Psychosomatische Grundversorgung
Die Psychosomatische Grundversorgung ist eine Weiterbildung für Ärzte, um Gesprächsführung und Beziehungsgestaltung mit ihren Patienten zu schulen, aber auch um die Kenntnisse seelischer und sozialer Einflüsse auf Krankheiten zu vermitteln.
Einsatzgebiete
Die Psychosomatische Grundversorgung ist Grundlage einer jeden Arzt-Patient-Beziehung und damit für die Behandlung unterschiedlichster Krankheiten und Leiden von Bedeutung.
Wirkprinzip
Psychosomatik ist ein Begriff mit griechischer Herkunft. Er beschreibt das Zusammenwirken von Psyche (Seele) und Soma (Körper), aber auch das Zusammenwirken von Arzt und Patient.
Grundlage für eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung und die erfolgreiche Bewältigung einer Krankheit sind eine gelingende Gesprächsführung und gute Einbindung des Patienten mit seinen Wünschen und Ängsten. Dazu ist Inhalt der Psychosomatischen Grundversorgung, neben körperlichen Krankheitssymptomen die Einwirkung psychischer und sozialer Faktoren auf die Krankheitsentwicklung zu kennen.
Ärzte können Fähigkeiten der Psychosomatischen Grundversorgung in Fortbildungen erlernen.
Durchführung
Die Psychosomatische Grundversorgung ist eine Form ärztlicher Versorgung, die Ende der 1980er Jahre als eine Art Brücke zwischen der somatischen, also den Körper betreffenden, und der psychotherapeutischen, also die Seele betreffenden Medizin entwickelt wurde. Für Allgemeinmediziner, Gynäkologen und Geburtshelfer ist sie ein verbindlicher Teil der Weiterbildung. Auch Fachärzte, die Patienten mit chronischen Schmerzzuständen wie zum Beispiel nicht-spezifischen Rückenschmerzen behandeln (Fachärzte mit der Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“), sind im Bereich der Psychosomatischen Grundversorgung ausgebildet. Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie können freiwillig eine Weiterbildung in Psychosomatischer Grundversorgung absolvieren.
Innerhalb dieser Weiterbildung erlernen Ärzte unter anderem Fähigkeiten und Fertigkeiten der Gesprächsführung. Sie lernen, die Erwartungen und Ängste ihrer Patienten und deren Bedürfnisse für Empathie zu erkennen, im Gespräch auf die Patienten einzugehen, ihnen keine Angst zu machen, sondern sie zu unterstützen.
Dafür befassen sich die Ärzte in dieser Schulung auch mit dem Erkennen psychosozialer Komorbidität – also psychischen und sozialen Faktoren, die bei körperlichen Erkrankungen eine Rolle spielen – und der sogenannten Balint-Gruppenarbeit. Es werden in praktischen Übungen, bestehend aus Rollenspielen, Live-Gesprächen mit Patienten und der Auswertung aufgezeichneter Anamnesen, Fälle von allen Teilnehmern eingebracht und gemeinsam mit einem Psychotherapeuten analysiert. So sollen die Ärzte bestehende Interaktionsprobleme reflektieren und neue Anregungen für den Umgang mit Patienten erhalten.
Die Kurse werden meist in Blockseminaren durchgeführt, wobei vorgegeben ist, dass die Balint-Gruppen sich mindestens über sechs Monate erstrecken müssen, um einen sinnvollen Lernprozess zu ermöglichen.
Erfolgsaussichten
Psychosomatische Grundkenntnisse sind für Arzt und Patient in verschiedensten medizinischen Kontexten hilfreich, sei es beim Umgang mit lebensbedrohlichen Erkrankungen (zum Beispiel nach Polytrauma, mit onkologischen Erkrankungen), bei der Behandlung chronischer Schmerzen und weiterer muskuloskelettaler Beschwerden oder wenn ein Patient unter psychischen Belastungen wie Angst, Hilflosigkeit oder Depressivität leidet. Es hat sich gezeigt, dass Patienten mit ihren Erkrankungen besser umgehen und besser genesen können, wenn sie zu ihren Ärzten Vertrauen aufbauen können und sich durch ihre Ärzte unterstützt fühlen.
Literatur und weiterführende Links
Marcus Schiltenwolf/Peter Henningsen: Muskuloskelettale Schmerzen. 2. Auflage, 2017. Stuttgart: Schattauer.
Constanze Hausteiner-Wiehle/Peter Henningsen: Kein Befund und trotzdem krank. Nicht spezifische, funktionelle und somatofore Körperbeschwerden in der Allgemein- und somatischen Fachmedizin. 2015. Stuttgart: Schattauer.
Constanze Hausteiner-Wiehle/Peter Henningsen: Umgang mit Patienten mit nicht-spezifischen, funktionellen und somatoformen Körperbeschwerden: S3-Leitlinien mit Quellentexten, Praxismaterialien und Patientenleitlinie. 2013. Stuttgart: Schattauer.
Kurt Fritsche, Werner Geigges, Dietmar Richter, Michael Wirsching: Psychosomatische Grundversorgung. 2.Auflage, 2015. Heidelberg: Springer.
FAQ - Häufig gestellte Fragen zur Psychosomatischen Grundversorgung
1. Was ist psychosomatische Grundversorgung?
Die psychosomatische Grundversorgung ist ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Gesundheitssystems, der darauf abzielt, psychosoziale Risikofaktoren zu berücksichtigen und psychosomatische Prinzipien in die allgemeinmedizinische Praxis zu integrieren. Sie dient als niedrigschwellige, effektive Option zur Behandlung psychosozialer Probleme und wird regelmäßig im Rahmen der Gesundheitsversorgung angeboten. Dieser Ansatz betont die Wichtigkeit, sowohl die psychische als auch die körperliche Gesundheit in der Patientenversorgung zu berücksichtigen.
2. Was sind die Hauptkomponenten der psychosomatischen Grundversorgung?
Die Hauptkomponenten der psychosomatischen Grundversorgung umfassen:
- Integration in verschiedene medizinische Fachrichtungen
- Spezifische Ausbildung für Gesundheitsfachkräfte
- Beratungs- und Verbindungsdienste
- Strukturiertes Curriculum und Zertifizierungsprozess
- Fokus auf die Berücksichtigung psychosozialer Faktoren in der Patientenversorgung
- Anwendung des bio-psycho-sozialen Modells in der Medizin
- Einsatz von Balintgruppen zur Reflexion der Arzt-Patient-Beziehung
3. Warum ist die psychosomatische Grundversorgung wichtig?
Die psychosomatische Grundversorgung ist aus mehreren Gründen von entscheidender Bedeutung:
- Sie bietet eine ganzheitliche Patientenversorgung durch die Integration von psychischer und körperlicher Gesundheitsversorgung.
- Sie führt zu verbesserten Patientenergebnissen, insbesondere bei chronischen Erkrankungen.
- Sie kann zur Reduzierung der Gesundheitskosten beitragen, indem psychologische Aspekte körperlicher Erkrankungen behandelt werden.
- Sie erhöht die Patientenzufriedenheit durch eine personalisierte und umfassende Behandlung.
- Sie unterstützt komplexe medizinische Fälle, bei denen psychische und körperliche Gesundheitsprobleme miteinander verwoben sind.
- Sie fördert das Bewusstsein für psychische Gesundheit und die frühzeitige Erkennung psychischer Probleme.
- Sie fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsfachkräften.
4. Welche Qualifikationen und Ausbildungen sind für Gesundheitsfachkräfte erforderlich, um psychosomatische Grundversorgung anzubieten?
Gesundheitsfachkräfte, insbesondere in der Primärversorgung und bestimmten Fachrichtungen wie der Gynäkologie, müssen eine spezifische Ausbildung in psychosomatischer Grundversorgung absolvieren. Die Ausbildung umfasst typischerweise:
- Ein 80-stündiges Trainingsprogramm, das sowohl theoretische als auch klinische Unterweisungen beinhaltet.
- Entwicklung von Kernkompetenzen, einschließlich der Planung diagnostischer Evaluationen.
- Schulung in effektiven Kommunikationsfähigkeiten.
- Postgraduale Bildungsprogramme zur weiteren Verbesserung der Fähigkeiten.
- Teilnahme an Balintgruppen (30 Stunden), um die Arzt-Patient-Beziehung zu reflektieren und zu verbessern.
- Erwerb von Fähigkeiten in der Psychodiagnostik und verbalen Intervention.
5. Was ist eine psychosomatische Störung?
Eine psychosomatische Störung ist ein Zustand, bei dem psychologische Faktoren zu körperlichen Symptomen beitragen. Sie betont die starke Verbindung zwischen psychischer und körperlicher Gesundheit. Bei diesen Störungen kann psychischer Stress zu körperlichen Symptomen führen, und umgekehrt können körperliche Erkrankungen das psychische Wohlbefinden beeinflussen.
6. Wie kann psychischer Stress körperliche Symptome verursachen?
Psychischer Stress kann durch verschiedene Mechanismen körperliche Symptome verursachen:
- Aktivierung des körpereigenen Stressreaktionssystems, was zu hormonellen und physiologischen Veränderungen führt.
- Veränderung der Funktion des Immunsystems, was möglicherweise die Anfälligkeit für Krankheiten erhöht.
- Änderungen der Verhaltensmuster, wie Schlafstörungen oder schlechte Ernährungsgewohnheiten, die die körperliche Gesundheit beeinflussen können.
- Verstärkung der Schmerzwahrnehmung und Empfindlichkeit gegenüber körperlichem Unbehagen.
7. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für psychosomatische Störungen?
Behandlungsmöglichkeiten für psychosomatische Störungen können umfassen:
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
- Stressmanagement-Techniken
- Entspannungsübungen und Achtsamkeitspraktiken
- Psychoedukation über die Verbindung zwischen Körper und Geist
- Medikation, wenn angemessen
- Lebensstiländerungen zur Stressreduktion und Verbesserung der allgemeinen Gesundheit
- Interdisziplinäre Teamarbeit zur umfassenden Versorgung
- Anwendung von Techniken der verbalen Intervention
8. Wie kann ich Stress besser bewältigen, um meine psychosomatischen Symptome zu verbessern?
Um Stress zu bewältigen und möglicherweise psychosomatische Symptome zu verbessern, können Sie:
- Regelmäßige Entspannungstechniken wie tiefes Atmen oder Meditation praktizieren.
- Regelmäßige körperliche Bewegung einplanen.
- Einen gesunden Schlafrhythmus aufrechterhalten.
- Unterstützung von Freunden, Familie oder Selbsthilfegruppen suchen.
- Professionelle Hilfe von einem Therapeuten oder Berater in Betracht ziehen.
- Zeit- und Problemlösungsfähigkeiten erlernen und anwenden.
- An Stressreduktions- und Entspannungstechniken teilnehmen, die oft Teil der psychosomatischen Grundversorgung sind.
9. Gibt es aktuelle Entwicklungen in der psychosomatischen Versorgung in Deutschland?
Ja, es gibt mehrere aktuelle Entwicklungen in der psychosomatischen Versorgung in Deutschland:
- Verstärkte Integration der psychosomatischen Grundversorgung in die medizinische Aus- und Weiterbildung verschiedener Fachrichtungen.
- Erhöhte Nachfrage aufgrund der hohen Prävalenz psychosomatischer und psychologischer Störungen (12-Monats-Prävalenz von 28% bei Erwachsenen).
- Weiterentwicklung des umfassenden Versorgungsansatzes, der sowohl somatische Therapie als auch psychische Behandlung einschließt.
- Strukturierte Bildungsprogramme und Seminare zur Verbesserung der Fähigkeiten von Gesundheitsdienstleistern in der psychosomatischen Versorgung.
- Implementierung von regulatorischen und professionellen Richtlinien zur Qualitätssicherung.
- Verstärkter Fokus auf Stressreduktion und Entspannungstechniken als Teil des psychosomatischen Behandlungsinstrumentariums.
10. Wie profitiert das Gesundheitssystem von der psychosomatischen Grundversorgung?
Die psychosomatische Grundversorgung bringt dem Gesundheitssystem mehrere Vorteile:
- Sie fördert die frühzeitige Erkennung und Behandlung psychosomatischer Störungen.
- Sie reduziert die Belastung spezialisierter psychiatrischer Dienste, indem Probleme auf der Ebene der Primärversorgung angegangen werden.
- Sie kann potenziell Gesundheitskosten senken, indem sie die Eskalation von Gesundheitsproblemen verhindert.
- Sie verbessert die allgemeine Patientenversorgung, indem sie sowohl körperliche als auch psychische Gesundheitsbedürfnisse berücksichtigt.
- Sie verbessert die Fähigkeiten und Kompetenzen von Gesundheitsfachkräften in verschiedenen Fachgebieten.
- Sie fördert eine ganzheitliche Betrachtungsweise von Gesundheit und Krankheit im Sinne des bio-psycho-sozialen Modells.
- Sie unterstützt die interdisziplinäre Zusammenarbeit und verbessert damit die Qualität der Gesundheitsversorgung