Verletzungen hinteres Kreuzband
Verletzungen des hinteren Kreuzbandes treten deutlich seltener auf als Verletzungen des vorderen Kreuzbandes. Die Herausforderung für Arzt und Patient liegt in der individuellen Entscheidung zwischen operativer und konservativer Therapie und – im Falle einer OP – in der Wahl der Operationstechnik und des Transplantats. Grundsätzlich wird die Entscheidung zur Operation bei Verletzungen des hinteren Kreuzbandes zurückhaltender getroffen als bei Verletzungen des vorderen Kreuzbandes.
Funktion und Anatomie
Wesentliche Aufgabe des hinteren Kreuzbandes ist die Stabilisierung des Kniegelenkes gegenüber einer Rückwärts-verlagerung der Tibia (Unterschenkelknochen) gegenüber dem Femur (Oberschenkelknochen). Am hinteren Kreuzband lassen sich ebenfalls zwei Faserbündel abgrenzen. Die beiden Bündel unterscheiden sich hinsichtlich ihres Spannungsverhaltens bei Beugung und Streckung im Kniegelenk.
Ursachen
Verletzungen des hinteren Kreuzbandes entstehen zumeist durch eine gewaltsame Rückwärtsverlagerung des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel, beispielsweise durch direkte Anpralltraumata des Schienbeinkopfes von vorne. Bekannt ist dieser Mechanismus auch als „Armaturenbrettverletzung“. Seltenere Mechanismen sind Überstreckverletzungen im Kniegelenk. Die vordere Kreuzbandverletzung ist zehnmal häufiger als die hintere Kreuzbandverletzung.
Symptome
Bei frischen Verletzungen kann die klinische Symptomatik verschleiert sein. Die isolierte HKB-Verletzung wird nicht selten übersehen, da Schmerzen und ein blutiger Kniegelenkserguss weniger stark ausgeprägt sind als bei der VKB-Verletzung. Auch die sonst sehr aussagekräftige MRT-Untersuchung kann bisweilen ohne eindeutigen Befund sein. Wichtigstes klinisches Zeichen ist der „hintere Durchhang des Unterschenkels“ und der positive „hintere Schubladentest“, bei dem der Arzt durch Bewegung des Unterschenkels bei 90 Grad gebeugtem Kniegelenk die Funktion des hinteren Kreuzbands prüft. Besteht eine HKB-Verletzung länger, führt dies zur Überbeanspruchung des inneren Gelenkabschnitts und in der Folge zu innenseitigen Schmerzen sowie zu einer zunehmenden Arthroseentstehung. Die subjektive Empfindung von Instabilität des Patienten ist deutlich stärker, wenn zusätzlich eine Verletzung des Außenbandes oder der hinteren/äußeren Kapsel-/Bandecke vorliegt.
Diagnose
Im Vordergrund steht eine eingehende klinische Untersuchung mit den typischen Tests zur Prüfung der Stabilität des Kniegelenks, wie dem oben erwähnten „hinteren Schubladentest“. Erfahrene Untersucher ziehen gerne auch sogenannte Arthrometer (KT-1000, Rolimeter, etc.) zur instrumentellen Stabilitätsprüfung des verletzten Kniegelenks im Vergleich zum gesunden Gelenk heran. Zusätzlich erfolgt eine radiologische Diagnostik, in der Regel mit Standard-Röntgenaufnahmen. Diese können ggf. um sogenannte Stressaufnahmen ergänzt werden. Zur weiteren Sicherung der Diagnose und zur Erfassung von eventuellen Begleitverletzungen erfolgt üblicherweise eine Kernspintomografie (MRT).
Therapie und Nachsorge
Bei frühzeitiger und korrekter Diagnosestellung zeigt die isolierte hintere Kreuzbandverletzung eine gute Spontanheilungstendenz. Voraussetzung hierfür ist das ganz konsequente Tragen einer speziellen PTS-Schiene (Abb. 1), welche den Unterschenkel permanent nach vorne abstützt. Die Schiene muss über einen Zeitraum von mehreren Wochen konsequent Tag und Nacht getragen werden. Eine Operation kann notwendig sein, wenn der „hintere Schubladentest“ trotz mehrwöchiger konservativer Behandlung positiv ausfällt, eine kombinierte Instabilität und Insuffizienz zusätzlicher Kapsel-/Bandstrukturen oder persistierende Schmerzen vorliegen.
Aktuelle Operationsverfahren
Die operative Therapie der hinteren Kreuzbandruptur erfolgt heute – analog zur VKB-Ruptur – vollendoskopisch (Abb. 2), wobei für den Ersatz des hinteren Kreuzbands ganz überwiegend autologe (körpereigene) Sehnentransplantate verwendet werden. Auch hierbei wird das Vierfach-Beugesehnentransplantat favorisiert aufgrund der geringen Entnahmeprobleme und der guten biologischen Eigenschaften. Die Operation ist aufwendiger als die VKB-Plastik und hat eine längere Nachbehandlungszeit. Intraoperativ ist die Anlage spezieller dorsaler (hinterer) Instrumentierzugänge zur Anlage der Knochenbohrkanäle erforderlich. Die Befestigung des Kreuzbandtransplantates erfolgt in der Regel analog der VKB-Plastik mit Kippankern und/oder selbstauflösenden Schrauben.
Nachbehandlung
Die Rehabilitation nach hinterer Kreuzbandrekonstruktion erfolgt nach folgendem Schema:
(Abweichungen sind je nach individueller Situation, Operateur und Begleitverletzungen möglich.)
Eis und entzündungshemmende Schmerzmittel können nach Bedarf eingesetzt werden. Die Entfernung der Drainagen erfolgt am zweiten Tag nach der Operation. Eine PTS-Schiene zur Entlastung des HKB wird im OP-Saal angelegt, diese soll aber zu eigenen Bewegungsübungen abgenommen werden. Dies sollte nur unter Vermeidung einer hinteren Schublade erfolgen, also zum Beispiel in Bauchlage). Nach zwei bis drei Tagen werden Patienten aus der stationären Behandlung entlassen.
Bewegung
In der ersten Woche Streckung und Beugung um 0/10/60 Grad, in der zweiten Woche um 0/5/75 Grad; in der dritten Woche in die Streckung gehen, also 0/0/90 Grad und erst in der vierten Woche langsam auf 100 Grad beugen, dies bis Ende der fünften Woche durchführen und erst ab der sechsten Woche mehr als 100 Grad beugen.
Belastung
Drei Wochen lang 5 kg Abrollen, danach drei Wochen lang 20 kg Teilbelastung, ab Ende der sechsten Woche darf dann langsam mit der Vollbelastung begonnen werden.
Orthesenlagerung
In den ersten drei Wochen sollte die PTS-Schiene Tag und Nacht getragen werden. Diese Schiene darf zu den Bewegungsübungen abgenommen werden. Die passive Übung auf der Bewegungsschiene sollte nach Ablauf einer Woche langsam daheim beginnen.
Nach drei Wochen kann die PTS-Schiene tagsüber durch eine HKB-Orthese ersetzt werden. Bis zum Ende der fünften Woche sollte nachts weiter die PTS-Schiene getragen werden. Während dieser Zeit sollte außerdem ein normales Gangbild mit Stabilisation durch die Knieführungsmuskulatur geübt werden.
Auch danach sollte eine komplette Kniebeugung oder Arbeiten in der Hocke noch für weitere drei Monate unterbleiben. Danach erfolgt ein schrittweiser sportlicher Belastungsaufbau.
Wichtig: Für die Dauer der Teilbelastung ist eine Thromboseprophylaxe erforderlich. Diese erfolgt normalerweise durch eine tägliche Heparininjektion in die Bauchhaut.