Morbus Scheuermann

Der Morbus Scheuermann ist eine häufige Wirbelsäulenerkrankung. Bedingt durch Wachstumsstörungen einzelner Wirbelsäulenabschnitte kommt es dabei zu einer Rundrückenbildung, die sich häufig bei Jungen in der Pubertät erstmalig zeigt. Die Therapie richtet sich nach dem Alter der Patienten, dem Ausmaß des Rundrückens und den begleitenden Schmerzen.

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Häufigkeit

Der Morbus Scheuermann ist eine häufige Wirbelsäulenerkrankung, etwa zehn Prozent der Bevölkerung sind betroffen, wobei Jungen und junge Männer häufiger als Mädchen und Frauen daran erkranken (Verhältnis 3:1). Die Erstdiagnose wird häufig während der Pubertät gestellt, meist zwischen dem 11. und 13. Lebensjahr. Der Morbus Scheuermann ist der häufigste Grund für eine Rundrückenbildung bei Jugendlichen.

Ursachen

Die genaue Ursache ist nicht abschließend geklärt. Es werden sowohl angeborene Faktoren als auch mechanische Überlastungen als Ursachen diskutiert. Sogenannte avaskuläre Nekrosen, Knocheninfarkte, bei denen es aufgrund einer unzureichenden Durchblutung zur Schädigung oder sogar zum Absterben des Knochens kommt, werden für die Erkrankung verantwortlich gemacht. Diese treten an den sogenannten Ringapophysen auf. Dabei handelt es sich um die Wachstumszonen der Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper. Bei den Pateinten kommt es so zu Wachstumsstörungen an den Grund- und Deckplatten einzelner benachbarter Wirbel, welche unregelmäßige Defekte zeigen. Außerdem kommt es zu Vorwölbungen von Bandscheibengewebe durch die Grund- und Deckplatten in den knöchernen Wirbelkörper hinein (sogenannte Schmorl-Knoten). Betroffene Wirbel bilden im Laufe der Zeit eine Keilform, sie flachen insgesamt ab und gewinnen an Länge. Durch diese Keilform entsteht schlussendlich eine Profilstörung der Wirbelsäule mit Bildung eines Rundrückens, auch Kyphose genannt. Die Defekte der Grund- und Deckplatten führen zu einer zunehmenden Degeneration der Bandscheiben und es kann zu Schmerzen kommen. Die Rundrückenbildung kann zunehmend verlaufen und es kann zu Problemen aufgrund der Wirbelsäulendeformität kommen.

Abb. 1: 22-jähriger Patient mit Morbus Scheuermann (Quelle: Wikimedia Commons)

Symptome und Verlauf

Viele Patienten mit Morbus Scheuermann haben keine Schmerzen. Sie können allerdings Schmerzen im betroffenen Wirbelsäulenareal entwickeln durch die Bandscheiben-Degeneration, durch Defekte der empfindlichen Grund- und Deckplatten und auch durch Defekte im benachbarten Knochen. Selten kann es zu erheblichen Schmerzphasen, vor allem im Jugendalter, kommen. Neurologische Ausfälle kommen in der Regel nicht vor. Die Rundrückenbildung führt dazu, dass Patienten in den benachbarten Wirbelsäulenabschnitten, zum Beispiel der Halswirbelsäule oder der unteren Lendenwirbelsäule eine verstärkte Ausgleichsstellung einnehmen, um in der Balance zu bleiben und den Kopf aufrecht halten zu können, das heißt es kommt zu einem verstärkten Hohlkreuz (einer sogenannten Lordose). Dies kann dazu führen, dass aufgrund von stauchungsbedingten Überlastungen der kleinen Wirbelgelenke auch in diesen Nachbararealen der Wirbelsäule Schmerzen auftreten. So sind Nackenschmerzen und Schmerzen der unteren Lendenwirbelsäule bei Patienten mit einer Morbus Scheuermann-Kyphose der Brustwirbelsäule häufig.

Im Laufe der Jahre kommt es häufig zu einem fortschreitenden Verschleiß der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte und schlussendlich zu einer Zunahme der Steifigkeit bis hin zu einer vollständigen knöchernen Versteifung (meist im Bereich der Brustwirbelsäule). Überschreitet das Ausmaß des Rundrückens statisch ein bestimmtes Maß, kann sich eine Eigendynamik bezüglich der Zunahme der Deformität entwickeln, sodass schlussendlich eine korrigierende Therapie eingeleitet werden muss.

Diagnose

Das Ausmaß der Wirbelsäulendeformität wird auf im Stand angefertigten Röntgenaufnahmen der gesamten Wirbelsäule ausgemessen. Hier kann zudem beurteilt werden, ob begleitend zur Deformität im seitlichen (sagittalen) Profil auch eine Skoliose vorliegt. Auch im MRT sind entsprechende Veränderungen der Bandscheiben und Wirbel gut darstellbar. Die statische Beurteilung der Wirbelsäule und damit des Ausmaßes der Deformität sollte allerdings im Stand-Röntgen erfolgen, da sich die Winkel im Stand erheblich von denen im Liegen unterscheiden. Zeigt die Bildgebung eine keilförmige Verformung von mindestens drei benachbarten Wirbelkörpern von je mindestens fünf Grad, so kann man von einem Morbus Scheuermann sprechen.

Bei der körperlichen Untersuchung zeigt sich in der Regel ein deutlicher Rundrücken, der im sogenannten Vorneige-Test (bei Vornüberneigen des Rumpfes) besonders deutlich hervortritt.

Neben Röntgenuntersuchungen gibt es für Verlaufsbeobachtungen der Deformität die Möglichkeit einer strahlungsfreien Rasterstereographie-Untersuchung.

Eine Computertomographie ist nur dann sinnvoll, wenn es um die Beurteilung des Verknöcherungsgrades benachbarter Wirbel geht, das heißt wenn die Flexibilität der Wirbelsäule vor einer Operation bestimmt werden soll. Zur Beurteilung der Flexibilität ist zudem eine sogenannte Hypomochlion-Röntgenaufnahme („Biege-Aufnahme“) sinnvoll.

Abb. 2: Röntgenaufnahme eines Scheuermann-Patienten (Quelle: Wikimedia Commons)

Therapie und Nachsorge

Die Therapie richtet sich nach dem Alter des Patienten, seinen körperlichen Beschwerden und dem Ausmaß der Deformität, das heißt des Rundrückens. Noch im Wachstum befindliche Patienten, die keine oder nur sehr milde Beschwerden haben und einen nur sehr milden Rundrücken aufweisen, können ausreichend mit haltungsschulender Physiotherapie und rumpfstabilisierenden Übungen in Eigenregie behandelt werden, um einem Fortschreiten der Deformität entgegenzuwirken. Sport ist erlaubt. Wichtig sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen, in der Regel halbjährlich. Kommt es bei nur milder Deformität zu starken Schmerzphasen, kann aufgrund der Schmerzen eine zeitweise andauernde Korsett-Therapie zur schmerzstillenden Stabilisierung des Rumpfes sinnvoll sein, dann sollte phasenweise auf Sport verzichtet werden.

Überschreitet die Deformität des Rundrückens ein gewisses Maß und befindet sich der Patient noch im Wachstum, ist zusätzlich zu Physiotherapie und Eigenübungen eine regelmäßige Korsett-Therapie sinnvoll. Dies soll zu einer Aufrichtung des Rumpfes führen und den vorderen Anteilen der betroffenen Wirbelsäule die Möglichkeit geben, vermehrt zu wachsen, sodass es auch langfristig zu einer gewissen Korrektur kommen kann, die auch nach Beendigung der Korsett-Therapie (nach Beendigung des Wachstums) fortbestehen kann. Eine Korsett-Therapie ist besonders effektiv, wenn sie tagsüber und nachts durchgeführt wird. Sport ist erlaubt (ohne Korsett). Ähnlich einem jungen Baum, dessen Wuchsrichtung man nur durch permanente und nicht stundenweise Schienung an einen Pfahl korrigieren kann, ist eine Korsetttherapie auch nur sinnvoll, wenn sie quasi permanent über in der Regel mehrere Jahre erfolgt. Eine Korsett-Therapie zur Korrektur ist nur indiziert, wenn die Wirbelsäule noch weich und formbar ist, das heißt während des Wachstums des Patienten. Beim Erwachsenen ist sie in der Regel nicht mehr sinnvoll, da eine Korrektur nicht mehr realistisch ist.

Überschreitet das Ausmaß des Rundrückens beim Jugendlichen weitere Grenzwerte, so ist ein Korsett nicht mehr geeignet, die Kyphose zu behandeln und es wird eine operative Korrektur empfohlen. Dabei wird im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt jeder Wirbel mit Implantaten, heutzutage in der Regel mit Schrauben (alternativ mit Haken oder Bändern) besetzt, die dann mittels stabiler Stäbe die Wirbelsäule in der korrigierten Form halten. Dieser Eingriff wird unter permanenter Kontrolle der Rückenmarksfunktion durchgeführt, um die Sicherheit des Patienten zu gewährleisten. Langfristig verknöchern die so miteinander durch Implantate verbundenen Wirbel miteinander zu einem langen soliden Wirbelsäulenabschnitt („knöcherne Stockbildung“), was zu einer mechanischen Entlastung der Implantate führt. Die Implantate werden in der Regel belassen und müssen nicht entfernt werden. Der operierte Patient kann direkt nach der Operation seine Wirbelsäule belasten und mobilisiert werden. Nach der Operation ist ein Sportverbot von 4 bis 12 Monaten sinnvoll. Operierte Patienten werden regelmäßig in entsprechenden Ambulanzen nachkontrolliert.

Ausgewachsene Patienten mit einer nur milden Deformität und ohne Schmerzen bedürfen keiner spezifischen Therapie. Regelmäßige ärztliche Kontrollen sind ausreichend. Bei schwergradigen Kyphosen im Erwachsenenalter kann aufgrund der Deformität eine operative Korrektur angebracht sein. Da die Wirbelsäule beim Erwachsenen nicht mehr so flexibel wie beim Jugendlichen ist, müssen in der Regel etwas umfassendere Operationstechniken zur Anwendung kommen, um die Wirbelsäule so beweglich zu machen, dass eine Korrektur überhaupt möglich ist. Solche sogenannten „Release“-Techniken werden im Vorfeld der oben erläuterten Korrektur durchgeführt.

Die Grenzwerte, ab wann eine Korsett-Therapie oder auch eine Operation empfohlen wird, richten sich nach dem betroffenen Wirbelsäulenabschnitt und nach der Kurz- oder Langbogigkeit des Rundrückens. Exemplarisch wird im Bereich der Brustwirbelsäule, in dem ein Rundrücken von bis zu ca. 40 Grad normal ist, zum Beispiel ab 50 Grad ein Korsett empfohlen, ab circa 70 Grad eine Operation.

Literatur und weiterführende Links

Kayser, R. / Weber, U.: Morbus Scheuermann. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2007; 2(2): 125-140.

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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