOI: 10.3238/arztebl.2016.0223; Casser, Hans-Raimund; Seddigh, Susann; Rauschmann, Michael

2. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz – Kurzfassung, 2. Auflage. Version 1. 2017. DOI:10.6101/AZQ/000377.

Online: https://www.leitlinien.de/mdb/downloads/nvl/kreuzschmerz/kreuzschmerz-2aufl-vers1-kurz.pdf (Abgerufen am 18.06.2018)

3. Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC).. S2k-Leitlinie Spezifischer Kreuzschmerz. Im Internet: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/033-051l_S2k_Spezifischer_Kreuzschmerz_2018-02.pdf Stand: 14.10.2018

Hinweise für Patienten

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