Glasknochenerkrankung
Die Glasknochenerkrankung (Osteogenesis imperfecta) ist die häufigste angeborene (genetische) Erkrankung, die zu einer geringen Stabilität der Knochen im Kindesalter führt und damit verbunden zu häufigen Knochenbrüchen.

Häufigkeit und Ursachen
Die Häufigkeit ist weltweit ähnlich und beträgt etwa 1:20.000. Ursächlich ist in den allermeisten Fällen eine Veränderung in den Genen COL1A1 und -A2, die zu einem Mangel an Kollagen führt, welches für die Festigkeit und Struktur der Knochen wichtig ist. In circa 15 Prozent der Fälle liegen andere Ursachen vor, die sich meistens in Familien finden, in denen die Eltern miteinander verwandt sind. Es gibt auch Übergangsformen zu einer Osteoporose im Kindes- und Jugendalter (juvenile Osteoporose).
Symptome und Verlauf
Die Symptome können sehr unterschiedlich sein. Im Vordergrund steht das häufige Auftreten von Knochenbrüchen (Frakturen) schon bei geringen Anlässen. Die Anzahl kann hierbei von einigen wenigen Frakturen im Kindes- und Jugendalter bis zu mehr als 50 Knochenbrüchen gehen. Die Anfälligkeit für Knochenbrüche hört meist mit der Pubertät und damit dem Abschluss des Körperlängenwachstums auf. Neben den Knochenbrüchen kommen auch andere Symptome vor, wie zum Beispiel Verbiegungen der Extremitäten, Wirbelkörperbrüche oder eine Skoliose (krankhafte Krümmung der Wirbelsäule). Da Kollagen – die Substanz die bei der Erkrankung vom Körper nicht ausreichend produziert werden kann – nicht nur im Knochen eine wichtige Rolle spielt, gibt es auch andere Probleme für die Betroffenen, wie zum Beispiel eine vermehrte Beweglichkeit der Gelenke, einen Kleinwuchs, eine Zahnbeteiligung (Dentinogenesis imperfecta), Blaufärbung der Sklera, der Lederhaut des Auges, die den Augapfel umschließt, oder eine Schwerhörigkeit im Erwachsenenalter. Durch die häufigen Knochenbrüche in der Kindheit sind viele Betroffene auch im Erwachsenenalter in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt und teilweise auf die Nutzung von Hilfsmitteln wie zum Beispiel einen Rollstuhl angewiesen.
Diagnose
Die Diagnose einer Glasknochenerkrankung kann manchmal bereits im Mutterleib bei den Ultraschalluntersuchungen gestellt werden. Nach der Geburt sind die klinischen Symptome (Knochenbrüche und Verbiegungen der Knochen) und die Röntgenbilder ausschlaggebend. Eine genetische Sicherung ist inzwischen bei vielen Patienten möglich und sollte im Zweifelsfall immer durchgeführt werden.
Therapie
Die Therapie der Betroffenen beruht auf drei Säulen. Orthopädische und chirurgische Maßnahmen sind bei Knochenbrüchen notwendig und wenn Deformierungen der Knochen vorliegen, die die Mobilität der Betroffenen einschränken. Hierbei muss beachtet werden, dass das Einbringen von Platten in den Knochen meist nicht sinnvoll ist, da es an der Stelle der Schrauben zu „Sollbruchstellen“ kommt. Die Versorgung mit Marknägeln konstanter Länge ist bei ausgewachsenen Personen die bevorzugte Behandlungsmethode. Im Kindes- und Jugendalter sollten Teleskopnägel verwendet werden, die sich während des Wachstums in die Länge ziehen und so den Knochen von innen schienen. Die medikamentöse Behandlung kann im Erwachsenenalter an die Therapie von Patienten mit einer Alters-Osteoporose angelehnt werden. Allerdings muss beachtet werden, dass es sich bei den Glasknochen nicht um eine Mineralisierungsstörung handelt und deshalb zusätzliche Gaben von Calcium nicht sinnvoll sind.
Im Kindesalter kann eine Behandlung mit intravenös verabreichten Bisphosphonaten bei Patienten mit schweren Verlaufsformen durchgeführt werden. Diese Medikamente bewirken, dass bei der natürlichen Erneuerung des Knochens weniger Knochenmasse abgebaut wird. Dadurch haben die Patienten im Endergebnis mehr Knochenmasse und die Knochen werden stabiler. Andere Medikamente werden im Kindesalter derzeit in Studien untersucht und müssen wegen ihrer Auswirkungen auf den Calcium-Stoffwechsel mit großer Vorsicht angewendet werden.
Wichtigster Baustein der Behandlung ist sicher die Kräftigung der Muskulatur durch intensive Physiotherapie. Hierbei dient der Muskelaufbau nicht nur der Verbesserung der Selbstständigkeit und Mobilität der Betroffenen, sondern eine kräftigere Muskulatur regt auch den Knochenaufbau an. Durch eine aktivere Nutzung der Muskulatur kann also das Risiko von weiteren Knochenbrüchen reduziert werden. Zusätzlich sollte im Rahmen regelmäßiger Physiotherapie das Durchführen selbstständiger Bewegungsabläufe in einem sicheren Umfeld geübt werden, damit die Patienten auf möglichst wenig Hilfe und Unterstützung angewiesen sind.
Weitere Informationen zur Erkrankung und der Behandlung finden sich bei auch bei der Selbsthilfegruppe „Deutsche Gesellschaft für Glasknochen Betroffene e.V.“ (www.oi-gesellschaft.de). Hier finden sich auch weitere Artikel zu dem Thema der Glasknochenerkrankung.
FAQ - Häufig gestellte Fragen zur Glasknochenerkrankung
Welche Typen der Glasknochenerkrankung gibt es?
Die Glasknochenerkrankung wird in verschiedene Typen unterteilt, die sich im Schweregrad und in den Symptomen unterscheiden:
- Typ I: Die mildeste Form mit oft normaler Körpergröße, blauen Skleren und häufiger Schwerhörigkeit. Knochenbrüche treten auf, heilen jedoch normal.
- Typ II: Die schwerste Form, oft perinatal letal. Die ersten Brüche können bereits intrauterin auftreten.
- Typ III: Eine schwere Form mit dünnen und gebogenen Knochen, eingeschränkter Zahnbildung und Hörfähigkeit. Diese Form führt oft zu schwerwiegenden körperlichen Einschränkungen.
- Typ IV: Eine moderate Form mit moderatem Kleinwuchs, leichter bis moderater Skoliose und gräulichen oder weißen Skleren.
- Typ V und weitere: Weniger häufige Typen mit variablen Symptomen, die von den spezifischen genetischen Varianten abhängen.
Wie wird die Glasknochenerkrankung diagnostiziert?
Die Diagnose der Glasknochenerkrankung erfolgt durch eine Kombination verschiedener Methoden:
- Klinische Untersuchung: Ein Arzt untersucht den Patienten auf typische Symptome wie häufige Knochenbrüche und blaue Skleren.
- Anamnese: Die Krankengeschichte des Patienten und der Familie wird erfasst, um genetische Faktoren zu berücksichtigen.
- Bildgebende Verfahren: Röntgenaufnahmen, CT-Scans oder MRTs werden eingesetzt, um die Knochenstruktur und -dichte zu beurteilen.
- Genetische Tests: Diese Tests können spezifische Mutationen identifizieren, die die Erkrankung verursachen.
- Biochemische Tests: Sie überprüfen die Kollagenproduktion im Körper.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für die Glasknochenerkrankung?
Obwohl es keine Heilung für die Glasknochenerkrankung gibt, existieren verschiedene Behandlungsansätze zur Symptomlinderung und Verbesserung der Lebensqualität:
- Medikamentöse Therapie: Bisphosphonate werden eingesetzt, um die Knochendichte zu erhöhen und das Frakturrisiko zu verringern.
- Physiotherapie: Regelmäßige Übungen helfen, die Muskelkraft zu erhalten und die Mobilität zu verbessern.
- Chirurgische Eingriffe: In einigen Fällen können Operationen notwendig sein, um Knochenbrüche zu stabilisieren oder zu korrigieren.
- Ernährungsberatung: Eine ausgewogene, kalzium- und vitamin-D-reiche Ernährung unterstützt die Knochengesundheit.
- Psychosoziale Unterstützung: Beratungsdienste und Selbsthilfegruppen helfen Betroffenen und ihren Familien, mit den Herausforderungen der Erkrankung umzugehen.
Welche Alltagsherausforderungen erleben Menschen mit Glasknochenerkrankung?
Menschen mit Glasknochenerkrankung stehen vor verschiedenen Herausforderungen im Alltag:
- Physische Einschränkungen: Die Fragilität der Knochen kann zu häufigen Frakturen führen, was die Mobilität erheblich einschränken kann.
- Schmerzmanagement: Chronische Schmerzen aufgrund wiederholter Frakturen und Knochendeformitäten sind ein häufiges Problem.
- Zugänglichkeitsprobleme: Die Navigation in nicht barrierefreien Umgebungen kann schwierig sein.
- Soziale und emotionale Herausforderungen: Betroffene können soziale Isolation und emotionale Belastungen erfahren.
- Bildungs- und Beschäftigungsbarrieren: Häufige medizinische Termine und physische Einschränkungen können die regelmäßige Teilnahme an Schule oder Arbeit erschweren.
Welche Bewältigungsstrategien können Menschen mit Glasknochenerkrankung anwenden?
Es gibt verschiedene Strategien, die Menschen mit Glasknochenerkrankung helfen können, ihren Alltag zu bewältigen:
- Physiotherapie und Bewegung: Regelmäßige, angepasste Übungen können die Muskelkraft und Gelenkflexibilität verbessern.
- Schmerzbewältigungstechniken: Neben Medikamenten können Techniken wie Achtsamkeit und kognitive Verhaltenstherapie bei der Schmerzbewältigung helfen.
- Hilfsmittel und Wohnungsanpassungen: Die Verwendung von Hilfsmitteln wie speziellen Rollstühlen und Wohnungsanpassungen wie Treppenliften kann die Unabhängigkeit fördern.
- Unterstützungsnetzwerke: Der Aufbau eines starken Unterstützungsnetzwerks aus Familie, Freunden und Fachleuten ist entscheidend.
- Bildungs- und berufliche Unterstützung: Die Nutzung von Ressourcen für Bildungsanpassungen und berufliche Rehabilitation kann helfen, akademische und berufliche Ziele zu erreichen.
- Interessenvertretung und Aufklärung: Die Beteiligung an Aufklärungsarbeit kann dazu beitragen, das öffentliche Verständnis zu verbessern und Stigmatisierung abzubauen.
Gibt es Selbsthilfegruppen oder Unterstützungsangebote für Betroffene und Angehörige?
Ja, es gibt verschiedene Möglichkeiten für Betroffene und Angehörige, Unterstützung zu finden:
- Lokale Selbsthilfegruppen: In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Selbsthilfegruppen für verschiedene Gesundheitszustände, einschließlich chronischer Erkrankungen wie der Glasknochenerkrankung.
- Online-Ressourcen und Verzeichnisse: Websites und Verzeichnisse listen oft Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen auf. Plattformen wie "Meine Augenblicke" bieten Kontakte zu Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen für spezifische Diagnosen.
- Unterstützung für Pflegende: Es gibt auch spezielle Unterstützungsgruppen und Ressourcen für Angehörige und Pflegende von Menschen mit Glasknochenerkrankung.
- Virtuelle Selbsthilfeoptionen: Mit dem Aufkommen digitaler Kommunikation sind virtuelle Selbsthilfegruppen immer häufiger geworden. Diese Plattformen ermöglichen es Patienten und ihren Familien, sich in einer geschützten Online-Umgebung auszutauschen und Erfahrungen zu teilen.
- Umfassende Auflistungen: Einige Websites bieten detaillierte Auflistungen von Unterstützungsdiensten und Selbsthilfegruppen, die als wertvoller Ausgangspunkt für die Suche nach der richtigen Gruppe oder dem richtigen Dienst dienen können.
Durch die Nutzung dieser Ressourcen können Patienten und ihre Familien die notwendige Unterstützung und Gemeinschaft finden, um die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Glasknochenerkrankung zu bewältigen.