Knochenentzündung (Osteitis)

Die Osteitis ist eine Knochenentzündung, die häufig durch eine bakterielle Infektion hervorgerufen wird. Sie kann sowohl akut wie auch chronisch auftreten. Die Infektion führt zu Durchblutungsstörungen im Knochen und schließlich zum Abstreben von Knochenteilen. Zur Behandlung wird in der Regel eine Antibiotikatherapie durchgeführt, bei schweren Fällen können auch chirurgische Maßnahmen notwendig sein.

Der früher häufig gebrauchte Begriff Osteomyelitis wird zunehmend durch „Osteitis“ ersetzt, da die Knocheninfektion nicht nur das Mark (Myelon) befällt, sondern sich im ganzen Knochen ausbreitet. Grundsätzlich wird zwischen einer bakteriellen und einer nicht bakteriellen Osteitis unterschieden. Im Nachfolgenden möchten wir uns auf die bakterielle Form der Knochenentzündung beschränken. Man unterscheidet weiterhin die akute von der chronischen Form. Die akute Osteitis ist eine Knocheninfektion, die innerhalb von zwei Wochen nach Beschwerdebeginn diagnostiziert wird. Von der chronischen Form wird dann gesprochen, wenn zwischen Diagnosestellung und Symptomatik mehrere Monate liegen. Im dazwischenliegenden Zeitabschnitt bezeichnet man Sie als subakute Osteitis. Bei der chronisch bakteriellen Knochenentzündung wird zusätzlich noch die primäre von einer sekundären Form unterschieden. Die primär chronische Osteitis präsentiert sich gleich zu Beginn mit einem eher milden Verlauf während die sekundäre chronische Osteomyelitis (Osteitis) mit einem akuten Beginn und anschließender Chronifizierung mit immer wieder neu auftretenden Entzündungsintervallen einhergeht.

Abb. 1: Einteilung der bakteriellen Knochenentzündung nach dem klinischen Verlauf (Quelle: Dr. Franz-Georg Smiszek)

Ursachen

Die Osteitis tritt vor allem in den langen Röhrenknochen auf (80 Prozent) (4). Sie kann durch eine hämatogene (über die Blutbahn erfolgende) Streuung von Bakterien entstehen, die von einem Entzündungsherd stammen, welcher vom Knochen entfernt ist (endogene Osteitis). Es besteht auch die Möglichkeit, dass sich eine Knochenentzündung durch lokale Weiterleitung der Bakterien entwickelt (exogene Osteitis). Diese Form wird durch eine äußere Eintrittspforte infolge eines vorangegangenen Traumas, eines chirurgischen Eingriffes oder einer Hautverletzung verursacht. Die exogene Form ist doppelt so häufig wie die endogene. Beide Formen können einen ähnlichen Verlauf zeigen und führen oft zu einer sekundären chronischen Entzündung (4). Weitere Formen der Knochenentzündung können durch eine Minderdurchblutung bei Gefäßerkrankungen oder bei Stoffwechselstörungen wie dem Diabetes mellitus entstehen.

Der Knochen ist vor allem in der Metaphyse (Abb. 2a) durch kleine Arterien gut durchblutet und geht im Stromgebiet in venöse Sinusoide (kleine Blutgefäße, die unter anderem im Knochenmark vorkommen und für alle Teile des Blutplasmas völlig durchlässig sind) über (Abb. 2b und c).

Abbildung 2a: Anatomische Bezeichnung der Abschnitte des langen Röhrenknochens (Quelle: Chriudel/Wikimedia Commons) Abbildung 2b: Struktureller Aufbau (Schnittbild) eines Röhrenknochens (Quelle: Siemens Stiftung/Wikimedia Commons) Abbildung 2c: Mikroskopische Darstellung des Knochens mit Knochenlamellen und Knochenmark (Quelle: Universitätsmedizin Greifswald) Abbildung 2d: Elektronenmikroskopische Darstellung eines Sinusoid (Blutgefäß), das aufgrund seiner aufgelockerten Wandstruktur und teilweise fehlenden Gefäßwandmembranen (die in allen anderen Blutgefäßwänden vorhanden sind) deshalb den Austausch für größere Moleküle, Zellen, Proteine und auch kleineren Mikroorganismen ermöglicht (4). (Quelle: Universitätsmedizin Greifswald)

Der dadurch bedingte langsame Blutfluss und die fehlende Phagozytose (Zellfrass) in dieser Region bieten den Bakterien gute Bedingungen für ihre Vermehrung. Einige Bakterien besitzen spezifische Rezeptoren für Knochenbestandteile, zum Beispiel Kollagen (4). (Die Blutversorgung der Knochenrinde (Corticalis) erfolgt zum einen von der Knochenhaut (Periost) und zum anderen vom Knochenmark aus. Die sich dann einstellende Durchblutungsstörung (Knocheninfarkt) führt zum Absterben von Knochenteilen, die als Sequester, auch „Totenlade“ genannt, im infizierten Areal zurückbleiben. Bei einem Sequester handelt es sich um ein abgestorbenes Knochenstück, das sich vom lebenden Gewebe gelöst hat und vom Körper eingekapselt oder abgestoßen wird. Eine Streuung der Erreger über die Blutbahn erfolgt meist nach einer Infektion wie zum Beispiel nach urogenitalen Infekten, Entzündungen der Gallenwege oder der Herzinnenhaut.

Häufigkeit

Es existieren nur wenige Untersuchungen, die einen Aufschluss über die Häufigkeitsverteilung dieser Erkrankung zulassen. In einer norwegischen Untersuchung von ca. 400 Kindern unter 16 Jahren wurde die jährliche Häufigkeit der bakteriellen Osteitis auf 13 Fälle pro 100.000 Einwohner geschätzt. Bei jüngeren Kindern ist diese Zahl doppelt so hoch. Bei Patienten mit Immundefekten oder Bluterkrankungen treten Knochenentzündungen ebenfalls gehäuft auf (1, 2).

Osteitis im Kindesalter

Eine akute hämatogene Osteitis tritt typischerweise zwischen dem dritten und 14. Lebensjahr auf. Am häufigsten sind Kinder um das zehnte Lebensjahr betroffen (2). Im Säuglingsalter sind besonders die Oberschenkel befallen. Die Erkrankung entsteht zunächst unter der Knochenhaut und kann sich wegen der Durchblutungsgegebenheiten nahezu ungehindert ins Gelenk ausbreiten mit nachfolgender Gelenkzerstörung (2, 4). Bei Kleinkindern mit Knochenschmerz, Schwellung, Rötung an den Extremitäten und schlechten Allgemeinzustand ist immer eine Osteitis in Betracht zu ziehen (3).

Diagnostik

Zu Beginn der diagnostischen Maßnahmen erfolgt nach dem klinischen Verdacht in erster Linie eine laborchemische Untersuchung. Entzündungszellen können im Blut nachgewiesen werden (Anstieg der weißen Blutkörperchen). Es existieren spezifische Eiweißkörperchen (Proteine), deren Konzentration sich bei Organinfektion erhöht (C-reaktives Protein). Für die Osteitis ist eine höhere Zahl an unreifen Abwehrzellen im Blutbild spezifisch. In der feingeweblichen (histologischen) Untersuchung unter dem Mikroskop findet man abgestorbene Zellen neben weißen Blutzellen und entzündungsfreien Arealen. Auch die für die Entzündung verantwortlichen Bakterien können unter dem Mikroskop betrachtet werden. Als häufigste Erreger der akuten hämatogenen Osteitis wurden Staphylococcus aureus (Bakterien der Haut, die in Wunden eine Infektion hervorrufen), Streptokokken (nur bei kindlichem Befall), Pneumokokken, E. coli, und Pseudomonas aeruginosa identifiziert. Organismen wie Mykobakterien (TBC), Pilze und Viren treten sehr viel seltener in Erscheinung (4). Sie sind eher bei Risikogruppen (abwehrgeschwächten Patienten) zu finden. In den Industrieländern ist die Knochentuberkulose selten. In weniger entwickelten Ländern spielt sie jedoch noch eine große Rolle und ist vor allem als Auslöser einer Osteitis der Wirbelsäule zu beobachten (Pottsche Erkrankung).

Der radiologischen Bildgebung kommt in der Diagnostik ein hoher Stellenwert zu. Im Röntgenbild lassen sich Knochenveränderungen allerdings nur dann nachweisen, wenn der Erkrankungsbeginn zwei bis drei Wochen zurückliegt. Bildet sich im Rahmen der Entzündung ein Abszess (Eiteransammlung), kommt es zur Abhebung der Knochenhaut vom Knochen. Dies ist in einer Ultraschalluntersuchung (Sonographie) gut erkennbar und früher zu sehen als im Röntgenbild. Weitere diagnostische Möglichkeiten bieten die Skelettszintigraphie, die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT).

Symptome und Verlauf

Die erkrankten Patienten der akuten hämatogenen Osteitis beklagen Knochenschmerzen und Fieber, welche vor allem in den Abend- und Nachtstunden zunehmen. Während der Schmerz bei älteren Kindern und Erwachsenen meist gut lokalisiert werden kann, fallen Kleinkinder häufig durch Schonhinken und eine Pseudoparalyse (Falschlähmungen) auf. Beim Fortschreiten der Erkrankung ohne therapeutische Beeinflussung kommt es zu einem vermehrten Krankheitsgefühl. Schüttelfrost ist ein typisches Zeichen für einen Abszess. Bei der akuten Entzündung stellt sich regelhaft Rötung, Schwellung und Überwärmung in der betroffenen Extremität ein. Eine akute hämatogene Osteitis heilt bei regelhafter Behandlung vollständig aus, kann aber in seltenen Fällen, wenn die Therapie mit Antibiotika nicht adäquat durchgeführt wird, in eine subakute bzw. chronische Form übergehen. Eine Chronifizierung tritt bei etwa 10 Prozent der Patienten mit akuter hämatogener Osteitis auf.

Abbildung 3: Links: Chronische Osteitis des linken Unterschenkels bei schwerer arterieller Verschlusskrankheit und einem Hautdefekt am Außenknöchel (links). Zu erkennen sind fleckige Aufhellungen in der Schienbeinmitte (Kreis blau) und Anhebungen der Knochenhaut (Pfeil gelb) sowie Sequester (Totenlade) des Wadenbeins (Pfeil rot). Rechts: Rechts: Osteitis im linken Oberschenkel mit Durchbruch der Infektion in die Weichteile (Abszess) (Pfeil blau), im Gegensatz zur Gegenseite (links): hier befindet sich Muskulatur (Pfeil grün) (Quelle: Universitätsmedizin Greifswald)
Abbildung 4: Links: Chronische Osteitis nach Sprunggelenksprotheseninfektion mit ausgiebigem Knochenverlust und kleinen Luftblasen im Prothesenlager (Eiter) (Pfeil weiß). Rechts: Ausheilung mit Gestell (Fixateur) nach mehrfachen Operationen und einer 16-wöchigen Behandlungszeit. (Quelle: Universitätsmedizin Greifswald)

Therapie

Die akute Form erfordert eine Behandlung der Knocheninfektion mit einer raschen antimikrobiellen Therapie und gegebenenfalls auch ein frühes chirurgisches Eingreifen (6). Es wird zwischen endogener hämatologischer Osteitis im Säuglings- und Kleinkindalter und bei Erwachsenen unterschieden. Im Säuglingsalter erfolgt eine Ruhigstellung des betroffenen Bereichs mit einer Schiene und eine Antibiotikatherapie (3). Ist das Gelenk mit infiziert, wird eine Drainage (ggf. Spül-Saug-Drainage) vorgenommen (1). Bei Kleinkindern erfolgt die Ruhigstellung mit einem Gips und es werden ebenfalls Antibiotika verabreicht. Bei abgestorbenen Knochenteilen (Sequestern) ist eine Operation erforderlich (6). Wachstumsstörungen und eine Gelenksschädigung sind möglich.

Eine frühere unspezifische Behandlung der Knocheninfektion ist auch beim Erwachsenen von enormer Bedeutung, um ausgeprägte Knochenzerstörungen oder das Absterben von Zellen zu verhindern. Die Standardtherapie der bakteriellen Osteitis besteht aus einer intravenösen Antibiotikagabe mit anschließender oraler Weiterbehandlung. Frühzeitig werden hier Erkrankungsherde chirurgisch saniert (1, 5, 6,). Die Antibiotikatherapie sollte sofort nach Abnahme einer Blutkultur als kalkulierte Therapie begonnen werden. Eine Verabreichung von Antibiotika ohne Keimaustestung wird nur dann vorgenommen, wenn sich der Patient im Stadium der Blutvergiftung befindet (Spesis) (6). Da in der Mehrzahl ein Staphylococcus aureus als Ursache vorliegt, werden in der Regel die Antibiotika Flucloxacillin, Clindamycin und Cephalosporine eingesetzt. Besonders mit Clindamycin können effektive Knochenspiegel (Anitbiotikakonzentrationen im Knochen) erreicht werden. Einige Erreger sind in der Lage einen Biofilm zu bilden, der das Durchdringen des Antibiotikums verhindern kann. Dieses Problem tritt besonders dann auf, wenn bei einem Patienten Osteosynthesematerialien zum Beispiel bei der Behandlung von Knochenbrüchen oder Gelenkprothesen verwendet werden. Der Behandlungszeitraum der antibiotischen Therapie umfasst je nach Therapieerfolg normalerweise vier bis sechs Wochen.

Bei einem Gelenkinfekt, bei einem Knochen- oder Weichteilabszess, bei einem Knochensequester, oder beim Nichtansprechen des Antibiotikums, sind neben der medikamentösen Therapie zusätzlich chirurgische Maßnahmen notwendig (1,5,6). Anders als bei Kindern kommt es beim Erwachsenen häufig zu Rezidiven (Wiederauftreten der Erkrankung) und zur chronischen Osteitis. Diese erfordert immer eine operative Mittherapie. Das Grundprinzip der chirurgischen Behandlung ist es, erkranktes Gewebe und Bakterien zu entfernen, die Durchblutungsverhältnisse zu verbessern und die Wundheilung zu stabilisieren. Das erfolgt mit Hilfe einer Vacuum-Therapie und der Verpflanzung von gut durchblutetem Muskelgewebe in den Erkrankungsherd (6). Zudem kommen Knochendefektbehandlungen mit Knochentransplantationen, Knochenverlängerungen (Kallotaxis) und plastischen Knochenoperationen zur Anwendung.

Die chirurgische Behandlung der chronischen Osteitis ist sehr anspruchsvoll und in den meisten Fällen auch sehr langwierig. Eine große chirurgische Erfahrung und eine individuell angepasste Therapie sind die Voraussetzung für ein gutes Behandlungsergebnis. Nicht selten muss bei Gelenkbeteiligung auch eine Versteifung des Gelenkes (Abb. 4b) vorgenommen werden. In schweren und schwersten Fällen, bei multiplen Begleiterkrankungen, Durchblutungsstörungen, Stoffwechselerkrankungen und Rheumaerkrankungen ist trotz moderner Medizin in wenigen Fällen die Amputation erforderlich.

Literatur und weiterführende Links

Hofmann G.: Chronische Osteitis. Infektionen der Knochen und Gelenke. München: Urban & Fischer; 2004: 59–83.

Niethard, F.U. / Carstens, C. / Döderlein, L. / Peschgens, Th.: Kinderorthopädie. Stuttgart: Georg Thieme Verlg. 19973:31-341.

Dietz, H.G. / Bachmeyr, I. / Joppisch, I.: Osteomyelitis im Kindesalter. Der Orthopäde, 2004: 287-296.

Böcker, W. / Denk, H. / Heitz, U. / Höfler, G. / Kreipe, H. / Moch H.: Pathologie. 5. Auflage, München: Urban & Fischer, 2012: 857-860.

Schmidt-Rohlfing, R. / Lemmen, S.W. / Pfeifer, R. / Pape, H.C.: Osteomyelitis im Erwachsenenalter. Unfallchirurg, 2012: 55-66.

Behrendt, D. / Josten, C.: Osteomyelitis im Erwachsenenalter. Chirurg, 2014: 261-272.

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