Spondylolisthese (Wirbelgleiten)
Unter einem Wirbelgleiten (Spondylolisthese) versteht man den Versatz bzw. die Verschiebung zweier Wirbel gegeneinander. Im Wachstumsalter kommt es aufgrund von anlagebedingten und erworbenen Veränderungen im Bereich der Verbindung von vorderem und hinterem Wirbelkörperanteil bzw. im Bereich der kleinen Wirbelgelenke zum Wirbelgleiten.
Am häufigsten betroffen sind die untersten beiden Lendenwirbelkörper. Insgesamt ist diese anlagebedingte Störung häufiger als man denkt, macht jedoch nur selten Symptome und kann überwiegend konservativ therapiert werden. Bei ausgeprägtem Abrutschen ist eine regelmäßige Kontrolle notwendig. Dann oder bei therapieresistenten Beschwerden können sich auch operative Maßnahmen ergeben.
Der Begriff Spondylolisthese beschreibt den Vorgang, den man sieht, nämlich dem Abrutsch eines Wirbels über den anderen (Abbildung 1).
Es gibt eine Reihe von Ursachen für dieses Gleiten, wobei die echte Spondylolisthese, welche hier in diesem Artikel beschrieben wird, nur eine Ursache davon ist. Man unterscheidet eine Lockerung bzw. Lyse in der sogenannten Interartikularportion des Wirbels von einem echten Wirbelgleiten, einer Spondylolisthese. Bei einer Lyse kommt es nur zu einer Lockerung der dorsalen Struktur, die häufig der Beginn eines Wirbelgleitens sein kann. Dieser Prozess kann aber auch stehenbleiben bzw. bei adäquater Therapie verheilen. Kommt es zu einem Abrutsch eines Wirbels über den anderen aufgrund dieser Veränderung spricht man eben von einer Spondylolisthese.
Häufigkeit
In der Allgemeinbevölkerung wird die Häufigkeit dieser Störung mit bis zu 10 % (manchmal auch 11%) angegeben. Dies betrifft vor allem den europäischen Raum und Nordamerika. Es gibt Regionen, in denen das Wirbelgleiten deutlich häufiger beschrieben wird (Inuit in Alaska), oder bei denen es deutlich seltener ist (Untersuchung im afrikanischen Raum).
Jungen sind prozentual häufiger betroffen als Mädchen. Jedoch wird häufig beschrieben, dass es beim weiblichen Geschlecht zu einem stärkeren Gleiten eines Wirbelkörpers über den anderen kommen kann. Am häufigsten ist von dem Leitprozess der Lendenwirbelkörper L5 mit nahezu 90° betroffen, gefolgt von dem Wirbelkörper L4.
Ursachen
Da eine Lockerung des Wirbelbogens (Spondylolyse) und ein Wirbelgleiten bei Neugeborenen noch nie nachgewiesen werden konnten, geht man davon aus, dass der aufrechte Gang eine Voraussetzung zur Entwicklung dieser Pathologie ist.
Es können sowohl gewisse anatomische Voraussetzungen ein Wirbelgleiten begünstigen als auch bestimmte Belastungsprofile. Eine Unterform der echten Spondylolisthesen resultiert aus anlagebedingten Störungen im Bereich der hinteren Wirbelsäule, wie z. B. Veränderungen im Bereich der kleinen Wirbelgelenke oder unvollständige Verschlüsse der dorsalen knöchernen Strukturen, oder auch spezielle Formvarianten des Kreuzbeines. Weiterhin ist nachgewiesen, dass bestimmte Belastungsformen, gerade repetitive Belastungen in Überstreckung, d. h verstärkte Lordosierung der Wirbelsäule, das Auftreten dieser Pathologie begünstigen. In der Literatur findet man dazu Angaben zum Speerwerfen, Gewichtheben, Balletttanzen, Kunstturnen und American Football.
Weiterhin scheint auch eine gewisse genetische Prädisposition eine Rolle zu spielen. So konnte gezeigt werden, dass erstgradig Verwandte von erkrankten Patienten ein bis zu 30 % höheres Risiko für einen Defekt der Zwischengelenksportion des Wirbelbogens haben.
Symptome und Verlauf
Häufig handelt es sich um eine unerkannte Pathologie, welche durch Zufall bei Untersuchung aufgrund anderer Beschwerden auffällig wird.
Es können jedoch auch Schmerzen auftreten, welche initial vor allem belastungsabhängig auftreten, insbesondere wenn es sich nur um eine Lockerung bzw. Lyse in der Interartikularportion handelt. Hier sind tagsüber bei und nach Belastung auftretende Beschwerden typisch. Es wird auch beschrieben, dass diese Beschwerden in Entwicklungsschüben, insbesondere mit Beginn des Schulalters und der Pubertät deutlicher hervortreten können.
Geklagt werden in diesen Fällen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule. Bei stärker ausgeprägtem Abrutschen kann es allerdings auch zu ausstrahlend haben oder durch eine Beeinträchtigung der dort verlaufenden Nerven haben im Sinne von Schmerzen im Oberschenkel, Unterschenkel, im Fußbereich, oder im Gesäßbereich oder in der Genitalregion.
Treten ausgeprägte Reizsymptome auf, die mit Ausfallerscheinungen (Taubheit im Bereich des Beines, Abschwächung der Kraft, oder Ausfall der Kraft der Muskulatur) verbunden sind, sollte schnell ein Arzt aufgesucht werden, da dies klare Zeichen für eine Reizung eines dort verlaufenden Nerven sind. In sehr seltenen Ausnahmefällen beschrieben sind auch Störungen in der Kontrolle von Stuhl und Urin. Hier muss sofort und notfallmäßig ein Arzt aufgesucht werden.
In der klinischen Untersuchung zeigt sich ein Klopf- und Druckschmerz im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule. Diese Region ist häufig muskulär stark verspannt. Bei stärkerem Abrutschen stehen die Patienten mit einem aufgerichteten Becken da, welches die verstärkte Ausbiegung (Lordose) der Wirbelsäule ausgleichen soll. Dies kann zu Schmerzen in angrenzenden Gelenkregionen führen. Ausgesprochen selten ist die immer wieder beschriebene resultierende Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk (s. g. Hüft-Lenden-Strecksteife).
Schaut man sich klinisch den betroffenen Patienten an, so steht er häufig mit einem überstreckten Becken, manchmal auch mit leicht gebeugten Knien. Fährt man mit der Hand über die Dornfortsatzreihe des Rückens bzw. manchmal auch sichtbar ist ein kleiner Höhenunterschied in dieser Dornfortsatzreihe im Sinne eines sogenannten Sprungschanzenphänomens, welches durch den Abrutsch des einen Wirbels über den anderen zustandekommt.
In sehr ausgeprägten Formen kann es auch zu sekundären Verkrümmungen der angrenzenden Wirbelkörper im Sinne einer Skoliose oder Kyphose, d. h. einer seitlichen oder vorderen Verkrümmung kommen.
Diagnostik
Bei Beschwerden kann es erforderlich sein, dass der Arzt eine Röntgenuntersuchung der Lendenwirbelsäule verordnet. Hier kann man schon sehr früh Veränderungen in der Interartikularportion des Wirbels bzw. im Bereich der Zwischenwirbelgelenke sehen und kann vor allem auch den Abrutsch sehen. Ist das Bild nicht eindeutig interpretierbar, oder liegen persistierende Schmerzen vor, muss eine Magnetresonanztomographie durchgeführt werden. Gerade bei der Lyse ohne Abrutsch kann das Röntgenbild lange unauffällig sein, aber die MRT schon früh auffällige Befunde zeigen. Liegen neurologische Defizite wie oben beschrieben (Sensibilitätsstörungen, Kraftminderung usw.) vor, muss in jedem Fall ein MRT durchgeführt werden, um eventuell resultierende Beeinträchtigungen der nervalen Strukturen sicher beurteilen zu können. So genannte Funktionsröntgenaufnahmen im Stehen können Auskunft darüber geben, ob durch den Abrutsch in dem Bewegungssegment der Wirbelsäule eine erhöhte Instabilität resultiert. Ist eine Operation notwendig (siehe hinten), kann es sein, dass sich in Einzelfällen eine Computertomographie zur Planung erforderlich macht.
Therapeutische Möglichkeiten
Bei einem Zufallsbefund, welcher ein Wirbelgleiten ohne bisherige Beschwerden zeigt, sollte man den betroffenen Patienten umfassend aufklären, Risikofaktoren für eine weitere Progression beachten (siehe unten) und ggf. eine Kontrolle im zeitlichen Abstand durchführen. Liegen Beschwerden vor, ohne dass ein hochgradiger Abrutsch vorliegt, sollte in jedem Falle ein initial konservativer Therapieversuch unternommen werden. Dazu gehören das Lösen von Verspannungen, vor allem Entspannung und Detonisierung der ischiokruralen Muskulatur und das Stabilisieren der Rumpfmuskulatur. Wichtig sind eine Aufklärung des betroffenen Patienten und seiner Familie und eine Beratung hinsichtlich der täglichen Belastungen und der Sporttätigkeit. Liegt eine reine Lyse vor, so kann zu einer zwischenzeitlichen Ruhigstellung auch eine Korsettverordnung für drei bis vier Monate sinnvoll sein. Diese muss jedoch mit stabilisierenden Übungen für das Muskelkorsett des Rumpfes verbunden sein. In der Beratung sollte man aufklären, dass Sportarten mit hoher repetitiver Belastung der unteren Lendenwirbelsäule und Überstreckung ausgesprochen ungünstig sind sowie Kontaktsportarten oder Sportarten, welche mit großen Gewichten arbeiten. Natürlich kann sich auch die temporäre Einnahme von schmerzlindernden Medikamenten erforderlich machen.
Eine operative Behandlung kommt dann zum Tragen, wenn die konservativen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und keine Besserung eingetreten ist. Weiterhin gibt es die s. g. dysplastische Form der Spondylolisthese, d. h. die Form, bei der in den hinteren Strukturen der Wirbelsäule Veränderungen vorliegen, welche den Abrutsch begünstigen (siehe vorn). Die Form sollte, wenn sie fortschreitet, früh operiert werden, da hier bekannt ist, dass bei dieser seltenen Form ein hohes Progredienzrisiko, d. h. ein Risiko des Fortschreitens des Erkrankungsprozesses vorliegt und die Versorgung mit fortschreitendem Abrutsch zunehmend aufwändiger wird.
Das heißt operative Versorgungen bei der Spondylolisthese werden dann durchgeführt, wenn die konservative Therapie bei Schmerzen, welche die Patienten deutlich belasten, ausgeschöpft ist und kein weiterer Fortschritt erzielt werden kann. Ein weiterer Grund operativ tätig zu werden ist ein progredienter Abrutsch insbesondere bei dem Typ der dysplastischen Spondylolisthese, da dieser zu persistierenden Beschwerden und resultierenden Gestaltsänderungen führt (Abbildung 2). Operiert werden muss immer, wenn deutliche nervale Beeinträchtigungen vorliegen, was aber selten und eher bei ausgeprägtem Abrutsch der Fall ist.
Das Ziel der Operation ist eine Stabilität in den betroffenen Segmenten in einer guten natürlichen Stellung der Wirbelsäule und ausreichend Platz der nervalen Strukturen erreichen.
Der Aufwand in der Frühphase der Erkrankung bei der sogenannten Spondylolyse ist relativ gering. Hier kann man eine direkte Verschraubung des Defektes vornehmen.
Ist schon ein Wirbelgleiten aufgetreten, versucht man die Höhe des Zwischenwirbelraumes wiederherzustellen, den abgerutschten Wirbel etwas zurückzuziehen, um eine gute Stabilität zu erreichen und ihn so einzustellen, dass das Profil der Wirbelsäule regelrecht wieder hergestellt werden kann.
Die technische Ausführung der Operation hängt von verschiedenen Faktoren ab und kann von hinten, vorne, oder kombiniert, je nach Ausprägung des Abrutsches vorgenommen werden.
Was ist wichtig zu wissen?
Eine häufig gestellte Frage ist die nach der möglichen Progredienz eines Abrutsches zum Zeitpunkt der Erstdiagnose.
Hier ist bekannt, dass ein sehr junges Alter bei der Erstmanifestation, was ja ein noch langandauerndes Wachstum bedeutet, mit einem erhöhten Risiko eines Fortschreitens verbunden ist.
Weiterhin wird beim weiblichen Geschlecht ein höheres Progressionsrisiko beschrieben. Insbesondere die so genannte dysplastische Spondylolisthese mit Veränderungen der natürlichen Form der betroffenen Wirbelkörper und resultierenden Formveränderungen des Profils der gesamten Wirbelsäule zeigen eine hohe Progredienzrate.
Stellt man eine Spondylolisthese zum Zeitpunkt des Wachstumsabschlusses fest, welche nicht mehr als um ein Drittel der Wirbelkörperausdehnung des darunterliegenden Wirbelkörpers abgeglitten ist, ist in den nächsten Jahren in aller Regel keine große Progredienz zu erwarten.
FAQ - Häufig gestellte Fragen zur Spondylolisthese
Was ist Spondylolisthese?
Spondylolisthese, auch als Wirbelgleiten bekannt, bezeichnet die Verschiebung eines Wirbels gegenüber dem darunterliegenden Wirbel. Diese Erkrankung kann zu Instabilität der Wirbelsäule führen und Schmerzen verursachen.
Welche Symptome treten bei Spondylolisthese auf?
Die Symptome können variieren, beinhalten jedoch häufig:
- Schmerzen im unteren Rücken, die sich bei bestimmten Bewegungen verstärken können
- Bewegungseinschränkungen im Rücken
- Ausstrahlende Schmerzen in die Beine, insbesondere bei Druck auf Nerven
- Muskelschwäche oder Taubheitsgefühle in den Beinen
Wer ist gefährdet, an Spondylolisthese zu erkranken?
Risikofaktoren sind unter anderem:
- Genetische Veranlagung oder angeborene Fehlbildungen
- Übermäßige Belastung durch Sport oder körperliche Arbeit
- Alter, da degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit zunehmendem Alter häufiger auftreten
- Verletzungen oder Unfälle, die zu einer Instabilität der Wirbelsäule führen können
Wie wird Spondylolisthese diagnostiziert?
Die Diagnose erfolgt in der Regel durch eine Kombination aus:
- Körperlicher Untersuchung zur Beurteilung von Schmerzen und Beweglichkeit
- Bildgebenden Verfahren wie Röntgen, MRT oder CT, um den Grad der Verschiebung und mögliche Begleiterscheinungen zu beurteilen.
Wie wird Spondylolisthese behandelt?
Die Behandlung hängt von der Schwere der Erkrankung und den Symptomen ab. Zu den gängigen Behandlungsmethoden gehören:
- Konservative Maßnahmen wie Physiotherapie, Schmerzmittel und gezielte Übungen zur Stärkung der Rückenmuskulatur
- Injektionen von Kortikosteroiden zur Linderung von Entzündungen und Schmerzen
- Operative Eingriffe, wenn konservative Therapien nicht ausreichend sind oder neurologische Symptome auftreten. Hierbei kann eine Stabilisierung des betroffenen Wirbels notwendig sein.
Wie kann man Spondylolisthese vorbeugen?
Präventionsmaßnahmen umfassen:
- Regelmäßige Bewegung und gezielte Kräftigungsübungen für den Rücken
- Ergonomische Anpassungen am Arbeitsplatz, um die Wirbelsäule zu entlasten
- Vermeidung von Überlastung und plötzlichen, ruckartigen Bewegungen
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
Ein Arzt sollte aufgesucht werden, wenn:
- Anhaltende oder zunehmende Rückenschmerzen auftreten
- Neurologische Symptome wie Taubheit oder Schwäche in den Beinen auftreten
- Die Beweglichkeit des Rückens stark eingeschränkt ist